Tod am Kanal
zunächst
wegwirft, das Mobiltelefon aber später aus dem Sekretariat entwendet, um es
recht tollpatschig in Heide an den Schüler zu verkaufen.«
Große Jäger stimmte Christoph zu.
Sie hatten das Auto erreicht und setzten sich hinein.
Neugierig beugte sich der Oberkommissar zu Christoph hinüber und las mit.
»Erfahrungsbericht
über meinen Einsatz am Eidergymnasium Friedrichstadt
Vor drei Jahren
wurde ich von Bad Oldesloe an diese Schule versetzt. Ich bin Klassenlehrerin
der 7b und unterrichte als Fachlehrerin Mathematik und Französisch.
Im Unterschied zu
den Schulen, an denen ich bisher tätig war, habe ich den Eindruck, dass das
Kollegium am Eidergymnasium nahezu kollektiv resigniert hat. Dem Einzelnen ist
nicht abzusprechen, dass er seine Arbeit verrichtet, aber mir scheint, als
würde das Engagement über die Vermittlung der notdürftigsten Grundlagen des
Lehrplans nicht hinausgehen.
Die Ursache dafür
vermute ich in der inhomogenen Zusammensetzung der Schüler. Im Unterschied zu
Schulen in sozialen Brennpunkten fand ich an dieser Lehrstätte
überdurchschnittlich viele Kinder aus wirtschaftlich gut gestellten Familien
vor.
Es scheint sich
seit geraumer Zeit eingebürgert zu haben, dass leistungsschwächere Schüler, die
an anderen Gymnasien das Klassenziel nicht erreichen würden oder denen die
Reife nicht attestiert werden kann, mit ausgesprochenem Wohlwollen
durchgeschleppt werden. Zwar habe ich keine Bestätigung dafür, dass einzelnen
Kollegen oder gar der Schulleitung persönliche Vorteile (Bestechung)
zuteilgeworden sind, aber viele Eltern unterstützen über einen Förderverein die
Infrastruktur des Hauses in außergewöhnlich großzügiger Weise. Dadurch erhalten
auch einige andere Eltern Anreize, ihre Kinder am Eidergymnasium anzumelden.
Insgesamt genießt die Schule in der Region aber keinen guten Ruf. Das haben
Sie, sehr geehrter Herr Dr. Wöhrmann …«
»Wer ist das?«,
fragte Große Jäger.
»Ich glaube, ich
habe den Namen schon in der Zeitung gelesen. Es müsste der Schulrat sein.« Dann
lasen sie weiter.
»Das haben Sie,
Herr Dr. Wöhrmann, mir bei unserem letzten Gespräch auch vertraulich
angedeutet. Es ist allgemein bekannt, dass der Fortbestand des Eidergymnasiums
aufgrund zu geringer Anmeldezahlen zur Disposition steht. Deshalb unternimmt
Studiendirektor van Oy alles, um die Eltern der angehenden Fünftklässler von den
Vorzügen dieser Schule zu überzeugen. Ich habe den Eindruck, dass er sogar
Teile der Mittel aus dem Topf des Fördervereins an ›kooperationswillige
Grundschulen‹ verteilt. Darunter versteht er, dass die Lehrerschaft dieser
Schulen auf die Eltern einwirkt, ihre Kinder zum Eidergymnasium und nicht nach
Husum zu schicken, da sonst unweigerlich die Schließung der relativ kleinen
Schule droht. Hiergegen stemmen sich die Kolleginnen und Kollegen mit vereinten
Kräften und sehen in neuen Lehrern Eindringlinge in ihre Welt. Leider ist es
mir in den drei Jahren nicht gelungen, Kontakt zu dieser eingeschworenen Clique
– so kann man fast sagen – zu gewinnen. Man schirmt sich ab und bemüht sich mit
Mitteln, die ich nahezu schon als Mobbing bezeichnen möchte, Außenstehenden
keinen Zugang zum inneren Zirkel zu gewähren. Das Ganze wird im Wesentlichen
durch den Schulleiter getragen, der am meisten um seine Position fürchtet. Für
mich selbst sehe ich an dieser Schule keine Perspektiven und bitte um
Versetzung. Gern bin ich bereit, Ihnen weitere, auch pikante, Details in einem
persönlichen Gespräch vorzutragen, die Ihnen mit Sicherheit als
Entscheidungshilfe für die Überlegungen, das Eidergymnasium nicht fortbestehen
zu lassen, von Nutzen sein könnten.«
Die beiden Beamten
sahen sich an.
»Das ist starker
Tobak«, sagte Große Jäger. »Wer das liest, kann nachvollziehen, dass van Oy die
Weitergabe dieses Textes verhindern wollte. Der Mann verliert nicht nur seinen
Job an seinem Wohnort, sondern läuft auch noch Gefahr, dass sein Verhalten von
der Schulaufsicht näher beleuchtet wird. Möglicherweise ergeben sich daraus
Konsequenzen für die Dienstaufsicht, wenn man ihm Begünstigung im Amt
nachweisen kann.«
»Du wirst Leute wie
Isabelle von der Hardt oder Wilken Harms nicht dazu bewegen können, als Zeugen
gegen die Lehrerschaft auszusagen. Schließlich haben die vom ›System van Oy‹
profitiert.«
»Dafür aber auch
bezahlt.«
Christoph
schmunzelte. »Das sind für die Leute doch nur Peanuts. Die glauben, sich ein
Stück Papier wie das
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