Tod am Kanal
Große Jäger eine Zigarette anzündete und gierig den Rauch einzog.
Christoph schüttelte den Kopf. »Ein Mensch mit deiner
Intelligenz sollte wissen, wie ungesund das ist. Hast du dir jemals Gedanken
über die Folgen gemacht? Herzinfarkt? Schlaganfall? Lungenkrebs?«
»Ich will das nicht in Abrede stellen. Aber manchmal
ist es schon ungesund, einen Vater wie diesen Hauffe zu haben. Dabei bin ich
mir nicht sicher, ob es Nico mit seiner Mutter und deren Lover oder Jan mit dem
anscheinend so softig wirkenden Vater besser haben.« Der Oberkommissar zeigte
ein breites Grinsen. »Ich hab’s. Wir verkuppeln Isabelle von der Hardt mit
Wilken Fiete Harms. Dann haben beide Jungs wieder richtige Eltern. Nun ja –
fast.«
»Das ist das Geniale an dir«, lachte Christoph. »Wenn
alle Menschen deine Beiträge zur allgemeinen Lebenshilfe befolgen würden, wären
wir Polizisten arbeitslos.«
»Das wäre auch nicht gut. Dann lass uns lieber
weiterhin die Spitzbuben dingfest machen.« Große Jäger schnippte die
Zigarettenkippe fort und hielt die gefalteten Hände gen Himmel. »Lieber Gott,
segne uns weiter mit möglichst vielen Ganoven in Nordfriesland. Sonst hat mein Christoph nichts mehr zu tun, und Anna verdonnert ihn womöglich dazu, die
Wohnung zu putzen.« Der Oberkommissar versuchte, eine möglichst unschuldige
Grimasse zu schneiden. »Und ich – ich würde mich langweilen und womöglich nicht
nur rauchen, sondern auch trinken.«
»Nun steig schon ein und lass die Zigarette aus«,
forderte Christoph Große Jäger auf, als er sah, dass sein Kollege im Begriff
war, sich die nächste anzuzünden.
»Wenn ich überlege, was heute für Pädagogen auf die
Kinder losgelassen werden, dann komme ich zu dem Schluss, dass es bei manchen
nur zum Lehrer in der Baumschule reicht«, überlegte Große Jäger laut.
»Das darfst du nicht verallgemeinern. Es gibt sicher
genauso miserable Vertreter in jeder anderen Berufssparte. Außerdem kennst du doch
die alte Volksweisheit: ›Lehrers Kinder, Pastors Vieh geraten selten oder
nie.‹« Dann wählte Christoph Klaus Jürgensen an und stellte den Lautsprecher
auf Mithören.
»Während wir arbeiten, macht ihr Spaziergänge am
Deich«, sagte der Leiter der Kriminaltechnik. »Und dann müssen wir auch noch in
das Brackwasser am Bootsanleger tauchen.«
»Die Menschen kommen von weit her, um das gesunde
Klima Nordfrieslands zu genießen, und zahlen sogar noch viel Geld für die
Schlammpackungen. Nun reg dich nicht auf, wenn ihr die Kuranwendungen während
der Arbeitszeit bekommt.«
»Christoph? Sammelt ihr schon?«, fragte Jürgensen
durchs Telefon. »Ich beteilige mich mit einer größeren Summe am Porto, wenn ihr
den Westfalen in seine Heimat zurückschickt. Nun aber im Ernst. Wir haben nahe
dem Bootssteg die Kette und das Schloss gefunden, mit dem das Kanu festgemacht
war. Das Schloss wurde nicht gewaltsam aufgebrochen, sondern mit dem
dazugehörigen Schlüssel geöffnet.«
»Woran erkennt man das, wenn es einen Tag im Wasser
gelegen hat?«
»Das ist eine dumme Frage. Der Schlüssel steckte noch.
Das ist aber nicht alles. Wir haben auch das mutmaßliche Tatwerkzeug gefunden.
Ein Draht, etwa siebzig Zentimeter lang. Die Enden waren um zwei Holzstücke
gebunden und verknotet. Dadurch entstand eine Schlinge, die der Täter um den
Hals des Opfers werfen konnte. Dann musste er nur noch an den beiden Knebeln
ziehen. Ich stelle mir vor, dass er Ina Wiechers den Draht über den Kopf
geworfen und dann im Nacken über Kreuz zugezogen hat.«
»Das würde heißen, der Mörder hat das Tatwerkzeug
vorher präpariert und der Frau dann aufgelauert.«
»So sehe ich es.«
»Damit hätten wir die Bestätigung, dass die Tat
geplant und vorbereitet war. Es handelt sich folglich um einen heimtückischen
Mord. Könnt ihr schon sagen, ob der Draht vom Zaun an der Schule stammt oder
aus St. Peter-Ording?«
»Nun aber langsam. Wir sind Techniker und keine
Hellseher. Das müssen wir im Labor analysieren. Zuerst aber müssen wir dem
Beispiel der Nordsee folgen.«
»Was heißt das?«
»Wir ziehen uns von hier zurück. Wie die See bei
Ebbe.«
»Die kommt aber zweimal täglich wieder.«
»Ich habe den Eindruck, wir sind nicht weniger oft bei
euch«, brummte Jürgensen.
»Bist du krank, Klaus? Ich mache mir ernsthafte Sorgen
um deine Gesundheit«, mischte sich Große Jäger ein.
»Wieso?«
»Du hast während dieses Telefonats noch gar nicht
geniest.«
»Nehmt dem Little Hunter doch endlich den
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