Tod an der Förde
wissen wir
damit aber immer noch nichts.«
»Zumindest haben wir ein erstes kleines
Mosaiksteinchen gefunden. Es ist wie im Puzzle. Jetzt wird es einfacher. Wir
müssen nur noch nach den passenden Nachbarstücken suchen«, erklärte Lüder.
»Sie sind lustig. Ich bin zwar nicht in alle
Einzelheiten eingeweiht, aber es sieht doch so aus, als hätte uns das
Außenministerium unter Einschaltung des ganzen Apparates ein paar Teilchen
genommen, sodass wir gar keinen Zugriff auf alle Winzigkeiten haben.«
Lüder ließ ein strahlendes Lachen sehen. »Und weil wir
nicht mit am Basteltisch sitzen dürfen, haben wir uns gebückt, und ich sitze
unter dem Tisch und versuche, im Dunkeln die fehlenden Teilchen unseres Puzzles
zu finden.«
Vollmers stimmte in das Lachen ein, auch wenn es ein
wenig gequält klang.
»Eine wunderbare bildhafte Darstellung. Nur leider
etwas zu sehr Tizian.«
Lüder zog die Augenbraue hoch, um damit zu verstehen
zu geben, dass er dem Hauptkommissar nicht folgen konnte.
»Die ganze bildhafte Darstellung ist mir zu rot.
Blutrot!«, erklärte Vollmers.
*
Lüder fuhr zum Steigenberger Conti Hansa, dem Hotel,
in dem da Silva wohnte. Er hatte Glück. Der chilenische Journalist war in
seinem Zimmer und schloss hastig den Deckel seines Notebooks, nachdem er
geöffnet hatte und Lüder eingetreten war.
»Darf man erfahren, was Sie schreiben?«, fragte Lüder.
Da Silva schüttelte den Kopf. »Sie nennen es Pressefreiheit.
Mit etwas Glück können Sie es in Kürze in den Zeitungen lesen.«
Lüder setzte sich auf die Bettkante.
»Sie haben mir immer noch nicht verraten, für welche
Zeitungen Sie als Korrespondent arbeiten.«
Der Chilene lächelte. »Ist das ein Trick oder sind Sie
vergesslich? Ich hatte Ihnen bereits früher erklärt, dass ich als freier
Journalist tätig bin und mehrere Zeitungen mit meinen Artikeln bediene.«
»Können Sie nicht einige mit Namen nennen?«
»Dann müsste ich Ihnen die ganze Palette der seriösen
chilenischen Presseerzeugnisse aufzählen. Und einiger im benachbarten Ausland
…«, sagte da Silva.
»Mir fehlt immer noch der schlüssige Beweis dafür,
dass Sie wirklich als Journalist tätig sind.«
Der Chilene sah Lüder nachdenklich an. »Ach, daher
weht der Wind. Sie sind misstrauisch. Was sollte mich sonst nach Kiel führen?
Tourismus? Dann würde ich vielleicht eine Deutschlandreise machen. Kiel würde
bestimmt nicht zu den bevorzugten Zielpunkten gehören.«
Er schwieg einen Moment. »Ich verstehe«, fuhr er
schließlich fort. »Sie glauben, ich wäre hier, um irgendwelche fremden
Interessen zu vertreten. Geheimagent. Oder als Lobbyist für den großen
Unbekannten, der handfeste wirtschaftliche Interessen verfolgt.« Da Silva
lachte auf. Es war zu schrill und klang gekünstelt. »Ist es das?«
Lüder schenkte ihm einen langen nachdenklichen Blick.
»Vielleicht«, antwortete er schließlich vage und
bemerkte ein kurzes Erschrecken in da Silvas Augen.
Der Chilene ließ die Hände in den Schoß fallen.
»Wer hat Ihnen solchen Blödsinn erzählt?«, wollte er
von Lüder wissen.
»Manchmal kommen wir auch von allein auf bestimmte
Vermutungen.«
Jetzt hob da Silva die Hände theatralisch in die Höhe.
»Nein«, antwortete er. »So dumm sind Sie nicht.
Irgendwer möchte Ihnen weismachen, dass ich eine aktivere Rolle als die des
beobachtenden Journalisten spiele.«
Er legte die Finger gegen die Schläfen, als würde
diese Geste seinen Denkprozess hilfreich unterstützen. »Ah! Ich hab’s. Da haben
Ihnen die Argentinier etwas ins Ohr geflüstert. Für die wäre es eine gute
Gelegenheit, mit dem ausgestreckten Finger auf Chile zeigen zu können. Unsere
Nachbarn arbeiten mit Geheimagenten gegen uns. Sie führen einen kalten Krieg.
Und warum?«
»Vielleicht will Chile in den U-Boot-Vertrag
einsteigen«, gab Lüder zu bedenken.
»Blödsinn«, antwortete da Silva prompt. »Sie wissen
doch bestimmt, dass mein Land eigene U-Boote bestellt hat.«
»Und wenn die Briten einen Verdacht gegen Sie hegen?«
»Das ist ein noch größerer Blödsinn. Haben Sie einmal
auf die Weltkarte gesehen? Wissen Sie, wie abseits die Falklands liegen? Nach
Argentinien dürfen die Inselbewohner nicht. Und wenn sie ans Land wollen oder
zum Beispiel ärztliche Hilfe benötigen, die sie auf ihrem Eiland nicht selbst
abdecken können, dann kommen sie nach Chile. Die Verbindung nach Punta Arenas
ist der einzige Kontakt zur Außenwelt, von den unregelmäßigen militärischen
Versorgungsflügen
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