Tod am Kanal
schließt das Kollegium mit ein, beschränkt sich aber
auf die dienstlichen Belange. Was der Einzelne in seiner Freizeit macht,
berührt mich nicht.«
»Sie sind mit der Gestaltung Ihrer eigenen Freizeit
hinreichend ausgelastet.«
Erneut tupfte sich van Oy die Stirn. Er wartete auf
eine Erklärung zu Christophs Vorwurf.
»Weiß Ihre Frau, dass Sie nachts unterwegs waren?«
»Ich?«
»Im Augenblick unterhalten wir uns mit Ihnen.«
»Wieso sollte ich die Nacht über nicht in meiner
Wohnung gewesen sein?«
»Das fragen wir uns auch. Wo waren Sie in der Nacht zu
Donnerstag?«
»Daheim. Allerdings allein. Mich hat niemand besucht.
Sie können meine Frau fragen. Wir haben spätabends noch miteinander
telefoniert.«
»Das war kurz vor elf Uhr.«
»Kann sein. Vielleicht auch später.«
»Vom Festnetz?«
»Ja.«
»Das ist nicht möglich, weil Sie kurz darauf Ihre
Wohnung verlassen haben. Sie waren volle vier Stunden außer Haus.«
»Das stimmt nicht«, protestierte der Schulleiter und
wurde dabei leichenblass.
»Mensch, welches Fach unterrichten Sie eigentlich?
Allgemeine Lebenskunde mit dem Spezialgebiet: ›Wie lüge ich am effektivsten‹?«
Große Jäger hatte seine Stimme erhoben, sodass seine Frage dröhnend auf van Oy
niederprasselte. Der zuckte wie unter einem Hieb zusammen.
»Das ist alles so schlimm. Die vielen unerklärlichen
Ereignisse … Zuerst der Mord an Frau Wiechers. Dann der Überfall auf Rebecca zu
Rantzau. Ich habe genug Baustellen, die mich belasten.«
»Das ist aber keine Entschuldigung dafür, uns
permanent anzulügen«, warf ihm Christoph vor. »Erklären Sie mir bitte, weshalb
Sie uns die Unwahrheit gesagt haben, als wir nach der Adresse von Ina Wiechers
fragten.«
Der Schulleiter griff zu einer Wasserflasche, die
neben dem Schreibtisch stand, füllte sich ein Glas zu einem Drittel voll und
trank. Dabei zitterte seine Hand so heftig, dass ein Teil der Flüssigkeit aus
dem Mund hinaus- und am Kinn hinablief. Er wischte es mit dem Taschentuch, das
er schon eine ganze Weile zerknüllt in der anderen Hand hielt, ab.
»Ich war so erschrocken über die Ermordung, dass ich
spontan versucht habe, meinen Besuch in Garding zu verschweigen.«
»Weil Sie befürchteten, wir würden dann intensiver
nachhaken?«
Van Oy nickte schwach.
»Gibt es einen triftigen Grund, weshalb wir das nicht
wissen sollten?«
»Nun ja … Also!« Er schluckte heftig. »Eigentlich
nicht.«
»Sie wissen, dass wir dringend Handy und Notebook des
Mordopfers suchen. Das Handy haben wir inzwischen gefunden.«
Der Schulleiter sah Christoph mit weit aufgerissenen
Augen an.
»Das erleben wir oft, dass der Laie staunt, was die
Polizei alles herausbekommt«, lästerte Große Jäger zwischendurch. »Was meinen
Sie, warum die Aufklärungsquote bei Tötungsdelikten so hoch ist?« Er klopfte
sich gegen die eigene Brust. »Bei uns in Husum liegt sie bei über einhundert
Prozent.«
Van Oy war so verstört, dass er den Widerspruch in
dieser Aussage gar nicht bemerkte.
»Die beiden Sachen hat ein Schüler gefunden.«
»Nennen Sie uns seinen Namen.«
»Patrick Wittenbrink aus St. Peter.«
Christoph und Große Jäger wechselten einen raschen
Blick. »Wissen Sie, dass Patrick mit einer Alkoholvergiftung im Tönninger
Krankenhaus liegt?«
Der Schulleiter nickte zur Bestätigung.
»Ich denke einmal laut«, warf Große Jäger ein. »Am
Komasaufen an der Seebrücke waren aus Ihrer Schule auch Nico von der Hardt und
Jan Harms beteiligt. Kann es sein, dass Nico einen ausgegeben hat auf das
Handy?«
»Ich weiß es nicht«, jammerte van Oy.
»Wo hat Patrick die beiden Dinge gefunden?«
»Nach eigener Aussage im Gestrüpp. Auf halbem Weg zu
den Kanus.«
»Warum haben Sie uns das nicht gemeldet? Sie haben
dadurch die Ermittlungsarbeiten erheblich behindert.«
»Als das Telefon weg war – da habe ich mich
fürchterlich erschrocken. Dabei kam es mir gar nicht auf das Handy an.«
»Wir wissen Bescheid. Viel wichtiger war das
Notebook.«
Der Schulleiter nickte zustimmend. »Richtig.«
»Auf dem befindet sich belastendes Material. Ina
Wiechers hat ihre Beobachtungen notiert und zu einem Bericht zusammengefasst,
den sie an die Schulaufsicht weiterleiten wollte.«
Van Oy senkte den Kopf. Er musste durch keine Geste
bestätigen, dass dieser Verdacht richtig war.
»Wo ist das Notebook?«
»Bei mir zu Hause.«
»Mit dem Bericht?«
Er schüttelte traurig den Kopf. »Den habe ich
gelöscht.«
Große Jäger lachte auf. »So was. Da
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