Tod am Chiemsee (German Edition)
schlichen sich die Treppen hinauf in Stefans Zimmer, wo er
seinen Koffer abstellte und hinter vorgehaltener Hand gähnte.
Althea deutete auf den Koffer. »Wir brauchen deinen Computer.«
»Wir brauchen meinen Laptop«, berichtigte Stefan. »Deine
Küchenverführung hat also nur einen Zweck: Du willst unbedingt sehen, was auf
dieser Speicherkarte ist. Tante Marian, was war los?«
Er unterbrach sich. »Hör zu. Wir essen zuerst, dann gebe ich das
geliehene Beweismaterial zurück, anschließend erzählst du mir, was ich verpasst
habe, und danach schauen wir, was wir auf der Karte sehen können.«
»Oh, es wird einiges zu sehen geben«, sagte Althea zuversichtlich
und öffnete die mitgebrachten Flaschen. »Du hast tatsächlich Theresas Kette
wieder dabei? Und was hast du sonst noch?« Einen winzigen Augenblick kam ihr
Kaths Bemerkung in den Sinn.
»Ich sollte nicht unzufrieden sein und bin es doch«, bekannte Stefan
und berichtete von Professor von Brauns Ergebnissen Gerlinde Dissler betreffend,
von den Bluttests, die noch keinen Mörder fassbar machten, und von einem
Beweis, der nicht aufzufinden war. Hier stockte er, und Althea wusste, dass es
sie betraf.
»Ich muss noch mal nach München, und zwar bald«, sagte er, und einen
Moment lang war seine Miene finster.
Stefan setzte sich aufs Bett und nahm aus dem Korb eine dicke
Scheibe Brot, die er mit zwei Schinkenscheiben belegte und Althea reichte,
bevor er die Prozedur mit der nächsten Brotscheibe und weiterem Schinken
wiederholte.
Althea ließ sich neben ihm nieder, und sie prosteten sich zu, die
Flaschen klangen gegeneinander. »Ich bekenne mich schuldig«, begann sie jetzt
etwas zögerlich. »Beweismittelvernichtung – und ich fürchte, das wird mir noch
entsetzlich leidtun. Spätestens dann, wenn Friederike Villbrock etwas in den
Schoß fällt, was sie gegen mich verwenden kann.«
»Das ist womöglich längst geschehen. Und wenn es stimmt, dann wird
sie dafür bezahlen.«
Mehr erfuhr Althea von Stefan in dieser Nacht nicht darüber. Ihn
beschäftigte etwas, und er war damit noch nicht zu Ende. Also würde sie warten.
Stattdessen fragte sie ihn, wer ihn über den See zum Kloster
gebracht habe, und staunte nicht schlecht, als er sagte: »Benedikt Lanz. Er
schuldete mir einige Antworten. Und ich musste nicht rudern. Ich hab es zwar
nicht geschafft, mir die Antworten zu holen, aber dafür ist mir etwas anderes
gelungen. Ich konnte einfließen lassen, es gebe einen Zeugen, der damals etwas
gesehen hat. Alles sehr vage. Dazu ein Beweisstück, die Kette mit dem Medaillon
von Theresa Biedermann. Auf Katharina Venzl dürfte niemand kommen, oder
vielleicht jeder, der die alte Kath kennt.«
»Auf Katharina Venzl und Tobias Tümmler«, sagte Althea. Hatte jemand
Tobi auf der Rechnung?, fragte sie sich, und es war ihr gar nicht wohl bei dem
Gedanken.
»Und wofür soll ich dich jetzt festnehmen?«, fragte Stefan.
Sie erzählte ihm, wie Maximilian vor zwei Nächten eine Leiter unter
ihr Fenster gestellt hatte, wie sie dann gemeinsam, bewaffnet mit Spaten und
Rechen, beinahe einen Grabschänder auf dem Friedhof gestellt hatten, und dabei
auf die Fotos und die Speicherkarte gestoßen waren.
»Ein Mitverschwörer? Ich fass es nicht. Der Junge ist doch höchstens …«
»Maximilian ist zehn«, informierte Althea ihn. »Wir haben in der
Nacht seinen Geburtstag gefeiert. Und nebenbei die Beweise verbrannt.«
»Himmel noch mal. Was weiß er? Und wird er es erzählen?«
»Mach ihm ja keine Angst, er hat nichts getan. Das war ich und ich
ganz allein. Ich hätte ihn sehen lassen können, wie seine Oma einer früheren
Mitschülerin an den Busen grapscht, aber ich hab mich zurückgehalten. Bloß
Franz Josef hab ich ihm gezeigt, der ist schließlich ein Teil der bayerischen
Geschichte.«
»Und wer ist dieser Franz Josef?«, fragte Stefan.
»Also wirklich! Franz Josef Strauß, natürlich. Ehemaliger
Bundesfinanzminister, ehemaliger CSU -Vorsitzender,
ehemaliger bayerischer Ministerpräsident, ehemaliger Amigo und so weiter …« Sie
nahm sich eine der kleinen Gartengurken und biss hinein.
»Tante Marian, das ist mir zu hoch.« Stefan zog den Reißverschluss
des Koffers auf, Althea fischte aus einer Tasche ihres Gewandes ein schwarzes
viereckiges Plastikteil. Bis Stefan den Laptop hochgefahren und seinen
Internetzugang eingestellt hatte, vergingen einige lange Minuten.
»Was oder wer war sonst noch auf den Bildern, außer einem ehemaligen
bayerischen
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