Tod am Laacher See
gut
nachvollziehen.«
»Ich danke Ihnen. Aus meiner Sicht war es das zunächst einmal. Jetzt
sollten bald die Kollegen von der Spurensicherung kommen. Die lassen wir hier
in Ruhe ihre Arbeit machen. Bleibt nur noch ein wichtiger Punkt: Wir müssen die
Familie informieren. Wenn Ihnen Angehörige des Toten oder Freunde bekannt sind,
schreiben Sie uns doch bitte die Namen und Adressen oder Telefonnummern auf.«
Er lächelte der etwas gequält dreinblickenden Beatrice Neefges aufmunternd zu.
»Sie müssen dazu nicht hierbleiben. Kommissarin Nau geht mit Ihnen hinunter zum
Wagen. Und wir kommen eventuell später noch einmal auf Sie zurück, sollten wir
weitere Fragen haben.« Wärmland nickte Regine Nau zu. Die händigte Herrn
Claasen und Beatrice Neefges zunächst ihre Karte aus, für den Fall, dass sie
zusätzliche Informationen mitzuteilen hatten. Dann bat sie die beiden, ihr zu
folgen. Wärmland blieb allein zurück.
Langsam wanderte er durch die kleine Wohnung und grübelte. Nahm das
Töten denn kein Ende mehr? War ein Meteorit mit einem Todesvirus auf die Erde
niedergegangen? Würden sie bald alle tot oder Zombies sein? Wärmland schüttelte
den blöden Gedanken ab, der ihm in Erinnerung an einen alten Film gekommen war.
Dann schaute er sich weiter im Wohnraum um. Die Einrichtung war eher spärlich.
An einer Wand stand ein billiger schwarzer Wohnzimmerschrank mit zahlreichen
Fächern. Wärmland ging näher ran und studierte die umfangreiche Bibliothek, die
aus drei Büchern bestand: ein Fachbuch mit Lernstoff für angehende
Einzelhandelskaufleute, ein Bildband mit dem Titel »Seenland
Mecklenburg-Vorpommern« und der Karl-May-Band »Durchs wilde Kurdistan«.
Weiter oben stand ein Foto, auf dem ein kleiner Junge,
wahrscheinlich zwischen seinen Eltern, abgebildet war. Die drei standen vor
einem kleinen Segelboot, hinter dem sich eine weite Wasserfläche ausbreitete.
»Müritz 1993«, stand klein auf dem einfachen Holzrahmen. Wärmland musterte die
Menschen auf dem Foto. Es war kaum größer als eine gewöhnliche Postkarte, aber
das Lächeln der Erwachsenen war gut zu erkennen. Sie machten einen ganz und gar
entspannten Eindruck. Er vermutete, dass dies ein Bild aus den Kindertagen des
Getöteten war. Und dass diese Erwachsenen bald ihr Lächeln verlieren würden.
Wenn das Leid über sie kam, vom Tod ihres Kindes zu erfahren.
Als »schüchtern oder ängstlich« hatte Beatrice Neefges ihren
Exfreund beschrieben. Auch auf diesem Bild, auf dem er sicher nicht älter als
sechs Jahre war, wirkte Kevin Malchow unsicher und ängstlich. Vielleicht hatte
er Angst vor dem Wasser gehabt oder vor einer Ausfahrt mit dem Boot. Das würde
Wärmland nun nicht mehr ergründen können. Aber wie konnte ein junger Mann wie
er eine solche Gewalt auf sich ziehen, eine Gewalt, die sein Leben auslöschte?
Wärmland hatte nicht den Eindruck, dass Malchow in Drogengeschäfte oder
Gewalttaten verwickelt gewesen war. Er machte auf ihn überhaupt keinen
Eindruck, der im Zusammenhang mit Gewalt stand. Was war hier vorgefallen?
Wärmland wollte seiner Phantasie freien Lauf lassen. Aber dann waren die
Kollegen von der Spurensicherung da, und schließlich erreichte auch Dr. Leyendecker
von der Bonner Rechtsmedizin den Tatort, von dem er gehofft hatte, ihn sehr
lange nicht mehr neben einer Leiche sehen zu müssen. Aber zumindest nahm
Wärmlands Bild vom Wie weiter an Deutlichkeit zu.
***
Am Dienstagmorgen rief Wärmland zunächst in Bonn an. Dr.
Leyendecker berichtete ihm von den Erkenntnissen, die er zu diesem Zeitpunkt
bereits gewonnen hatte. Nach einem halben Tag standen zwar noch Ergebnisse aus,
wie etwa das umfassende toxikologische Gutachten, aber es gab andere
Ansatzpunkte, die Wärmland interessiert aufnahm. Um halb zehn versammelte er
seine Mannschaft und zwei weitere Kommissare in seinem Büro.
»Neben dem Fall ›Taucher‹ haben wir jetzt noch folgendes
Tötungsdelikt zu bearbeiten«, begann Wärmland seinen Vortrag mit einem Blick in
die Runde. »Der vierundzwanzigjährige Kevin Malchow aus Thür wurde vorletzte
Nacht in seiner Wohnung getötet. Er hatte eine Platzwunde an der linken Schläfe
und eine starke Prellung an der linken Schulter. Wie es aussieht, hat der Täter
wohl zunächst die Tür zwischen Schlafraum und Wohnzimmer mit großer Wucht gegen
das Opfer gestoßen. Die hat Malchow an der linken Schulter und am Kopf
getroffen. Das war allerdings nicht die tödliche Verletzung, sondern ein
gebrochenes Genick. Laut
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