Tod am Chiemsee (German Edition)
etwas
Zusammengefaltetes befand.
Altheas Finger zogen ein kleines Briefchen heraus. Sie strich es
mehrmals glatt, sie wollte das Lesen hinauszögern. Es waren private Worte. Für
keinen von ihnen bestimmt.
Stefan musste ihre Gedanken erraten haben. »Mir fällt es leichter.
Wenn du möchtest …«
»Es ist womöglich ein Beweisstück. Ob ich gerade Fingerabdrücke
vernichte?« Althea faltete das Stückchen Papier vorsichtig auseinander. »Dann
habt ihr meine Fingerspuren auch noch hier drauf und müsst herausfinden, welche
zu wem gehören.«
»Deine Fingerabdrücke sind bei uns gespeichert«, erinnerte Stefan
sie. »Wir nehmen einfach die anderen.«
Wie konnte sie das vergessen. Natürlich waren ihre Daten und alles,
was dazugehörte, den Behörden bekannt. » Diese anderen
habt ihr bestimmt nirgendwo gespeichert«, sagte Althea. Sie rechnete damit,
einen kleinen Liebesbeweis zu entdecken.
Das war es nicht.
Euer Versteck ist keines mehr. Eine kleine
Gemeinheit. Von jemandem, der sich auch heute noch daran erinnerte.
15
Drachenkopf (Dracocephalum moldavica)
Standort: Sonnig, mittelschwere Böden mit gutem Wasserhaushalt.
Geschmack und
Verwendung: Drachenkopf hat ein intensives warmes Zitronenaroma.
Das Kraut eignet sich hervorragend zum Ansetzen von Likören, zum Würzen von
Desserts und Kuchen.
Wissenswertes: Die blauvioletten Blüten, die an den Kopf eines Drachen mit aufgesperrtem Maul
erinnern, gaben der Pflanze ihren Namen. Ihres zitronigen Aromas wegen wird sie
auch als Türkische Melisse bezeichnet.
So etwas war sicher schon vorgekommen, dennoch fand er es
komisch, eine ehemalige Richterin einzubestellen. Außerdem befand er sich nicht
in München, und ihm stand kein Büro zur Verfügung.
Kriminalkommissar Stefan Sanders hatte die Priorin um einen Raum im
Kloster gebeten, in dem er ungestört mit ein paar Leuten reden konnte. Allen,
die ihm etwas zu Theresa Biedermann und Moritz Lanz erzählen würden.
Die alte Kath aus Gollenshausen hatte ihn allerdings gebeten, zu ihr
zu kommen. Er solle auch die Klosterschwester mitbringen, deren Knie der
Pfarrer als Schülerin so gern gestreichelt habe. Sie konnte nur eine meinen.
»Schwester Althea, welche Abgründe tun sich da auf …«, flüsterte Stefan mit
einem breiten Grinsen. Wenn nicht mal eine Pfarrersseele sicher war. Na ja,
nach den Kirchenskandalen der letzten Zeit konnte einen so schnell nichts mehr
überraschen.
Der Kommissar hatte sich Marian Reinharts Fallakte eingepackt, als
feststand, dass er auf Frauenchiemsee ermitteln sollte. Bislang hatte er
allerdings noch keinen Blick hineingeworfen. Was hielt ihn davon ab? Er wollte
sie nicht in diesem schlimmen Zustand sehen. Ihr Gesicht nicht auf diesen
Verbrecherfotos anschauen.
Seine Mutter hatte natürlich gleich gesagt: »Sie war immer schon
schwach.« Andererseits konnte er sich auch an andere Kommentare erinnern: »Sie
soll den Typen mit Gift gekillt haben? Wie hat sie das bitte schön geschafft?
Ihr Gehirn ist doch bloß mehr Sülze.«
Und heute war es das Gehirn seiner Mutter, das nur mehr Sülze war.
Sie litt an Demenz. Mit gerade mal fünfundsechzig Jahren.
Was willst du beweisen? Diese Frage wurde Stefan Sanders nicht gestellt,
weil er niemandem gegenüber seine persönlichen Nachforschungen erwähnt hatte.
Aus diesem Grund hatte er auf seinem Computer im Büro auch nichts zu Marian
Reinhart abgespeichert. Lieber studierte er Papiere statt digitalisierter
Daten. Stefan brauchte nur eine einzige Antwort: Hatte Marian Rick Dante das
Gift verabreicht? Und wenn sie es getan hatte, dann in der Absicht, ihn zu
töten?
Dabei hätten seine Gedanken eigentlich woanders sein sollen – bei
den Knochen aus dem Chiemsee.
Nachdem Marian gestern Nacht die Nachricht im Sockel der Madonna
entdeckt hatte, hatten sie sich noch lange über vergangene Leidenschaften
unterhalten. Nur – so vergangen waren sie ganz offensichtlich nicht. Seine
Tante hatte ihm erzählt, wie sie Friederike Villbrock damals aufgelöst und
weinend im Klostergang entdeckt hatte. Und Stefan musste an Maximilian denken,
der am Nachmittag gesagt hatte, seine Oma würde gerade etwas Dummes tun.
Kinder waren mitunter ziemlich schlau. Die ehemalige Richterin hatte
sich auf den Weg zur Chiemseewerft gemacht. Moritz Lanz war tot, Lukas Lanz
aber nicht. Was immer sie von ihm gewollt hatte, Sex war es wohl nicht. Doch
sie könnte ihm gedroht haben, und das barg allerhand Gefahren. Stefan würde sie
danach fragen. Er wollte auch
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