Tod am Chiemsee (German Edition)
Maximilian.
»Irgendwas muss ihn traurig gemacht haben, er saß bei der Steinmauer und hat
geweint. Das war echt … verrückt. Er hat das Gras gestreichelt.«
Marian nickte. »Tobias tut nichts ohne Grund, dafür ist sein Gehirn
nicht ausgelegt. Tränen. Das Gras streicheln. Es muss mit einer Erinnerung zu
tun haben. Einer traurigen Erinnerung. Obwohl ich keine Ahnung habe, was für
einen Grund Tobias haben könnte.«
Oh, aber ich glaube, die hast du sehr wohl, sagte Stefan zu sich
selbst. Sie konnte ihr Gesicht nicht sehen, er allerdings schon.
»Herr Kommissar, was liegt an?«, erkundigte sich Marian scherzhaft.
Stefan verkündete, sie hätten einen Termin in Gollenshausen. »Bis
die Rumpelkammer im Kloster einigermaßen aufgeräumt ist. Der gesammelte Staub
von Jahrhunderten.«
»Das wäre was für meine Oma. Die hat so eine Staubdingsbums«,
bemerkte Maximilian.
»Das ist sogar unbedingt was für deine Oma, weil sie etwas mit der
Madonna in der Kapelle angestellt hat.« Stefan zwinkerte schelmisch. »Ich werde
deine Oma dazu befragen müssen.«
»Echt? Sie hat die Madonna … gedisst?« Maximilians Augen glühten
förmlich vor Begeisterung bei dem Gedanken, seine Oma könnte eine – wenn auch
noch so kleine – Straftat begangen haben.
16
Wilde
Möhre (Daucus
carota)
Standort: Sonnig bis halbschattig, lockere, kalkhaltige, mäßig nährstoffreiche Lehmböden.
Wissenswertes: Die Pflanze ist von ähnlichen Doldenblütlern eindeutig durch ihre tiefrote oder
schwarze »Mohrenblüte« in der Mitte der Dolde zu unterscheiden. Die bleiche,
eher karotinarme Wurzel ist im ersten Jahr zwar essbar und schmeckt sehr
aromatisch, sie ist jedoch klein und zäh.
Warum hatte sie sich wie eine verschmähte Geliebte
benommen? Was sollte der Unsinn? Sie hätte nicht zur Werft fahren sollen, sie
hätte die alten Gefühle beiseiteschieben müssen. Herrgott noch mal, Friederike!
Du bist doch nicht mehr das besprungene und dann stehen gelassene junge Ding.
Stehen gelassen, weil er sie vor all den vielen Jahren im Stehen genommen
hatte. Vor all den vielen Jahren. Eben.
Er hat dich nicht mehr erkannt, du bist fett geworden. Tränen traten
ihr in die Augen, die sie mit dem Handrücken beiseitewischte.
Friederike Villbrock hatte beschlossen, das zu tun, was sie immer
getan hatte. Was sie konnte. Sie würde einen Schuldigen finden. Denjenigen, der
Moritz und Theresa getötet hatte. Und wenn sie dabei dem jungen Kommissar in
die Quere kam, na, dann war das eben so!
Sie würde so lange in ihren Erinnerungen stöbern, bis sie auf etwas
Greifbares stieß, das sie weiterverfolgen konnte. Es wusste auf der Insel ja
fast niemand, dass Friederike Villbrock kein Richteramt mehr bekleidete. Die
schwarze Robe verschaffte Macht und Einfluss, wenn auch nur in der Vorstellung
der Leute. Es war das schlechte Gewissen. Jeder hatte eins.
Und Lukas’ Blick, eine Spur unsicher und doch aggressiv und
angriffslustig, hatte ihr verraten, dass er einiges zu verbergen hatte.
Vielleicht sogar einen Brudermord.
17
Vergissmeinnicht (Myosotis sylvatica)
Standort: Halbschattig, nährstoffreiche feuchte Lehmböden.
Wissenswertes: Besonders in Laub-, Misch- und Nadelwäldern, aber auch in Auenwäldern und auf
Bergwiesen wächst die zarte Pflanze. Manchmal sind die Blütenknospen zartrosa.
Auch die geöffneten Blüten können hin und wieder rosa überlaufen sein. Meist
aber vollzieht sich während der Blütenentwicklung ein vollständiger Farbwechsel
von Rosa nach Blau. Die Ursache dafür liegt in der Veränderung des pH-Wertes in
der Blüte. Den blauen Blüten, die an Augen erinnern, könnte die Pflanze ihren
deutschen Namen zu verdanken haben.
Sie legte ihre Hand auf die der anderen Frau. Katharina
bezweifelte, dass sie ihren richtigen Namen genannt hatte, aber das brauchte
sie auch nicht. Ihre Geschichte entsprach der Wahrheit. Bitter. Ohne Hoffnung.
Die Angst hatte ihr Ketten angelegt, sie drohte daran zu zerbrechen. Und doch
war da immer noch so ein kleiner Rest Feigheit, der für eine Lüge gut war. Und
wenn es bloß ein falscher Name war.
»Du sollst nicht töten«, sagte sie zu ihr. »Auch nicht dich selbst.«
An manchen Tagen war die Hoffnungslosigkeit derjenigen, die zu ihr
kamen, überwältigend, und Katharina war nahe dran, den Mut zu verlieren.
Es war nicht ihr Leben, keines davon, aber sie fand sich darin
wieder. Weil sie von diesen anderen Leben den Deckel abnahm und hineinschaute.
Und heute kam auf einmal, wenn auch nicht so
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