Tod am Chiemsee (German Edition)
Jadwiga
fragen sollte, weshalb sie das alles nicht am Telefon erledigen konnte.
Stefan war noch nicht aus München zurück. Es hätte auch keinen
Sinn gemacht, ihren Neffen um Unterstützung zu bitten, die Leute würden ihn
höchstens bedrohlich finden.
Weniger bedrohlich war da Tobias Tümmler. Das ergab sich einfach.
Gregor hatte einen Termin in Salzburg wegen einer Ausstellung, und sie würde
sich um Tobias kümmern.
Tobi brauchte eigentlich keinen Aufpasser, doch Gregor war es
lieber, wenn sich jemand um ihn kümmerte. Althea hatte ihm gegenüber nicht
erwähnt, dass sie für einige Stunden nicht im Kloster sein würde. Tobias
hingegen war es ganz egal, denn er mochte Ausflüge.
Althea hatte es schließlich geschafft, die Priorin zu überzeugen,
dass der ganze Aufwand nötig war. Die überkreuzten Finger in den Taschen des
Ordensgewandes konnte Schwester Jadwiga nicht sehen – und der Herrgott schaute
hoffentlich darüber hinweg.
Schwester Jadwiga musste die Taxifahrten nicht eigens genehmigen,
sie musste nur das Geld dafür lockermachen. Und heute war sogar die Priorin
selbst locker. »Es ist Eiszeit, du solltest dir etwas gönnen.« Hoppla. Eiszeit.
Schwester Jadwiga hatte ja keine Ahnung, dass das nicht nur für die kalte und
süße Variante galt.
Zusammen mit Tobias machte sich Althea auf den Weg. Eis gab es auch
auf dem Schiff. Eigentlich dauerte die Überfahrt gar nicht lange genug, aber
sie schafften es, jeder zwei Eis zu essen.
Als sie anlegten, lief er beschwingt neben ihr her, und sogar die
Taxifahrt machte ihm Spaß. Der Fahrer war ein Kini-Anhänger, und auch Tobi
verehrte den Märchenkönig.
Althea fand es schlicht bewundernswert, sie hätte sich diese
Biografie und all die Geschichten dazu nicht merken können, aber Tobias konnte
es.
Sie hatten ihren ersten Zielpunkt erreicht und stiegen aus. Wie auf
einem Spielbrett würden sie sich heute vorwärtsbewegen, das war ein komischer
Gedanke und zugleich nützlich.
»Tobi, wir machen ein Spiel, hast du Lust?« Althea stupste ihn an,
und der junge Mann nickte eifrig. »Das Spiel geht so: Wir möchten Fische kaufen
und erzählen dem Fischer eine Geschichte. Der Fischer erzählt uns natürlich
auch etwas, aber darin könnte sich eine Lüge verbergen, und die müssen wir
erkennen.«
Glaubst du wirklich, so den Finder des Koffers ausfindig zu machen
und etwas über die Hintergründe zu erfahren?, fragte sie sich. Als könnte Tobi
etwas so Komplexes durchschauen. Na ja, andererseits – wer alles über König
Ludwig weiß …
Einer der Chiemseefischer mit einer Lizenz war Konstantin Wenz. Ihn
gab es in Alt und Jung. Althea wusste wirklich nicht, wer von den beiden ihr
unangenehmer war.
»Chiemsee-Sushi, was ist das denn?«, fragte er gedehnt, nachdem
Althea ihm erklärt hatte, was sie vorhatte. Dabei brachte er es fertig, ihren
Einfall so klingen zu lassen, als handelte es sich um etwas Ekelhaftes.
»Kein roher Fisch, sondern kleine Stückchen gebeizte oder
geräucherte Lachsforelle, in Mangoldblätter gewickelt, mit Meerrettich und dazu
Kartoffelreis. Bayerisches Sushi eben.« Sie dachte, so könnte es klappen.
»Warum sollte das Kloster die Fische irgendwo einkaufen, wir haben gute, geschmackvolle heimische Fische.«
Wahrscheinlich erzählte sie gerade ganz fürchterlichen Bockmist.
Althea wusste nicht, ob Lachsforellen im Chiemsee überhaupt gefischt wurden.
Das zählte aber im Augenblick nicht. Sie hoffte, dass Schwester Jadwiga die
kleine Unstimmigkeit nicht noch nachträglich auffiel, denn für die Küche und
den Einkauf war Althea eigentlich nicht zuständig. Nur für die Organisation und
ein paar Ideen. Aber wenn das keine war … Sie schenkte Konstantin Wenz ein
munteres Lächeln.
»Und dazu gute, geschmackvolle heimische Fischer«, gab der lachend
zurück.
Ja, ja, du eingebildeter Tropf. Althea hatte keine Zeit für das
Geplänkel. »Waren das eigentlich Sie, der die Knochen gefunden hat?«, fragte
sie interessiert.
Interesse war immer gut für eine Heldengeschichte. »Es war ganz
entsetzlich, und ich dachte mir gleich, dass mit dem Koffer etwas nicht
stimmt.« Etwas in der Art hätte er sagen können, aber Konstantin Wenz sagte
einfach: »Die Knochen waren gut verpackt, den Fischen tut das nichts.«
Du meine Güte, der hatte wirklich einen abgründigen Humor.
Sie würde den Fisch bestellen. Lachsforelle. Dann könnte sie beim
nächsten Fischer Renke ordern und beim übernächsten Aal und beim
überübernächsten immerhin noch
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