Tod am Kanal
stand auf und kam kurz darauf mit einem
Schlüsselbund zurück, das er aus einem anderen Raum geholt hatte. Er hielt
einen einzelnen Schlüssel in die Höhe. »Dieser müsste es sein. Warum fragen
Sie?«
»Weil mit dem Kanu, das mit einem Schloss gesichert
war, zu dem dieser Schlüssel passt, die Leiche auf dem Wasser bis vor Ihre
Haustür gebracht wurde.«
Renate Hauffe fuhr mit der Hand zum Mund. »O Gott.«
»Sie wollen doch nicht behaupten, dass ich etwas damit
zu tun habe?«, fragte Hauffe erregt.
»Wir müssen alle denkbaren Spuren verfolgen, nicht
zuletzt auch deshalb, um Unschuldige zu entlasten.«
»Das verstehe ich.«
»Haben Sie jemandem Ihr Schlüsselbund geliehen?«
»Nein. Mit Sicherheit nicht. Aber es gibt noch einen
zweiten Schlüssel. Der hängt im Büro der Sekretärin.«
Dann bestätigte er, was sie schon von anderen gehört
hatten. Ina Wiechers galt als strenge Lehrerin.
»Deshalb war sie alles andere als beliebt.«
»Das galt nicht nur für das Verhältnis zu den
Schülern? Wir wissen, dass der Fortbestand des Eidergymnasiums nicht gesichert
ist. Es gibt auch Mitglieder des Lehrerkollegiums, die mit der kritischen Meinung
von Frau Wiechers nicht einverstanden waren.«
Hauffe überlegte lange, bevor er antwortete. »Mag
sein. Besonders van Oy hatte damit Probleme. Schließlich hätte er keinen
anderen Schulleiterposten in der Nähe bekommen. Entweder hätte er wieder zurück
ins Glied gemusst und sich vor eine Klasse stellen müssen, oder er hätte eine
neue Leitungsfunktion in einer anderen Gegend annehmen müssen. Dabei ist seine
Frau in Heide tätig.«
»Wissen Sie etwas über Ina Wiechers’ Privatleben?
Hatte sie wechselnde Männerbekanntschaften?«
Hauffe schüttelte den Kopf. »Wir haben als Kollegen
gut zusammengearbeitet. Aber über Inas Privatleben kann ich nichts sagen. Sie
war eine attraktive Frau. Da gab es sicher Männer, die sich für sie
interessiert haben.«
»Waren Sie einer?«
»Ich?« Der Lehrer sah erstaunt auf. »Wie kommen Sie
darauf?«
»Zeugen haben gesehen, dass Sie Frau Wiechers öfter in
Garding besucht haben.«
»Das würde ich auch gern wissen«, mischte sich Renate
Hauffe ein und verunsicherte ihren Mann offenbar mit dieser Frage.
»Ich mag es nicht glauben, dass ich beschnüffelt
werde. Von wem? Was interessiert es Sie überhaupt?«
»Wir müssen wissen, welche Beziehungen die Tote hatte,
gleich ob privater Natur oder beruflicher Art.«
Hauffe warf erregt die Hände in die Luft, um sie dann
vor das Gesicht zu halten.
»Das ist nicht zu fassen. Da wird man in der eigenen
Familie bespitzelt und verraten.« Er holte hörbar Luft. »Maaiike!«, schrie er
plötzlich, sodass die Beamten erschrocken zusammenfuhren. Weil seine Tochter
nicht schnell genug erschien, wiederholte er die Aufforderung.
Es dauerte eine Weile, bis die Sechzehnjährige
erschien.
»Warum dauert das so lange?«, brüllte er das Mädchen
an. »Hast du das Gerücht in Umlauf gebracht, dass ich etwas mit der Wiechers
hätte? Was fällt dir ein!«
Maike sah irritiert ihren Vater an, dann ihre Mutter.
Sie wurde abwechselnd rot und blass.
»Langsam, Herr Hauffe. Niemand hat gesagt, dass diese
Aussage von Ihrer Tochter kommt«, mischte sich Christoph ein.
»Natürlich würden Sie das nicht zugeben. Sie wollen
sie schützen. Vor wem denn? Vor dem eigenen Vater? Mensch, was habe ich bloß
getan, dass ich mit einem solchen Gör bestraft werde.«
»Du regst dich immer auf. Ich verstehe nicht, weshalb
du – gerade du als Lehrer – solche Probleme mit Maike hast«, sagte Renate
Hauffe mit leiser Stimme.
»Nimm du sie auch noch in Schutz. Durch dein gegen
mich intrigierendes Verhalten unterstützt du sie auch noch. Die ist doch von
diesem Typen, diesem Nico, infiziert.«
Das Mädchen hatte sich gefangen. »Der ist okay. Nicht
so arschig wie du und die anderen Spießer. Ich habt doch alle keine Ahnung, was
wirklich läuft.«
»Aber so ein Nichtsnutz wie du versteht, worauf es im
Leben ankommt. Keinen Finger rühren und darauf warten, dass einem die
gebratenen Tauben in den Mund fliegen.«
Maike streckte sich. »Pah! Das sagst du. Du hast ja
keine Ahnung, wie die anderen über mich herziehen, weil mein Alter so ‘n
Scheiß-Lehrer ist. Da haben andere bessere Eltern. Nico und Jan zum Beispiel.
Die Alten machen was her.«
»Und Rebecca zu Rantzau«, ergänzte Christoph.
Maike musterte ihn. »Die blöde arrogante Ziege. Die
glaubt, dass sie was Besseres ist. Nico und Jan sind echte
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