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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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die Wanderschaft, hätten wir niemals überlebt. Ein so großes Revier, wie wir gebraucht hätten, gibt es seit Generationen nicht mehr. Nun sind wir für die kommende Zeit gerüstet. Unser Rudel hat sich in der Vergangenheit weit von dem entfernt, was Wolfsein bedeutet. Wir wollten etwas sein, was wir nicht sind. Das ist nun vorbei.«
    Es fiel Niccolò schwer, das nächste Wort zu sagen, denn es schien so unvollkommen. Doch er kannte kein besseres. »Danke.«
    »Dank gebührt auch euch. Vor allem dem alten Giacomo. Er ist so klug, er könnte fast ein Wolf sein.«
    Niccolò merkte, wie sein Kopf sich demütig senkte bei der Erwähnung des Hundes, dem er so Unrecht getan hatte. Er musste ihn finden. Wenn er noch lebte.
     
    Es gab eigentlich nur einen Ort, an dem er sein konnte. Mit Trüffeln hatte er sich ja bereits vollgefressen. Und Niccolò wusste, wie sehr der Freund ein vollständiges Mahl schätzte.
    Giacomo musste eine Flasche aus dem Pappkarton geworfen haben, damit sie auf dem Kellereiboden zerschellte und er ihren kostbaren Inhalt aufschlecken konnte. In der Tat musste er es sogar dreimal getan haben. Der Lagotto Romagnolo lag auf dem Rücken, die Vorderläufe wie ein kleiner Hase vor der Brust angewinkelt, und atmete ruhig und gleichmäßig. Als Niccolò neben ihm etwas vom Boden aufleckte, öffnete er die Augen.
    »Ist ein ordentlicher Jahrgang«, sagte Giacomo. »Aber der Herbst war etwas zu feucht. Bedien dich, Niccolò.«
    »Du hast mich noch nie Niccolò genannt, immer nur Kleiner.«
    »Passt jetzt nicht mehr. Passt überhaupt nicht mehr.« Er schloss wieder die Augen und leckte sich über die Lefzen. »Darf ich mich dazulegen?«
    »Mach ruhig, da ist noch genug Platz für dich.«
    Niccolò schmiegte sich an den Freund, versuchte zu schlafen, doch über ein Dösen kam er nicht hinaus. Es lag nicht am schweren Weinduft oder an den Essigfliegen, die über ihm summten, nicht am leichten Zug vom offenen Tor oder an der Kälte, die vom Boden aufstieg. Das Glück hielt ihn wach. Giacomos Atem war ungleichmäßig, auch ihm schien etwas im Kopf herumzuschwirren. Plötzlich stand er auf.
    »Ich muss weg.«
    »Wieso? Wohin willst du? Zurück nach Alba?«
    »Nein, nein. Weiter weg, viel weiter. Ich gehe, um zu sterben. Dafür such ich mir jetzt ein schönes Plätzchen.« Er leckte sich über seine Wunde.
    »Aber du wirst nicht sterben, also nicht jetzt«, sagte Niccolò und sprang auf. »Deine Verletzung ist nicht schwer.«
    »Du darfst deinen Augen nicht immer trauen. Ich weiß es. Ich spüre es, ich werde bald abtreten, hier bei meinen Trüffeln.«
    »Dir geht’s prima«, sagte Niccolò und sah sich die blutverkrustete Wunde noch einmal genauer an. Es war nicht schlimm. Und auch ansonsten wirkte der alte Recke fit. In der Nacht noch hatte er als einer der wenigen bei der Autoverfolgung mithalten können. »Du bist sogar weniger fett als in Alba«, ergänzte er deshalb aufmunternd.
    »Lass mich in Ruhe Abschied nehmen von der Welt. Warum sollte ich nicht sterben? Habe ich nicht genug mitgemacht?«
    »Jetzt leg dich schon wieder hin!«
    »Ich bin ein alter Hund.«
    Niccolò war es satt. Wenn Giacomo es so wollte, dann bekam er es jetzt auch so. Genau so. »Keiner ist älter als du. Ein Wunder, dass du überhaupt noch fressen kannst.«
    »Und schwach bin ich. Sehr schwach.«
    »Deine Beine sind vollkommen muskellos. Du bist völlig kraftlos.«
    »Meine Augen erkennen auch nichts mehr.«
    »Noch nicht einmal, wo du Wein findest. Es ist eine Schande.«
    »Und meine Nase? Ein Abglanz alter Zeiten, eigentlich zu nichts mehr zu gebrauchen. Kaputt. Was ist ein Trüffelhund ohne Nase? Nichts, ich sag es dir, Abfall.«
    »Wie Recht du hast. Deine Nase ist so schlecht, dass du unfähig bist zu erriechen, wie gut der Jahrgang ist, den du in dich hineinschlabberst. Du hast vollkommen Recht, geh in den Wald und stirb. Je eher, desto besser.«
    Eine lange Pause entstand.
    »Meinst du das ehrlich?«, fragte Giacomo und wirkte nicht nur ein wenig enttäuscht.
    »O ja. Völlig. Aber wenn du in den Wald zum Sterben gehst – dann wunder dich nicht, wenn es noch ein paar Jahre dauert. Und wunder dich auch nicht, wenn ich dich besuchen komme, ab und an vielleicht sogar mit Essen. Dassollte dich aber nicht davon abbringen, okay? Denk dann bloß nicht, ich wollte dich beim Sterben stören!«
    »Ich mag dich, Kleiner.«
    »Gefällt mir viel besser als Niccolò«, er sah ihn an. »Großer.«
     
    Es fiel dem kleinen Windspiel schwer,

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