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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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nicht mehr wahr, seine Nase badete in einem kulinarischen Wohlgeruch, der mit jedem Meter stärker wurde. Sein Weg endete am anderen Ende der Piazza vor dem schneeweißen Haus mit der Nummer 142. Ein besonders sauberes Gebäude in diesem ohnehin gepflegten Viertel, mit goldenem Briefkasten und einem Schild auf der gläsernen Doppeltür, das einen durchgestrichenen Hund zeigte.
    Aus dem zweiten Geschoss dieses Stadtpalastes drang die Verheißung.
    Die Haustür wurde von innen geöffnet, und ein bulliger Mann trat heraus, der sich mit den Fingern den speckigen Hemdkragen vom Hals lupfte. Bellachini verschwand schnell hinter einem geparkten Alfa Romeo, doch Giacomo blieb stehen, hob das Haupt, die einzelnen Fasern des komplexen kulinarischen Geruches entwirrend.
    Bis ihn der Stiefel des monströsen Mannes in der Magengrube traf.
    »Dreckige Straßenköter, schert euch nach Sizilien!«
    Der Tritt hatte Giacomo von den Pfoten gerissen und einen guten Meter den Bürgersteig entlanggeschleudert. Er jaulte nicht auf, und er ging nicht auf den Mann los, der fluchend Richtung Piazza Savona verschwand. Als er außer Reichweite war, kam Bellachini hinter dem parkenden Wagen hervorgeschossen und leckte den am Boden liegenden Giacomo über den Bauch, auf dem sich der Spann des Schuhs in das Fell geprägt hatte.
    »Warum bist du nicht weggerannt? Der stank schon nach Ärger, das sah man doch direkt!«
    Giacomo stand auf. »Zweite Etage Mitte. Lass uns hintenrum nachschauen, ob es eine Feuertreppe gibt. Durchs Haus sind die Dachshunde mit Sicherheit nicht gegangen.«
    Er ging in Richtung des dünnen, zugewachsenen Spalts zum Nachbarhaus. Das Gras schien erst vor kurzem niedergedrückt worden zu sein, fast bis auf Bodenhöhe herunter.
    »Man darf die Zweibeiner mit so etwas nicht davonkommen lassen, Mann. Wir sind doch keine Katzen! Warum hast du ihn nicht gebissen?«
    Giacomo zwängte sich in den Spalt, wobei er links und rechts am Mauerwerk entlangschleifte. »Ich will jetzt nichts mehr davon hören.«
    »Also ich hätte ihn in die Wade gekniffen und dann ab, so schnell, dass mir der tumbe Kerl nicht hätte folgen können.So hätte ich das gemacht. Die Zähne tief ins Fleisch. Mann, ich bin jetzt richtig zappelig, weil du es nicht getan hast!«
    Giacomo trat am anderen Ende des Spalts heraus und sah wie erhofft eine Feuerleiter am Haus.
    »Hättest ihn ja beißen können«, sagte der alte Trüffelhund. »Ich hätte dich nicht daran gehindert.«
    Bellachini jagte an ihm vorbei zur Treppe. »Zweite Etage hast du gesagt? Mitte, ja?« Seine kleinen Pfoten schrappten die metallenen Gitterstufen hoch. »Hier ist ein Fenster auf, Mann. Jetzt kann ich es auch riechen. Wahnsinn! Mach schnell, bevor die Dachshunde wiederkommen. Du weißt, wie sie sind, wenn man einen ihrer Futterplätze entdeckt hat.«
    Jetzt, da die kühlende Wirkung von Bellachinis Speichel nachließ, merkte Giacomo den Schmerz, das Atmen fiel ihm schwerer als gewohnt, er kam nur langsam die Stufen empor. Nun würde er sich den Bauch nicht so vollschlagen können wie geplant.
    Als er auf der zweiten Etage ankam, sah er das Problem, welches Bellachini dazu gebracht hatte, den Kopf schrägzulegen und angestrengt nachzudenken. »Ich begreif’s nicht, Mann. Das ist viel zu hoch. Ich weiß nicht, wie die Dachshunde da reingekommen sind.«
    Giacomo wusste es sofort, die Spuren am unteren Ende der Hintertür zeigten, dass sie sich durchgebissen hatten. Doch für ihn und Bellachini war das Loch zu klein, und die Zeit drängte. Die Dachshunde würden zurückkehren, sie plünderten ihre Futterstellen schnell.
    »Jetzt weiß ich’s! Stell dich einfach da hin«, sagte Bellachini. »Hab ich schon tausendmal gemacht! Eigentlich mit einem Berner Sennenhund als Partner, aber mit dir müsste es auch gehen.«
    Lang ruhte Giacomos Blick auf dem kleinen Terrier, der unruhig sein Gewicht von einer Pfote auf die andere verlagerte.Der Essensduft war nun fast berauschend stark, und Giacomo lief bereits das Wasser im Mund zusammen. Es roch noch besser als vor den Delikatessläden der Via Vittorio Emanuele II, denn das Fleisch und der Käse in dem verschlossenen Raum vor ihm waren älter und sonderten extrem intensive Aromen ab. So wie er es liebte. Fast so morbid wie der Geruch von Trüffel, die selbst den dicksten Boden mit ihrem Aroma durchdringen konnten. »Dann spring halt«, sagte er und stellte sich in Position. Er merkte kaum, wie Bellachini ihn berührte, und mit großer Gewandtheit

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