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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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sie nur in High Heels begehrenswert. Die Wahrheit ist, dass Männer nervös werden, wenn sie gezwungen sind, neben einer Frau zu gehen, die in High Heels daherstakst. Männer ertragen es nur am Anfang ihres Verliebtseins. Danach lautet die Parole: »Los, Mensch, beeil dich doch!«, worauf die genervte Frau bald zu Adidas greift. High Heels sehen schick aus, törnen Fetischisten an, deformieren den Hallux und sind lediglich für Catwalk, Party oder Dinner tauglich, wo sie ohnehin unter dem Tisch verschwinden, derweil die Frau ihre wehen Füße auf dem Fußboden kühlt. Tanja machte es nicht anders, deswegen bin ich im Bilde, obwohl ihre High Heels den noblen Namen »Roger Vivier« spazieren führten. Mia Koga hingegen trug schwarze Ballerinen mit einer kleinen Samtschleife, was überaus reizvoll aussah. Ihr Gang war schnell und leicht. Mir kam dabei das Wort »beflügelt« in den Sinn. Dazu kommt, dass man bei vielen Frauen ein Geräusch hört, als wäre ein Garderegiment im Anmarsch, während die junge Japanerin völlig lautlos ging. Sie drehte dabei ihre Zehen leicht einwärts, was Amalia zu der Bemerkung veranlasst hätte, dass sie »über den großen Zeh latschte.« Ja, aber nur minimal, ganz minimal, ihre Erscheinung nahm dadurch keinen Schaden. Der Weg stieg etwas an, Mia aber kam keine Sekunde aus der Puste, während mir die Hitze unter den Kragen stieg.
    Die Lounge, mit roten Wänden, weichen Ledersesseln und sanfter Musik, war der ideale Ort für einen ausklingenden Abend. Mia hatte noch Lust auf Wein, und auch in mir war plötzlich der Wunsch nach einer guten, kühlen Sorte. Ein oder zwei Gläser konnte ich ja wohl trinken, ohne mich gleich kratzen zu müssen. Der Ober beriet uns gut; ich wählte einen feinen lokalen Rotwein, der nach Brombeeren duftete.
    Mia hob graziös das Glas, zog zunächst den Duft ein, wobei sich ihre feinen Nasenflügel leicht zusammenzogen.

    Â»Oh, der ist wundervoll«, meinte sie. Wir stießen an. Mia machte auf mich einen tiefen Eindruck. Ihre Erscheinung war einfach und elegant, wirklich schön, weil sie Maß und Form hatte. Sie trug einen dunklen, gut geschnittenen Hosenanzug, den sie auch im Büro hätte tragen können. Ihr nachtblaues, halsfernes Top, mit Pailletten bestickt, gab ihm eine festliche Note. Außer einem Armband aus schwarzer Emaille und einem feinen Ring mit einem winzigen Brillanten trug sie keinen Schmuck. Das weiche, kastanienbraune Haar fiel glatt und voll zu beiden Seiten des Kopfs herab und betonte ihre feinen Züge und den schlanken Hals. Die dunklen Augen waren diskret geschminkt, die Nase leicht gebogen, die Lippen voll und weich, während das feste Kinn ihrem Gesicht etwas Energisches gab. Sie sprach Deutsch auf eine besondere Art, mit einer schnellen, etwas gedehnten Sprechweise, als ob sie vor sich hinsang.
    Â»Ich bin wirklich sehr ungeschickt«, gestand sie mit einem Ausdruck von Selbstironie. »Ich kann nichts dafür, ich bin so geboren worden. Schon als Kind schmiss ich alles um, machte alles kaputt. Ein neues Spielzeug wollte ich immer sofort untersuchen. Was bedeutete, dass ich das Spielzeug auseinandernahm und die Teile dann nicht mehr zusammensetzen konnte.«
    Ich nickte. Ich hatte diese Phase auch gehabt.
    Â»Für gewöhnlich machen das die Jungen.«
    Â»Das sagte meine Mutter auch: ›An dir ist ein Junge verloren gegangen.‹ Japanische Mädchen sind sehr geschickt, müssen Sie wissen. Man erwartet von ihnen, dass sie alles sorgfältig und perfekt machen. Mutter konnte mir eine Sache zehn- oder zwanzigmal zeigen oder erklären, ich machte alles falsch. Aber Mutter hatte viel Nachsicht mit mir, weil sie früher eigentlich nicht viel anders gewesen war. Sie hatte nur mehr Disziplin als ich. Heutzutage habe ich sogar Mühe,
mich zu frisieren oder Nagellack aufzutragen. Ich kann nicht einmal kochen. Stehe ich in der Küche, brennt mir alles an, fülle ich Reis in eine Schale, fällt gleich die Hälfte daneben. Stellen Sie sich vor, ich habe es sogar fertiggebracht, mit zwei linken Schuhen nach Prag zu kommen!«
    Â»Schuhgeschäfte gibt es hier an jeder Straßenecke«, meinte ich. »Dafür sind die Tschechen ja bekannt.«
    Sie lachte.
    Â»Ich habe mir natürlich ein Paar kaufen müssen. Solche Dinge passieren mir immer wieder«, setzte sie hinzu. »Das kommt daher, weil ich nie

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