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Tod am Kanal

Tod am Kanal

Titel: Tod am Kanal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Nygaard
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nicht den
Hauch einer Gemütsregung erkennen, während Nicolaus bemüht war, einen
gelangweilten Eindruck zu vermitteln. Im Unterschied dazu zeigte sich auf dem
Antlitz Simon Feichtshofers ein betroffener Ausdruck. Der Mann machte überhaupt
keine Anstalten, seine Besorgnis zu verbergen.
    »Kannten Sie Frau Wiechers?«, setzte Christoph deshalb
nach und sah den Fitnesstrainer an.
    Der nickte schwach und wollte antworten, aber Isabelle
von der Hardt kam ihm zuvor. »Nico hat seinen Führerschein erst seit Kurzem.
Vorher hat Simon ihn häufig zur Schule gefahren. Ich nehme an, dabei hat er
auch einige Lehrer kennengelernt. Stimmt das, Simon?«
    »Jaaa«, stammelte der Mann. Ihm war anzusehen, wie
dankbar er war, dass ihm Frau von der Hardt die Antwort abgenommen hatte.
    »Und Sie? Sind Sie Ina Wiechers auch begegnet?«
    »Flüchtig. Ich hatte keinen positiven Eindruck von
ihr.«
    »Können Sie das näher erläutern?«
    »Sie hatte eine merkwürdige Vorstellung davon, wie die
Erziehung junger Menschen aussehen sollte. Eine überholte Denkweise von
Strenge. Sie hat beispielsweise den Handygebrauch geahndet und die Geräte
konfisziert. Die Apparate mussten von den Eltern ausgelöst werden.«
    »Das galt aber sicher nur für Mobiltelefone, die
während des Unterrichts benutzt wurden.«
    »Mag sein«, sagte die Frau. »Als Lehrerin passte Frau
Wiechers nicht an diese Schule. Sie hat unnachgiebig zensiert und die These
vertreten, eine Schule sei kein Debattierklub und Erziehung habe nichts mit
Demokratie zu tun. Die Schüler hätten sich streng an die Regeln zu halten. Ja,
was glaubte diese Frau denn, in welcher Zeit wir leben?«
    »Vielleicht ist diese Einstellung in manchen Fällen
angebracht.«
    Ein durchdringender Blick traf Christoph. »Ich
vermute, Sie haben auch keine Kinder. Wie diese Wiechers. Solchen
Menschen fehlt die persönliche Erfahrung.«
    Christoph sah Große Jäger an, um dessen Mundwinkel
sich ein spöttischer Zug gebildet hatte. Er las förmlich die Gedanken hinter
der Stirn des Oberkommissars und war froh, dass Große Jäger sich diesmal mit
seinem Kommentar zurückhielt. Auch Christoph hatte seine Zweifel, ob Isabelle
von der Hardt das Idealbild einer Mutter verkörperte.
    »Sie war eine Pädagogin ohne jedes
Einfühlungsvermögen, nur auf Konfrontation und Zerstörung ausgerichtet.«
    »Null Toleranz«, warf Simon Feichtshofer ein. Die Frau
strafte ihn mit einem kurzen »Tsss« für diese Einmischung ab.
    »Wenn es nach Ina Wiechers gegangen wäre, hätte sie die
Zukunft meines Sohnes zerstört, bevor sie überhaupt begonnen hat. Nico ist ein
Kind aus einem gesellschaftlich anerkannten Haus. Er muss Abitur machen,
sonst sind ihm alle Möglichkeiten für das weitere Leben verbaut. Und gerade das
suchte diese Person zu verhindern. Ich frage mich, ob das nicht purer
Sozialneid einer kleinen Beamtin war.«
    »Vorsicht!« Jetzt war Große Jäger nicht mehr zu
bremsen. »Vergessen Sie nicht, dass wir auch Beamte sind.«
    Sie lächelte den Oberkommissar an, als hätte er ihr
gerade eine Liebeserklärung unterbreitet. »Sehen Sie. Das meine ich. Es fehlt
vielen Menschen das Gefühl dafür, dass man es mit Leistung und Ideen zu mehr
bringen kann als der Durchschnitt. Sie glauben nicht, wie viele mir meinen
Erfolg missgönnen. Wachsen meine Geschäfte aus dem Erdboden? Oder stecken da
Arbeit und Risikobereitschaft hinter?«
    »Ich vermute, dass es einen Herrn von der Hardt gibt
oder gab. Vielleicht hat der auch sein Scherflein dazu beigetragen«, sagte
Christoph.
    »Es gab einen Herrn von der Hardt. Das war mein
Vater.« Sie gurrte wie eine Taube. »Mit Nicos Erzeuger war ich nicht
verheiratet. Er war dreißig Jahre älter als ich und stammte aus bestem Hause.
Bei Nicos Geburt war er bereits fünfundsechzig und hatte leider nicht mehr
viele Möglichkeiten, seine Erfahrungen an seinen Sohn weiterzugeben.«
    »Das heißt, Nicos Vater ist tot.«
    »Ja. Schon lange. Und wenn Sie jetzt nach dem Namen
fragen sollten, werde ich es Ihnen nicht sagen.«
    »Wenn Sie stets die gute Herkunft betonen,
interessiert mich aber doch, von wem Nico die kleinen charakterlichen Mängel
hat, die bei uns aktenkundig geworden sind«, lästerte Große Jäger.
    »Das sind unbedeutende Nichtigkeiten, die der
Entdeckungsfreude junger Menschen zuzuschreiben sind«, erklärte Isabelle von
der Hardt. Dann richtete sie sich auf. »Das war’s, meine Herren. Ich muss mich
nun wieder wichtigen Dingen zuwenden. Ich denke, ich habe Ihnen lange

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