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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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hinter uns.
    Und das alles frierend und klamm geschwitzt, ohne Kaffee, ohne Frühstück, ohne Kraft. Mia sah entsetzlich aus, wachsbleich, mit aufgesprungenen Lippen und blauen Ringen unter den Augen. Mein Kopf war heiß und pochte, wahrscheinlich hatte ich Fieber. Was waren wir? Neunmalkluge Leute, die für eine solche Situation nicht die geringste Erfahrung
mitbrachten. Wir waren verwöhnte Kinder des Wohlstands. Die alten Menschen hier, die waren Realisten, die packten die Sache an. Es schien, als ob sie etwas verstanden, das uns entging. Wir durften ihnen nicht im Weg stehen. Und war uns zum Kotzen dabei, aber das war unsere Sache. Wir durften ihnen nicht mit Selbstmitleid kommen. Eiskalt fuhr der salzige Wind über unsere klammen Gesichter. Dann und wann fielen Schneeflocken. Wir öffneten die Lippen, leckten sie gierig und arbeiteten weiter.
    Dann und wann entdeckten wir schwer Verletzte. Sie waren in Trümmern eingeklemmt, hatten die Nacht in ihren eingestürzten Häusern verbracht. Onkel Matsuo gab ihnen eine Spritze, damit sie die Schmerzen nicht spürten, während wir sie aus dem Schutt befreiten. Diese Leute hätten sofort ins Krankenhaus gemusst. Aber alles, was wir tun konnten, war, sie der notdürftigen Pflege ihrer Angehörigen anzuvertrauen.
    Wir schleppten Kartons mit Proviant und Kerzen, Decken und Matratzen zu unserem Lager. Wir wussten nicht, was noch kommen würde, und die Nachbeben machten es unmöglich, in den Häusern zu schlafen. Immer wieder rumpelte die Erde. Wir machten uns bereit, auch eine zweite Nacht in unserem Lager zu verbringen, unter Zeltplanen, zum Schutz vor der Kälte. Wir kehrten also zu den Anfängen zurück: Camping. Zweige für das Feuer ließen sich leicht herausbrechen, aber das abgestorbene Holz war nass. Die Luft roch schwer nach Salz und verfaulter Rinde. Es brauchte viele Versuche, bis die Streichhölzer brannten; die meisten zischten auf, flackerten und erloschen. Als das Feuer mit viel Rauch endlich brannte, brachten Frauen und Männer das Kochgeschirr, das sie aus ihren Häusern geholt hatten. Zunächst wurde Trinkwasser abgekocht und in Thermosflaschen gefüllt. Mineralwasser gab es nicht mehr. Dann wurden Spaghetti und Reis gekocht. Der Reis ohne alles, die Spaghetti mit einer wässrigen
Tomatensoße. Immerhin hatten wir etwas im Magen. Man konnte davon leben. Und für morgen früh war Pulverkaffee angesagt. Wir lechzten regelrecht danach. Doch mit unseren wenigen Vorräten mussten wir sparsam umgehen, keiner wusste, wie lange wir damit würden auskommen müssen. Zum Glück gab es Dosen. Dosen mit grünen Bohnen, mit Ananas, Pfirsichen in Sirup, dem typischen amerikanischen Früchtecocktail mit den falschen Kirschen. Und auch die Katzen kamen hervor, erhielten einen kleinen Anteil. Sie waren Selbstversorger, aber die Bewohner waren dankbar, dass sie da waren und sich nachts zu ihnen legten, um sie zu wärmen. Die Fischer sagten, dass sie wieder angeln gehen würden, aber noch wagte sich keiner an den Strand, der mit vermodertem Unrat und allem möglichen schauderhaften Zeug  – auch menschliche Überreste  – übersät war. Ein Mann hatte in seinem Gartenschuppen eine Petroleumlampe mit Brennstoff gefunden. Unter Beifall zündete er die Lampe an. Genauso undeutlich wie alle anderen Formen tauchten Gesichter aus der Dunkelheit auf, gute, harte Gesichter. Die Menschen hatten sich mit ihrer Lage bereits abgefunden. Sie waren bereit. Ich dachte, dass auch ich bereit sein musste. Ich wollte ihnen nicht zur Last fallen. Was war von den Erzeugnissen unserer Zivilisation noch da? Nicht viel. Gas- und Mikrowellenherde? Wozu? Computer, Faxgeräte, Fernseher  – nichts funktionierte ohne Strom. So war es eben, wenn ein Erdbeben unser ausgeklügeltes elektronisches Universum durcheinanderrüttelte. Zum Glück blieben uns noch Laptops und iPods, und auf diese Weise erfuhren wir, dass die Präfektur Tohoku im Umkreis von sechshundert Kilometern verwüstet war, dass ganze Dörfer von der Karte gelöscht waren, dass die Flutwelle Tausende von Autos und Lastwagen fortgespült hatte. Ehe die Dämme brachen, war die Gegend ein Fest der Fruchtbarkeit, der blühenden Gärten gewesen. Jetzt war
alles dem Erdboden gleichgemacht. Wie viele Tote und Vermisste es gab, war nicht zu ermessen. Man sprach von vielen Tausenden.
    Und was in Fukushima mit

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