Tod am Chiemsee (German Edition)
Ministerpräsidenten?«, wollte Stefan wissen.
»Die halbe Insel. Internatsschülerinnen, Nonnen, Novizinnen –
hundert Leute mit einem Motiv, Gerlinde Dissler zu töten«, sagte Althea.
»Warum ausgerechnet Franz Josef? Und woher hatte sie den überhaupt?«
Er sah sie jetzt ehrlich interessiert an.
»Sagen wir, er war ein Klient der alten Kath«, gab Althea Auskunft.
»Das glaub ich jetzt nicht«, sagte Stefan lachend und wählte das
Icon, das die Speicherkarte öffnete.
Es war das letzte Mal in dieser Nacht, dass einem von ihnen nach
Lachen zumute war.
Althea und Stefan klickten sich durch das Bildmaterial. Es gab
viel zu sehen. Im Laufe der Zeit hatte Gerlinde Dissler ihr Talent optimiert.
Womöglich war nur die Hälfte dessen, was sie hier sahen, unbearbeitet, aber
schon diese Hälfte hatte es in sich.
Gerlinde war eine gute Fotografin gewesen und eine Teufelin in
Menschengestalt. Die Frau musste beinahe ständig irgendwo auf der Lauer gelegen
haben. Althea presste die Lippen zusammen.
»Sie hat sich ihr Geld wahrlich im Schweiße ihres Angesichts
verdient. Das da müssen ihre letzten Bilder gewesen sein. Kein Wunder, dass
jemand in ihrem Haus danach gesucht hat.« Stefan brauchte nicht auf den
Ausschnitt zu zeigen, Althea wusste längst, worum es sich handelte.
Und die alte Kath hatte es auch gewusst. Papier,
so wertvoll, dass einer deswegen nicht mehr ruhig schlafen kann. Es
handelte sich nicht wirklich um Papier, sondern um robusteres Material. Darauf
stand zu lesen, wohin die Reise ging. Bremen – New York.
Nur, dass diese letzte Reise am Grund des Chiemsees geendet hatte.
Das Pergament befand sich in einem großen Übersee-Schrankkoffer, es war der
Koffer, den ein Fischer nach dem Sturm im Chiemsee entdeckt hatte.
»Ich glaube, ich weiß, wer dieser Fischer ist, der den Koffer so
sang- und klanglos abgestellt hat, und ich denke, ich weiß auch, wer der Kerl
in der Nacht auf dem Friedhof war.« Althea war der Geruch schon vorher
aufgefallen. In der Chiemseewerft. Und nach dem aufdringlichen Eau de Cologne
gerochen hatte Lukas Lanz. Vielleicht war es Eitelkeit, und vermutlich auch
jede Menge Dummheit. Womöglich hatte Lukas ja vor seinem Ausflug auf den
Friedhof noch eine Verabredung gehabt. Oder danach.
Demnach gab es eine Verbindung zu Gerlinde Dissler, und wenn das verbindende
Glied Erpressung gewesen war, dann hatten sie damit vielleicht ihren Mörder.
»Oh, da fällt mir ein, ich bräuchte bitte noch eine kleine
Information – nämlich, ob im Augenblick eine Kunstausstellung oder Ähnliches in
São Paulo zu sehen ist.« Althea hatte die Daumen zwischen Mittelfinger und
Zeigefinger gedrückt, als wollte sie jemandem Glück wünschen.
Stefan warf einen Blick auf die Uhr. »Um Mitternacht im Garten der
Kunst. Das kann dein Neffe beantworten. Gerade findet in São Paulo die
Kunstbiennale statt, und dort wird momentan brasilianische wie internationale
Kunst gezeigt. Käuferin bist du keine, was dann, Schwester Althea?«
»Lass uns kurz reinschauen, ja?«, bat sie. »Ich möchte einen Freund
als Mörder von Gerlinde Dissler ausschließen können.«
Stefan verzog den Mund, sagte aber nichts, sondern gab in die
Suchmaschine den entsprechenden Begriff ein.
Einer der deutschen Künstler, dessen Bilder gezeigt wurden, war
Gregor Tümmler, sein Name stand in der Liste der Aussteller.
Althea atmete erleichtert aus. Gregor stellte Bilder aus, keine
Plastiken oder Ähnliches, darum hatte sich im Schuppen auch alles an Ort und
Stelle befunden.
Die Bilder nannten sich Seascapes, Seestimmungen,
und jetzt wusste Althea auch, was Tobi als Inspiration gedient hatte, als er
die Einladung zum Sommernachtsfest zeichnete. Trotzdem war da etwas, das Gregor
verheimlichte.
»Du hast Gregor Tümmler verdächtigt. War sein Motiv denn
augenfälliger als das von anderen Inselbewohnern?«, wollte Stefan wissen.
»Ja«, sagte Althea schlicht.
»Und jetzt?«
»Jetzt könnte alles gut werden«, sagte Althea. »Wenigstens halbwegs,
denn der Mörder von Theresa, Moritz und Gerlinde Dissler befindet sich in
Sichtweite.«
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Beifuß (Artemisia vulgaris)
Standort: Beifuß bevorzugt sonnige, warme und trockene Standorte an Wegrändern, an
Bahndämmen, auf Wiesen und Halden. Er kommt in ganz Europa wild vor und stellt
an die Bodenbeschaffenheit keine besonderen Ansprüche.
Wissenswertes: Beifuß ist eine einheimische Wildpflanze. Er galt in Europa lange als wirksame
Pflanze für und gegen Hexen. Beifuß schützt
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