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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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eisige Wasser lief ihm in den Kragen. Aber er spürte es nicht.
    Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel. Das Handelshaus Herrmanns hatte keinen Speicher am Cremon. Aber einer der größten Cremon-Speicher gehörte Joachim van Stetten.

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    14. Kapitel
    Montagnacht
    Er sah anders aus als die jungen Männer, die sie in Claes’ Kontor gesehen hatte. Die trugen zwar schlichte, aber gut geschnittene Röcke aus feinem, dunklem Tuch über sandfarbenen Westen, schiefergrauen Kniehosen und weißen Strümpfen. Dieser trug eine grobe braune Joppe, seine Hose war schmutzig und sein Schuhwerk ohne Schnallen. Sicher war er einer der neuen Wächter. Sie wunderte sich, dass er keine Laterne trug. Er hatte sie wohl in der Eile vergessen.
    Der Bote ging schnell, und Anne konnte kaum mit ihm Schritt halten. Aber es war ihr recht, der Wind wehte eiskalt durch die stockdunklen Straßen. Ob er wusste, warum Claes sie in seinem Speicher treffen wollte? Es machte wenig Sinn, einen Boten nach den Gedanken seines Herrn zu fragen.
    Ihr schien, als gehe er nicht den direkten, sondern den dunkelsten Weg zur Cremon-Insel. Aber die Stadt war ein Labyrinth. Auf dem scheinbar kürzesten Weg stand man plötzlich vor einem Fleet, fand keine Brücke und musste einen weiten Umweg machen.
    Anne fühlte sich unbehaglich, allein mit diesem düsteren Fremden mitten in der Nacht in den leeren Straßen. Je weiter sie gingen, um so verrückter und unwirklicher kam ihr dieses nächtliche Abenteuer vor. Sicher würde sie gleich aufwachen, und alles war nur ein Traum gewesen.
    Ein Traum, der immer unheimlicher und bedrohlicher wurde.
    An der Holzbrücke, die über das breite Nicolai-Fleet auf die Cremon-Insel führte, blieb sie atemlos unter einer Straßenlaterne stehen und sah zurück. Es kam gar nicht in Frage, einfach umzukehren und zu dem warmen, sicheren Haus am Jungfernstieg zu laufen. Und was sollte ihr geschehen?
    Entschlossen ging sie weiter. Sie war nie feige gewesen. Ihre Nerven waren von den Ereignissen der letzten Wochen nur so überreizt, dass sie hinter allem Ungewöhnlichen Böses argwöhnte. Zu Hause in St. Aubin kannte sie jedes Haus, jeden Weg und jedes Gesicht. Ihre Insel war so friedlich. Es gab kaum Verbrechen, wenn man einmal vom Schmuggel an der Nordküste absah. Doch den gab es seit Jahrhunderten, er hatte ihr ruhiges Leben nie bedroht. In den verwinkelten Straßen und Höfen dieser Stadt drängten sich 100000 Menschen. Eine fremde, bedrohliche Welt. Ach was, ihre Phantasie spielte ihr einen Streich. Sicher ließ nur die Dunkelheit die Stadt plötzlich so unheimlich und voller Abgründe erscheinen. Schreckliche Dinge waren geschehen, aber sie, Anne, spielte in dieser Tragödie keine Rolle. Wer sollte ihr etwas antun? Und warum?
    Es war ganz einfach: Claes rief sie in seinen Speicher, weil er dort etwas entdeckt hatte. Er würde sie niemals einer Gefahr aussetzen.
    Eilig ging der Bote in den Cremon voraus. Am Ende der engen, halbrund gebogenen Straße glitzerte das schwarze Wasser des Binnenhafens. Die Schiffe dümpelten an den Duckdalben, der Wind trug ihr Knarren und Ächzen heran. Irgendwo jaulte ein Hund.
    Und wenn sie jetzt einfach losrannte? Nur ein paar Minuten, und sie wäre in Claes’ Haus.
    «Hier isses!», sagte der Bote und schob sie in einen Speicher. Er sah noch einmal die Straße hinauf und hinab und verschloss die Tür von innen mit einem Querbalken.
    Die Gerüche waren Anne tröstlich vertraut. Auch in den Lagerhäusern von St. Aubin roch es nach Getreide, Zucker, Gewürzen und Hölzern.
    Im Speicher war es noch dunkler als auf der Straße. Zwei Laternen auf einer Tonne neben der schmalen Treppe erhellten nur matt einen kleinen Lichtkreis.
    «Claes?»
    Anne horchte in den Speicher hinein. Sie fror, und sosehr sie sich auch töricht schalt, der eiserne Griff der Angst legte sich immer fester um ihre Brust.
    «Claes», rief sie noch einmal. «Wo seid Ihr?»
    «Oben», sagte der Bote, «er is auf’m dritten Boden.»
    «Dann nimm die Laterne und geh voraus.»
    Der Mann schüttelte den Kopf und lehnte sich mit dem breiten Rücken gegen die Tür.
    «Er wartet nich gern», brummte er und starrte sie ausdruckslos an.
    Anne griff ärgerlich eine der Laternen, raffte mit der anderen Hand ihre Röcke und ging vorsichtig die schmale Treppe hinauf. Verblüfft stellte sie fest, dass alle Böden leer waren. Merkwürdig! Die Speicherböden großer Händler waren normalerweise immer gefüllt.
    Eine Windböe ließ

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