Tod am Kanal
nicht auszuschließen. Dagegen
spricht aber, wie die Tat ausgeführt wurde. Wenn nur ein lästiger Zeuge
beseitigt werden soll, betreibt der Täter nicht einen solchen Aufwand, indem er
den Libanesen zur Brücke schleppt und festbindet. Der Junge muss grauenvolle
Stunden verbracht haben, weil ihm bewusst war, was ihm droht, wenn der erste
Zug kommt. Ich mag mir diese Situation nicht vorstellen. Die Handlungsweise des
Täters ist fern jeder Menschlichkeit. Selbst wenn man einen abgrundtiefen Hass
gegen einen anderen hegt, denkt man sich nicht ein solches Vorgehen aus. Das
war die grausamste Hinrichtung, von der ich je gehört habe. Man muss Zweifel
haben, ob hier ein geistig gesunder Mensch gehandelt hat.«
Große Jäger schwieg eine Weile betreten, bevor er
antwortete. »Die Spurensicherung sprach immer von Jeans. Und von Feichtshofer
haben wir gehört, dass Nico von der Hardt eine angeblich vollgespuckte und
verdreckte Jeans in den Hausmüll geworfen hat. Dieser Spur müssen wir unbedingt
folgen.«
»Stopp«, warf Christoph ein. »Die Jeans hat nicht Nico
entsorgt, sondern Feichtshofer. Der Bodybuilder hat gesagt, dass er die Hose in
den Müll geworfen hat. Logisch betrachtet entlastet das Nico, da er ein
mögliches Beweisstück nicht selbst beiseitegeschafft hat.«
»Und wenn uns die beiden mit ihrer vorgeblichen
Animosität nur etwas vorgespielt haben und gemeinsame Sache machen?«
»Auszuschließen ist grundsätzlich nichts.«
»Mensch, da gibt es so viele schöne und
verantwortungsvolle Berufe, bei denen du nicht immer nur vor einem Berg von
Fragen stehst. Stell dir vor, du bist Vorstandsprecher einer großen Bank. Da
steht kein Fragezeichen hinter der Überlegung, wie viel Geld du dir jeden Monat
einstecken darfst.«
Christoph schüttelte den Kopf. »Du und deine krausen
Gedanken. Deshalb bin ich Polizist geworden, damit ich nie in die Situation
geraten kann, dir als Verdächtiger gegenüberzustehen.«
Große Jäger nahm Kontakt zur Dienststelle auf und bat
Kriminalhauptmeister Schöller, sich darum zu bemühen, Nicos Jeans vor der
endgültigen Entsorgung durch die Müllabfuhr zu retten.
»Werner war hellauf begeistert von dieser Aufgabe«,
sagte der Oberkommissar, nachdem er das Gespräch mit Husum abgeschlossen hatte.
Bevor er weiterberichten konnte, rief Oberkommissar Dettinger von der Polizei
St. Peter-Ording an.
»Ich habe einen Zeugen gefunden, der mit seinem Hund
Gassi gegangen ist. Das war kurz vor elf. Der Mann kann sich an diese Uhrzeit
erinnern, weil er jeden Abend nach den Tagesthemen seinen Hund nach draußen
führt.«
»Armer Köter«, fuhr Große Jäger dazwischen. »Dem Vieh
platzt am Freitag und Sonntag die Blase. An diesen Tagen kommen die Tagesthemen
immer später.«
»Was meint ihr?«, fragte Dettinger dazwischen.
»Der Kommentar war nicht für die Öffentlichkeit«,
sagte Christoph.
»Die Zeugenaussage stimmt auch zeitlich mit dem
anderen Einsatz überein. Ich war um elf Uhr an der Seebrücke, als ich dorthin
gerufen wurde, und habe den hilflosen Patrick Wittenbrink gefunden. Zu der Zeit
waren die beiden Jungs schon Richtung Dorf unterwegs. Der Zeuge …«
»Der Mann mit dem Hund«, warf Große Jäger ein.
»Genau. Der hat beobachtet, wie sich einer der beiden
Jugendlichen auf der Straße übergeben hat. Ich bin zur angegebenen Stelle
gefahren. Dort sieht man immer noch die Überreste. Ich war mir nicht sicher, ob
ich eine Probe nehmen soll. Solche Entscheidungen liegen bei euch von der
Kripo.«
»Wir kümmern uns darum.«
»Außerdem waren an dem Gelage noch zwei weitere
Jugendliche beteiligt. Ich kenne auch die Namen. Ein Siebzehnjähriger und ein
sechzehnjähriges Mädchen. Die beiden sind aber nicht bis zum Schluss geblieben
und waren anscheinend auch nicht so betrunken wie die drei anderen
Beteiligten.«
»Danke, Stefan«, schloss Große Jäger und fuhr, zu
Christoph gewandt, fort: »Damit dürften Jan Harms und Nico von der Hardt als
Täter ausscheiden. Ich traue keinem von beiden zu, dass sie die Trunkenheit so
vollkommen gespielt haben, nur um sich ein Alibi zu verschaffen.« Der
Oberkommissar stöhnte theatralisch. »Das vereinfacht die Sache ungemein. Jetzt
kommen nicht mehr alle zweiundachtzig Millionen Bundesbürger als Tatverdächtige
infrage.«
Zu Recht behaupten viele Menschen, das Paradies auf
Erden hätte der liebe Gott mit ihrer Heimat geschaffen. An diesem Tag trug
Petrus aber zusätzlich sein Scherflein dazu bei, dass der Born der Lebensfreude
in
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