Tod am Laacher See
einem Schnaps beinhaltete. An den Wänden hingen alt wirkende
Schwarz-Weiß-Fotografien, auf denen athletische Männer zu sehen waren, die
allem Anschein nach an irgendwelchen fernen Stränden eine kleine
Verschnaufpause einlegten. Wärmland hielt es für möglich, dass auch
Kampfschwimmer darunter waren, die bei ihren Einsätzen private Fotos gemacht
hatten. Ergänzt wurde die Bildergalerie von Fotografien von diversen
Kriegsschiffen, auf denen die Männer vermutlich Dienst geleistet hatten. Ein
paar Zeitungsausschnitte mit Artikeln zu Konflikten außerhalb Europas, die
offenbar im Zusammenhang standen mit Aktionen der Marine, komplettierten die
Sammlung.
Aus der Küche kam ein bärtiger Mann von Mitte dreißig und fragte
Wärmland, was er für ihn tun könne.
Wärmland wies sich aus und fragte nach Eicksen, dessen Fahndungsfoto
er im Postkartenformat bei sich hatte und nun dem Wirt zeigte.
Aber wie er schon befürchtet hatte, war der Mann zu jung und hatte
die Kneipe erst vor zwei Jahren übernommen. Also vor der Zeit, in der Eicksen
hier möglicherweise Gast gewesen war. Wärmland dankte und wandte sich zur Tür,
bemerkte dann aber, dass der ältere Mann ihm ein Zeichen gab. Er hielt inne und
ging hinüber zu der Nische, in der der Alte saß.
»Hab ich das richtig verstanden: Sie sind ein Kommissar aus dem
Süden?«
Was diese Leute immer mit dem Süden haben, dachte Wärmland amüsiert.
»Wenn Sie mit mir über Geografie reden möchten, da hab ich leider
keine Zeit für«, antwortete er trocken, aber in höflichem Tonfall.
»Da Sie offenbar einen älteren Marineangehörigen suchen, wollte ich
Ihnen bloß sagen: Ich kenne jemanden, der war früher selbst dabei und kennt
sicher viele von den Ehemaligen.«
Wärmland trat näher an den Tisch des Alten.
»Und wo finde ich diesen Herrn?«, fragte er mit einer Mischung aus
Neugier und Ungeduld.
»Der wohnt hier praktisch um die Ecke. Und ist fast immer daheim, am
Hafen oder hier. Also nicht schwer zu finden.«
»Wenn ich Ihnen die Luft aus dem Glas lasse, könnten Sie sich dann
möglicherweise an seine Adresse erinnern?«, wollte Wärmland wissen.
»Die weiß ich auch ohne Ihre Zugabe. Aber ich nehme die Einladung
trotzdem gern an. Wesendonk wohnt in der Fischerkoppel 123. Zweiter Stock
links. Wenn Sie hier rausgehen, einfach links erst den Mühlenberg lang, dann
noch die Riesebyer Straße runter, bis rechts die Fischerkoppel abgeht. Ein
Backsteinhaus. Ein bisschen schmuddelig. Aber alles nette Leute da.«
Wärmland dankte dem Mann, bestellte beim Wirt das gewünschte Getränk
und verließ die Kneipe.
Es war tatsächlich leicht, das betreffende Haus zu finden. Auf einem
der Klingelschilder stand auch der richtige Name. Wärmland drückte auf den
Knopf neben »Wesendonk« und wartete. Nichts geschah. Er klingelte noch mal. Mit
dem gleichen Resultat. Der Mann schien nicht zu Hause zu sein. Wärmlands
Stimmung rutschte um bedeutende Prozentpunkte in den Keller. Jetzt war er einem
weiteren möglichen Bekannten und Zeugen schon so nah gekommen. Aber was konnte
er tun? Vielleicht zum Hafen laufen und jeden älteren Mann ansprechen, der ihm
über den Weg lief? Oder zum »Eichhörnchen« zurückkehren, in der Hoffnung, dass
der Gesuchte dort auftauchen würde? Wärmland entschied sich für den Hafen.
Er wandte sich um, um den Weg, den er gekommen war, wieder
zurückzugehen. Da bog ein Mann in die Gasse ein. Auch ein Bartträger, nur etwa
eins fünfundsiebzig groß, aber mit auffallend breiten Schultern. Wärmlands
Intuition schlug sofort an.
Er wartete, bis der Mann ihn und den Hauseingang fast erreicht
hatte, bevor er ihn ansprach. »Herr Wesendonk?«
Der Mann hielt kurz inne, bevor er den Hausschlüssel ins Schloss
steckte, um die Tür zu öffnen. »Wer will das wissen?«, war seine kurze
Rückfrage.
»Hauptkommissar Wärmland.« Wärmland zückte seine Dienstmarke.
Wesendonk nahm keine weitere Notiz davon, sondern stieß die Tür auf
und trat in den Hausflur. »Sie sind wohl nicht von hier«, meinte er dann. »Sie
haben einen anderen Akzent.«
»Ich komme aus Rheinland-Pfalz, aus der Eifel.«
»Einer aus dem Süden. Und was machen Sie so weit weg von daheim? Wir
haben hier doch unsere eigene Polizei.«
»Ich suche jemanden, der den Oberstabsbootsmann Eicksen kennt.«
Wesendonk, der Wärmland beim Eintreten ins Haus schon den Rücken
zugekehrt hatte, stockte kurz in seiner Bewegung und wandte sich dann ganz
langsam um. »Gratuliere, Sie haben jemanden
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