Tod am Kanal
Jäger
ein. »Weshalb schicken Sie Ihren Sohn aufs Eidergymnasium, wenn es zwei gute
Schulen am Ort gibt?«
Harms lachte herzhaft. »Das ist doch ganz einfach. In
Friedrichstadt schleppen sie solche Kadetten bis zum Abitur durch, die es
woanders nicht schaffen würden. Mein Jan ist auch kein neuer Einstein. Trotzdem
wär es schön, wenn er so ‘n Reifezettel in der Hand hätte. Und warum soll er es
nicht auf dem Eidergymnasium versuchen? In manch anderen Bundesländern
schleifen die jede Flachpfeife durch. Und wenn hier bei uns die Maßstäbe
strenger sind, muss man eben nach Lücken suchen.«
»Und in Friedrichstadt haben Sie eine gefunden?«,
fragte Christoph.
»Tscha, das bestreit ich nicht.« Harms hob erneut sein
Glas und prostete den Beamten zu. »Sehn Sie, ich habe kein Abitur. Warum auch?
Opa hat irgendwann seine Landschlachterei durch Tüchtigkeit ausgebaut und
Filialen aufgemacht. Als er das an mein’ Vadder abgegeben hat, war’n es über
zwanzig Lebensmittelmärkte, von Niebüll bis runter nach Pinnbarg. Mein alter
Herr hat das mit Fleiß und Geschick vermehrt und mir ‘ne richtige
Supermarktkette vermacht.«
Christoph fiel es plötzlich ein. »Sie meinen die
Harms-Verbrauchermärkte?«
Der Mann lachte wie ein Lausbub. »Genau die. Und dann
kamen die ganz Großen und haben gesagt: ›Willst du das verkloppen? Oder wir
bau’n neben jeden von deine Märkte ein’ Discounter.‹«
»Und dann haben Sie verkauft?«
Harms zog mit dem linken Zeigefinger das untere
Augenlid herunter. »Siehste. So plietsch war ich auch ohne Abitur. Und nun
reicht es, um stressfrei im schönen St. Peter den Tag zu genießen.«
»Und Jans Mutter?«
Wieder lachte Harms und hielt sich mit beiden Händen
den Bauch. »Die hatte auch kein Abitur. Der fehlte aber unsere Dithmarscher
Bauernschläue. Die ist vor Jahren ab durch die Mitte. Mit irgend so ein’
Gigolo. Und seitdem genießen der alte Wilken F. Harms und Sohn Jan die Ruhe.
Nicht wahr, Junior?«
Der bestätigte mit einem knappen Nicken die Worte
seines Vaters.
Ȇbrigens bin ich nicht der einzige Vater, der die
Nische Eidergymnasium für sein Kind entdeckt hat.« Harms zeigte mit dem Daumen
über die Schulter. »Eine Straße weiter wohnt so eine Schickse. Die hat ihr Geld
mit Klamotten gemacht. Eine alleinerziehende Mutter. Deren Sohn geht auch nach
Friedrichstadt. Ein fürchterlicher Bengel.« Harms sah seinen Sohn an. »Ich hab
Jan oft gesagt, er soll diesen Umgang meiden. Aber ich red da glatt gegen den Wind.
Das sind Neureichs, die haben nicht richtig für ihr Geld ran müssen.« Er zeigte
seine beiden Hände wie beim Morgenappell in der Armee. »Unsere Familie hat hart
dafür arbeiten müssen. Alles ehrlich verdient.«
»Haben Sie oder Jan Auseinandersetzungen mit Frau
Wiechers gehabt? Schließlich galt die als streng. Wir haben gehört, dass ihre
Benotungen gefürchtet waren.«
Harms winkte ab. »Ach was. Natürlich muss man sich
zusammenreißen. Ganz geschenkt bekommt man nichts. Aber der Schulleiter ist ein
verständiger Typ. Der fürchtet doch auch um sein Gymnasium. Wie steht man da,
wenn man in der ganzen Umgebung als Boss einer Trümmeranstalt verschrien ist?
Der ist doch gezwungen, möglichst viele von seine wenigen Schüler, die er noch
hat, durchzubringen. Sonst machen die ihm den Laden ganz dicht.«
Der Mann legte eine Pause ein. Er griff zu einer
Pfeife, die neben der Zeitung lag, setzte sie in Brand und schmauchte
genussvoll.
»Ein Vorteil hat diese Bretterbude in Friedrichstadt.«
»Und? Der wäre?«
»Es gibt wohl kaum ein zweites Gymnasium, das so gut
ausgestattet ist. Abgesehen vielleicht von denen hier bei uns in St.
Peter-Ording, die aber ein gewissen exklusiven Charakter haben. Jedenfalls gibt
es viele dankbare Eltern, die über den Schulverein etwas springen lassen, damit
van Oy Dinge anschaffen kann, über die seine Kollegen in Husum staunen.« Er
zwinkerte vertraulich. »Was meinen Sie, warum Fiete im Elternrat den Vorsitz
führt?«
»Wer ist Fiete?«, fragte Christoph.
»Dumme Frage. Wilken F. Harms. Das bin ich. Das ›F‹ steht
für Fiete.«
»Heißt das, Sie bestechen den Schulleiter?«, fragte
Große Jäger.
Harms zog an seiner Pfeife, dann musterte er den
Oberkommissar aus zusammengekniffenen Augen.
»Das ist doch keine Bestechung, guter Mann, wenn sich
Eltern für das Gemeinwohl engagieren und auf privater Basis die Schule fördern.
Wollen Sie es uns zum Vorwurf machen, dass wir aus St. Peter und Eiderstedt
Weitere Kostenlose Bücher