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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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musst du hin, da musst du sofort hin!«
    Giovanna Battistas Lippen schlossen sich wieder, und sie ging wortlos und kopfschüttelnd zurück in ihren Laden. Die Tür schloss sich begleitet von einem Klingeln, und Giacomo rappelte sich auf. Der Jack-Russell-Terrier hieß Bellachini und war einer der Zirkushunde. Er liebte es mehr als jeder andere, seine Geschichten darüber zu erzählen, wie er früher mit einem kleinen Familienzirkus durch ganz Italien zog, durch Feuerräder flog und auf Elefanten balancierte. Kopfüber. Wie viele von seinen Geschichten stimmten, wusste keiner der Hunde Albas, aber sie hörten sich fantastisch an.
    »Warum kommst du zu mir und frisst sie nicht zusammen mit deinen Zirkusfreunden auf?« Giacomo senkte seine Zunge wieder in den Barolo.
    Bellachini – der Große Bellachini, wie er sich selber nannte – ging trippelnden Schrittes um Giacomo herum, offensichtlich nur darauf wartend, endlich wieder losspurten zu können. Er war ein typischer Terrier, fand Giacomo, ständig unter Strom, ein wahrer Hektiker. Er machte ihn immer unheimlich nervös.
    »Es ist genug für alle da, wir wollen teilen. Sind wir nicht alle eine große, glückliche Familie? Sind wir doch, oder?«
    »Ihr wisst nicht, wo genau die Wursthalde ist, und ich soll sie für euch finden, stimmt’s?«
    »Jeder leistet einen Teil der Arbeit, jeder erhält etwas vom Gewinn. So ist das in einer Familie!«
    »Also habe ich Recht.«
    »Jaja, hast du von mir aus. Kommst du jetzt? Es muss irgendwo an der Piazza San Paolo sein, nahe dem Tempio. Der Unglaubliche Houdini hat einen von den Dachshunden gesehen, wie er da drei Würste mit der Schnauze hinter sich her schleifte und im Untergrund verschwand. Drei auf einmal! Da werde ich verrückt, wenn ich das höre, Giacomo. Da kribbeln mir die Füße! Du weißt ja, dass Dachshunde nur an die Oberfläche kommen, wenn die Beute leicht und reichlich ist. Ansonsten halten sie sich lieber an diese ekligen Kanalratten.«
    Das Schüsselchen vor Giacomo war nun leer, und auf das volle hatte er keine Lust. Auf Würste aller Art dagegen schon, deswegen ging er mit. Der Tag war zärtlich zu Alba, ein leichter Wind vertrieb die Hitze aus den Gassen, bevor sie sich allzu sehr sammeln konnte. Ein kleiner Spaziergang mit Festmahl klang bei diesem Wetter für sein nun leicht benebeltes Hirn nach einer recht guten Idee. Danach würde er sich vollgefressen hinlegen und für einige Zeit alles vergessen. Die Augenlider fest geschlossen, in dem alten Koffer liegend, dessen Innenfutter den Boden des verlassenen Hauses deutlich weicher werden ließ.
    »Also los, du gehst vor. Und die größte Wurst ist für mich.«
    Bellachini redete die ganze Strecke über auf den alten Trüffelhund ein, ohne zu merken, dass dieser ihm gar nicht zuhörte, sondern nur weinselig hinter ihm hertrottete. Giacomo bekam deshalb nicht mit, dass Bellachini von Wolfsgeheul erzählte, das von den Hügeln der Langhe lauter als jemals zuvor erklang, und dass viele Hunde der Dörfer nachts nun lieber zu Hause blieben. Giacomo sah stattdessen nur Würste vor sich und dachte über die unterschiedlichen Sortennach, welche vor seinem geistigen Auge schwebten. Er biss schließlich in die Herzhafte nach Bauernart. Das göttliche Alba sorgte wie eine Mutter für ihn.
    »Hier, Giacomo! Genau hier muss es gewesen sein. Jetzt bist du dran, runter mit der Nase, Spur aufnehmen, alter Schnüffler.«
    Giacomo brauchte die Nase nicht zu senken. Der leichte Wind hatte den Duft auf der ganzen Piazza verteilt, die eigentlich nur für ihre vielen Parkplätze bekannt war. Der aromatische Grundton bestand hier aus Autoabgasen und Küchenkräuterdüften, die von den Fensterbänken und Balkonen der mehrgeschossigen Häuser stammten. Oregano, Basilikum und Rosmarin hinterließen die stärksten Spuren im Konzert der Aromen. Das kannte Giacomo alles. Doch von der nordöstlichen Ecke der Piazza drang ein ungewöhnlicher Duftschwall alten Fleisches und sehr reifen Käses zu ihm. Wie ein breites Band überlagerte es mit seiner würzigen Schwere die anderen Gerüche. Giacomo wartete, bis eine Lücke im Verkehr vor ihm auftauchte, und ging langsam, begleitet von einem Hupkonzert, über die Straße, Bellachini trippelte aufgeregt hinter ihm her.
    »Hast du schon Witterung aufgenommen, ja? Sag es mir! Ich renn schon mal vor, sag es mir! O Mann, ich seh das Festmahl schon vor mir. Das wird groß, das wird gigantisch!«
    Giacomo nahm die stinkenden Benzin- und Dieselabgase

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