Tod am Laacher See
als zweiten Kopf dabeigehabt. Aber jammern
half nicht. Vielleicht ein Colafläschchen. In seiner linken Jacketttasche fand
er noch drei Exemplare, von denen er zwei Stück sofort inkorporierte. Das half
gegen die Anspannung. Andere hatten ihre Zigaretten. Aber er war heilfroh, dass
er niemals mit dem Rauchen angefangen hatte. Sicher wäre auch er nicht mehr
davon losgekommen.
Wärmland dachte an den jungen Mann mit dem gebrochenen Genick. Das
war eine sehr seltene Art der Tötung. Eigentlich passte sie nicht in eine
»normale« Auseinandersetzung mit tödlichem Ausgang. Warum hatte der Täter Kevin
Malchow also ausgerechnet auf diese Weise umgebracht? Es hatte offenbar kein
Kampf stattgefunden. Kein Ringen und Rangeln, in dessen Verlauf sich vielleicht
ein eher zufälliges Verdrehen des Halses ergeben hätte. Dr. Leyendecker
glaubte an eine zielgerichtete, schnelle Handlung. Von jemandem durchgeführt,
der wusste, was er anrichten würde. Einem Killer also, der lautlos töten
wollte. Aber es konnte doch einfach nicht sein, dass sie hier in Mayen gleich
zwei professionell und kaltblütig vorgehende Killer auf einmal in Aktion
hatten. Das war einfach undenkbar, konnte unmöglich der Fall sein. Etwas
Derartiges gab es im realen Leben nicht, nur in Filmen. Und doch schienen der
junge Mann aus Thür und die Angler aus Schleswig-Holstein darüber hinaus in
keiner Weise miteinander verbunden zu sein. Kevin Malchow hatte erst am Anfang
seines Lebens gestanden. Man hatte es ihm geraubt, bevor er es richtig
kennenlernen konnte. Bevor er die Frau fürs Leben gefunden und mit ihr Kinder
gezeugt hatte. Bevor er seine Kinder hatte aufwachsen und ins eigene Leben
gehen sehen. Die Ermittlungen in dem Mehrfachmord an Mosel und Laacher See
hatten absolute Priorität. Aber Wärmland fühlte im Stillen so etwas wie eine
persönliche Verantwortung für Malchow.
Er konnte ihm sein Leben nicht zurückgeben. Aber er konnte den
Scheißkerl kriegen, der ihm das angetan hatte.
NEUN
Die wesentlichen neuen Erkenntnisse der
Mittwochbesprechung in Koblenz waren die befürchteten: Rogallas Alibi hatte
sich als zutreffend herausgestellt. Damit war er endgültig von der Liste der
Verdächtigen gestrichen. Wärmland informierte die Koblenzer Kollegen über den
Fall in Thür, was auch bei ihnen Betroffenheit darüber auslöste, dass das
Morden weiterging und dass es einen so jungen Menschen getroffen hatte.
Nach einem kurzen Abstecher ins Krankenhaus, wo der sehr zappelige
und tatendurstige Trobisch mit einer Entzündung seiner Schusswunde auch
weiterhin zum Nichtstun gezwungen war, kehrte Wärmland zurück nach Mayen und
rief am Mittag sein kleines »Malchow-Team« und Regine Nau zu sich.
Kommissar Michalski begann mit den Ergebnissen seiner Ermittlungen
zum Leben des getöteten jungen Mannes. Seine Ausführungen endeten mit dem Satz:
»Kevin Malchow war nach meinen bisherigen Erkenntnissen ein völlig normaler
junger Mann ohne irgendeine problematische Seite. Abgesehen davon, dass er seine
Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann abgebrochen hat, ist bei ihm anscheinend
alles in Ordnung gewesen. Bis auf die Trennung von seiner Freundin, die die
junge Frau herbeigeführt hat. Malchow scheint aber, soweit ich das bisher sagen
kann, nicht in einen Konflikt mit seinem Nachfolger geraten zu sein. Und der
hatte seinerseits auch keinen Groll gegen ihn. Ich fürchte, von der Seite
werden wir nicht zu einem Motiv und zu einem Täter gelangen.«
Wärmland dankte Michalski und blickte auf Peschulat. »Wie sieht es
bei Ihnen aus, Herr Kollege? Was haben Sie zu bieten?«
»Vielleicht etwas mehr«, antwortete Peschulat vielsagend, bevor er
mit seiner Zusammenfassung begann. »Ich habe die Verwandten der bei dem Unfall
getöteten Familie unter die Lupe genommen. Das heißt diejenigen, die auffindbar
waren. Das waren nämlich nur die Eltern des getöteten Familienvaters. Die
trauern nicht nur sehr um ihren Sohn, die hatten ganz offensichtlich auch ihre
Schwiegertochter sehr ins Herz geschlossen. Ganz zu schweigen von ihrer kleinen
Enkelin. Frau Pauly fing gleich zu weinen an, als ich sie auf die Sache
angesprochen habe. Anscheinend können sich die beiden aber zumindest
gegenseitig etwas Trost und Halt geben. Das war irgendwie rührend anzusehen.
Hier war also alles etwa so, wie man es nach so einem Schicksalsschlag
erwartet. Was mich überrascht hat, war die Tatsache, dass ich den Vater der
Frau, der in Bell ein kleines Haus hat, nicht auftreiben konnte.
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