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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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machten. Was mochten sie sein? Spione der fremden Fürsten auf der anderen Seite der Welt? Ja, gewiss, und der Daimyo sollte sie hinrichten lassen. Auch Mataemon waren die Nanbanjin nicht geheuer, hatte er doch Geheimnisse zu hüten, die nicht in falsche Hände geraten durften.
    Mataemon war etwa vierzig Jahre alt, für seine Epoche bereits ein älterer Mann. Er war mehr als doppelt so alt wie die Fürstin, die zu diesem Zeitpunkt erst siebzehn Jahre zählte. Mataemon hatte Frau und Familie in Kanazawa gelassen und seit Jahren nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die selbstbewusste und unabhängige Fürstin fand Gefallen an diesem Mann, dessen Weisheit und Wissen sie in Erstaunen setzte. Menschen aus jener Zeit kannten gewiss ihre Pflicht, doch es herrschten noch  – bis in die hohen Gesellschaftsschichten hinein  – die lockeren Sitten eines Agrarvolkes. Was zwischen Mann und Frau geschah, wurde ohne Vorwurf geduldet. Und es sollte noch über ein halbes Jahrhundert vergehen, bis strengere Moralauffassungen sich durchsetzen würden. Bedenkt man allerdings den Rangunterschied, war es klar, dass die Fürstin die Initiative ergreifen musste. Mataemon war ein stattlicher Mann. Sein Haar war noch nicht ergraut. Er hatte strenge, aber ebenmäßige Züge, die einen sanften, humorvollen Ausdruck annehmen konnten, wenn er sprach
oder lachte. Und Chacha hatte einen starken Willen, seit ihrer Kindheit war ihr niemals etwas verwehrt worden. So geschah es dann, dass beide sich fanden. Und als Chacha merkte, dass sie schwanger war, stürzte es sie nicht übermäßig in Verwirrung. Es war schon einmal vorgekommen  – sie hatte sich mit einem jungen Adligen bei Hofe vergnügt; doch sie hatte abgetrieben. Noble Damen suchten eine Frau auf, die aus verschiedenen Kräutern einen Trank mischte, der Leibschmerzen und starke Blutungen erzeugte. Nach einigen Stunden ließen die Blutungen nach. Die Frauen suchten dann ein Schwitzbad auf, und die Hitze des Dampfes ließ sie in einen wohltuenden Schlaf versinken. Sobald sie erwachten, war alles vorbei. Doch es gab eine Zeit, die eingehalten werden musste, sonst wurde der Eingriff schwierig und sehr schmerzhaft, und die Frau selbst war in Gefahr. Dies wusste Chacha aus eigener Erfahrung, doch sie konnte sich nicht entschließen, diesem Leben, das in ihr heranreifte, ein Ende zu setzen. Auch wurde sie von bösen Träumen und Vorahnungen heimgesucht, die ihr sehr zu denken gaben. Sie machte sich auf, die Priesterin eines kleinen Shinto-Schreins zu befragen, die eine heilige Frau war. Ob die Priesterin ihr raten würde, das Kind auszutragen? Die alte Frau erwiderte, die Fürstin könne natürlich nach Belieben handeln. Doch gäbe es Fähigkeiten, die vererbt werden sollten, und Namen, die es in Ehren zu halten galt. Chacha verstand den Rat. Sie dankte der alten Frau und machte eine reiche Stiftung für den Altar. Dann ließ sie Mataemon wissen, dass sie von ihm schwanger war. Mataemon war berührt und aufgewühlt, bemühte sich jedoch, wenig Gemütsregung zu zeigen. Was konnte er tun? Das Kind gehörte der Mutter  – sie entschied, ob es leben oder sterben sollte. Chacha ließ ihn wissen, dass sie das Baby austragen wollte. Äußerlich ließ sich Chacha nichts anmerken, ging ihren gewohnten Beschäftigungen nach, ritt ihren
schönen Schilfdrachen. Die weiten Hofgewänder verbargen ja ihren Zustand. Als sie schwerfälliger wurde, täuschte sie eine Krankheit vor. Der Winter kam ja, und Chacha, in ihre wattierten Gewänder gehüllt, zog sich in ihr eigenes Schloss zurück, ließ nur die Hebamme und die vertrautesten Dienerinnen ihren Zustand wissen. In starkem Schneegestöber verspürte Chacha die ersten Wehen. Sie schickte nach der Hebamme, die meinte, es würde schnell vorübergehen. Sie band ein Seidentuch um Chachas Leib und presste auf diese Weise das Kind aus ihrem Körper heraus: Es war ein kleiner Sohn, gesund und wohlgeformt. Chacha liebkoste das Baby, schickte jedoch nach einer Amme. Sie wollte ihr Kind nicht nähren, weil sie befürchtete, sich dadurch zu sehr an ihn gebunden zu fühlen. Wie groß ihr innerer Kampf auch sein mochte, sie musste praktisch denken. Ob sie den Daimyo ins Vertrauen zog? Wir wissen es nicht. Seine Zeit war mit Geschäften erfüllt, um sein Reich unter Kontrolle zu halten. Er herrschte mit eiserner

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