Tod am Laacher See
Gaumen in sein Gehirn bohrte und am Hinterkopf wieder
austrat.
Jensen war einen Augenblick völlig erstarrt. Dann ergriff er die
Flucht. Er machte einen Kopfsprung ins Wasser und kraulte wie besessen um sein
Leben. Es waren nur wenige Meter bis zum Ufer. Eine Sache von Sekunden. Als er
den Untergrund spürte, richtete er sich auf, um aus dem Wasser zu laufen. Im
selben Moment hörte er das Geräusch hinter sich und wusste, dass seine
Anstrengungen vergebens gewesen waren.
Der Harpunenpfeil drang in seine linke Körperseite ein. Seine linke
Niere wurde oben angeschnitten, die Milz unten, bevor der Pfeil vorne wieder
austrat. Jensen schaute an sich hinab und sah die Pfeilspitze aus seinem Bauch
ragen. Dann brach er zusammen. Trotz des wahnsinnigen Schmerzes behielt er das
Bewusstsein und spürte, wie ihn eine Kraft am Seil der Harpune zurück ins
tiefere Wasser zog.
Er leistete keinerlei Gegenwehr, als ihn eine Hand am Hals packte
und seinen Kopf unter Wasser drückte. Er dachte nur, dass diese unerträglichen
Schmerzen sicher bald zu Ende wären. Und er behielt recht.
***
Um kurz nach neun am Montagmorgen versammelte sich das Soko-Team
in Wärmlands Büro. Trobisch war mit drei Kollegen aus Koblenz gekommen,
Wärmland hatte aus seinem Kommissariat Oberkommissar Felix Reuter und die junge
Kommissarin Regine Nau dabei. Er fühlte sich ziemlich matt nach dieser langen
Nacht, die ihn erst am frühen Morgen noch einmal für zwei unruhige Stunden ins
Bett gelassen hatte. Trobisch hingegen wirkte auf ihn vergleichsweise
ausgeruht. Eine Beobachtung, die Wärmland beunruhigte. Natürlich machten die
zehn Jahre Altersunterschied etwas aus. Aber war das allein schon
ausschlaggebend für eine derartige Diskrepanz? So musste es wohl sein. Wärmland
würde in zwei Jahren fünfzig werden, und seine Erschöpfung konnte wohl nur ein
Indiz für die Talfahrt sein, die nun auch bei ihm eingesetzt hatte und die
unaufhörlich voranschreiten würde. Er schaute in die kleine Runde und fragte
sich, was die Kollegen davon wahrnahmen und wie sie es wohl deuteten. Ein in
Zukunft immer mehr und zu früh erschöpfter Leiter des K1 war keine gute
Position.
Wärmland und Trobisch eröffneten die Lagebesprechung, indem sie die
Ereignisse der Nacht und ihre ersten Erkenntnisse für ihre Mitarbeiter
zusammenfassten. Einen kleinen Ermittlungserfolg hatte die Befragung der
Campingplatzgäste gebracht: Einen brauchbaren Zeugen mit einer wichtigen
Beobachtung, den älteren Herrn Scherer vom Niederrhein, der eine schwarze
Gestalt im Wasser neben einem der beiden Opfer gesehen hatte.
»Das ist immerhin ein Anhaltspunkt«, sagte Wärmland. »Darauf müssen
wir aufbauen. Der schwarze Mann dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit unser Täter
sein.«
»Kann denn ein technischer Defekt im Wohnwagen ausgeschlossen
werden?«, wollte Regine Nau wissen.
»Sieht so aus. Unsere Spezialisten und die von der Feuerwehr haben
die Nacht durchgemacht«, antwortete Trobisch. »Sie sagen, dass das Feuer ganz
sicher nicht von der Gasanlage ausgegangen ist. Die Gasflasche war in Ordnung,
nicht sehr gefüllt, und auf dem Herd war auch nichts zubereitet worden. Die
Brandspuren weisen stattdessen darauf hin, dass sich das Feuer vom hinteren
Fahrzeugende nach vorne entwickelt hat.«
Wärmland nickte. »Nicht zu vergessen der Kanister mit Schlauch auf
der Wiese am hinteren Fahrzeugende. Wir müssen von vorsätzlicher Brandstiftung
ausgehen.«
»Bloß von Brandstiftung? Wer mitten in der Nacht einen Wohnwagen
ansteckt, muss doch davon ausgehen, dass darin Menschen schlafen, die dadurch
zu Tode kommen«, meinte Regine Nau.
»Und deshalb ist das jetzt für uns auch ein zweifacher Mord«,
erwiderte Wärmland. »Nichts mit fahrlässiger Tötung wegen leichtsinnigen
Hantierens mit Brandbeschleunigern. Einfach nur klassischer, brutaler Mord, für
den es keine Ausreden geben wird.«
»Leider haben wir es in diesem Fall wohl mit einem ziemlich
abgebrühten Burschen zu tun«, sagte Trobisch. »Er muss sich relativ sicher
gefühlt haben, sonst hätte er nicht diese ausgefallene Methode gewählt, um
seine Opfer umzubringen. Dabei hätte einiges schieflaufen können. Wenn ein
Zeuge beispielsweise beherzt eingegriffen und das Feuer mit einer Decke oder
einem Feuerlöscher gelöscht hätte. Dann hätte sich die ganze Sache durchaus
anders entwickeln können.«
Wärmland nickte wieder zustimmend. »Er hat taktisch klug einen
Annäherungsweg gewählt, der ihm eine möglichst dünne
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