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Tochter des Windes - Roman

Tochter des Windes - Roman

Titel: Tochter des Windes - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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ich krache der Länge nach hin. Sie schien es zu merken, hielt mich fest, mit erstaunlicher Kraft. Ich starrte sie an, überwältigt von ihrer Schönheit: die flügelgleichen Brauen, die schmale Nase, das vollkommene Oval ihres Gesichts unter dem wippenden dunklen Haar. Und dieser besorgte Blick!
    Â»War es nicht zu anstrengend, Rainer? Wie fühlst du dich?«
    Ich drückte mein Gesicht an ihren Hals.
    Â»Beschwipst!«
    Sie machte große Augen.
    Â»Oh, hast du viel im Flugzeug getrunken?«
    Â»Ja, aber nur stilles Wasser.«
    Â»Davon wird man nicht beschwipst.«
    Â»Doch, sobald ich dich sehe!«
    Sie lachte. Wir lachten beide. Sie half mir den Koffer zu schieben, mit der Menge ebenso vertraut wie ein Fisch mit den Meerestiefen. Sie trug hellblaue Bermudashorts, dazu ein weißes T-Shirt mit der Aufschrift »Happy«. Ihre bloße Gegenwart verwandelte alle Dinge auf magische Weise. Die Menschenmenge, die ewigen Durchsagen, das Musikgeriesel, sämtliche Geräusche rückten plötzlich in die Ferne. Mia zog eine Dauerkarte vor, ich zeigte meinen Fahrschein, und wir passierten ungehindert die elektronische Schranke. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Männer und Frauen, die mit eiligen, zielstrebigen Schritten vorbeiströmten, ihr Verhalten irgendwelchen unbekannten Richtlinien anpassten. So auch Mia, die jetzt die Führung übernommen hatte, nicht im Geringsten unsicher, sondern überaus entspannt und zufrieden.
    Â»Ich habe dir ein Zimmer im Okura reserviert.«
    Â»Ich dachte, ich würde bei deiner Tante wohnen.«

    Sie schüttelte den Kopf, wobei sie gleichzeitig mit beiden Augen zwinkerte.
    Â»Nein, nein, so schnell geht das nicht! Wir müssen zuerst mit ihr reden.«
    Â»Ich habe Schokolade mitgebracht. Und Printen.«
    Â»Oh, die wird sie mögen!«
    Â»Sag, wie steht es mit ihrem Gebiss?«
    Mia prustete vor Lachen.
    Â»Wann war sie das letzte Mal beim Zahnarzt? Das muss gewesen sein, bevor ich auf die Welt kam.«
    Â»Du lieber Himmel!«, stöhnte ich. »Und ich dachte, Nussschokolade sei zu hart für sie.«
    Â»Sie mag auch Erdnüsse«, sagte Mia.
    Und wir bogen uns vor Lachen. Wir standen in einer Schlange vor den im Sekundentakt abfahrenden Taxis. Alle standen dicht nebeneinander, wischten sich mit blütenweißen Taschentüchern die Stirn und warteten. Kein Drängen, kein Schubsen, kein Gestikulieren, sodass es erstaunlich schnell ging. In kürzester Zeit waren wir an der Reihe. Ich half dem Fahrer, der weiße Handschuhe trug und mit resignierter Grimasse meinen Koffer im Wagen verstaute. Wir stiegen ein, die Tür öffnete und schloss sich automatisch. Mia gab die Adresse an, und los ging’s. Der Fahrer passte sich dem Verkehr an, der erstaunlich langsam und flüssig war. Die Sonne stand bereits hoch, ihre Strahlen ließen den Asphalt glitzern. Unter dem Wechselspiel von Licht und Schatten, dem Flirren der Blätter an den vielen Bäumen, sah ich eine Stadt, die mich in ihrer großzügigen Weite an Hamburg erinnerte, mich aber verwirrte, weil sie mir gleichzeitig total unbekannt vorkam, mit Menschen, die alle eilig gingen, aber auf besondere Art entspannt wirkten, mit Radfahrern, die wie Schwärme von Vögeln auf den breiten Trottoirs fuhren. Alle Autos sahen gepflegt aus, alle Karosserien glänzten, der
Himmel leuchtete, und die ganze Stadt saugte die Helle auf, warf sie prismatisch zurück. Alles war neu, ich hatte neue Augen, ein neues Gehör und ein müdes Gehirn, das nichts von dem assimilierte, was es wahrnahm. Eine geistige Blockade. Ich wandte die Augen ab, sah in Mias glückliches Gesicht und deutete auf ihr T-Shirt.
    Â»Happy?«
    Â»Erst seitdem du da bist«, sagte sie. »Und du?«
    Â»Ja, sehr.«
    Sie war die einzige Vertraute in dieser fremden Welt, meine »Bezugsperson«. Doch es genügte, wenn sie ihre Schulter an meinen Arm lehnte, meine Hand hielt  – eine zärtliche Geste des Schutzes, und ich fühlte mich wohl. Ich fuhr durch ein unbekanntes Land mit eigenen Rhythmen und Lebensgewohnheiten, und sie führte mich, lächelte ohne Spott über mein benebeltes Staunen, ging mit mir, mit meinen Gedanken, kannte alles und deutete es neu, für mich.
    Â»Tut mir leid«, murmelte ich. »Ich glaube, ich bin müde.«
    Sie blinzelte heiter.
    Â»Heute Nacht wirst du nicht viel zum Schlafen kommen.«
    Eine

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