Tod auf Cabrera - Mallorca-Krimi
hatte
bemerkt, dass Rosalia Álvarez Barosa sich nicht erhoben und ihrer Tochter den
Rücken zugedreht hatte. Sie hatte stattdessen in aller Ruhe eine uralte
Armeepistole von Pepe aus der Handtasche gezogen, auf sie gezielt und
abgedrückt, bevor sie noch einen Mord begehen konnte.
Die völlig geschockte Maria Estrella konnte es gar nicht glauben.
»Mama, was hast du gemacht?«
Rosalia Álvarez Barosa ließ ebenfalls geschockt die Waffe fallen und
begann zu schluchzen. »Gott verzeih mir, aber ich musste es tun.«
Maria Antonia erwachte aus ihrer Schreckstarre. »Amazonen«, rief sie
und schoss mit ihrer Waffe an die Kirchendecke, »rächt eure dueña mit einem Blutbad!«
Es rieselten ein paar Putzklümpchen auf die Trauergemeinde nieder,
aber sonst blieb es ruhig. Nicht eine der angesprochenen Amazonen rührte sich.
Selbst Maria Antonia kam nicht mehr dazu, ihre Waffe auf jemanden zu richten.
Berger und zwei unbewaffnete Polizisten der Guardia Civil warfen sich auf sie und rissen sie ihr aus den Händen.
Keine der Amazonen rührte sich, weil jede einzelne von ihnen den
kalten, harten Stahl einer Schusswaffe in ihrem Genick spürte. Sie begriffen,
dass Gegenwehr keinen Sinn mehr hatte. Da auch in den seitlichen
Kirchenschiffen überall Kollegen der Guardia Civil standen,
waren sie in Sekundenschnelle entwaffnet.
Plötzlich waren aber doch Schüsse im hinteren Teil der Kirche zu
hören. Überall im Kirchenschiff gingen die Menschen in Deckung. Drei junge
Mitglieder der Bande, denen man durch ihre Kleidung nicht hatte ansehen können,
dass sie auch dazugehörten, rannten, wild um sich schießend, in den Vorraum der
Kirche und verschanzten sich dort, als sie merkten, dass der Ausgang von der Polícia Local belagert wurde.
Während die jungen Kerle von den Beamten des Comando
Policial de Operaciones Especiales in Deckung gezwungen wurden, begannen
die Einsatzkräfte am Altar, die Kirche über die Nebentüren und durch die
Sakristei zu evakuieren. Draußen war eine Reihe Notarzttrupps vor Ort, die sich
um die Verletzten kümmerten.
Der Comisario klopfte von außen an die Kanzel, in der sich Bischof
Crasaghi verschanzt hatte. »Exzellenz, Sie sollten die Chance nutzen und bei
den jungen Damen die Beichte abnehmen. Ich denke mal, dass sie in der nächsten
Zeit nur noch damit beschäftigt sein werden, andächtig ihrem Rechtsbeistand zu
lauschen.«
Crasaghi erhob sich und blinzelte vorsichtig über die Brüstung ins
Geschehen. »Ist die Gefahr vorbei?«
» Sí , Exzellenz.«
»Hören Sie mit Ihrem blödsinnigen ›Exzellenz‹ auf und zeigen Sie mir
lieber, wo ein Klosett ist. Ich fürchte, ich habe mir vor Angst in die Hose
gepinkelt.«
»So was tun Bischöfe auch?«
»Mit Hingabe, Comisario, vor allem dann, wenn ihnen bei einer
heiligen Messe der Hirtenstab zerschossen wird.« Crasaghi hielt nur noch den
unteren Teil seines Insignes in den Händen. »Fragen Sie mich bitte nicht, wo
der Rest hin ist.«
Um wenigstens ein bisschen Würde zu wahren, tastete er den Boden der
Kanzel nach seiner Mitra ab. Mit einem »Na also« fand er sie und setzte sie
auf.
García Vidal stutzte. »Während der Predigt hatten Sie die doch gar
nicht auf.«
»Stimmt, ich war ja schon längst wieder unten, um den Sarg nach
draußen zu begleiten. Aber als es knallte, bin ich ganz schnell wieder hoch.«
Er hob den halben Bischofsstab. »Mitsamt meiner angeschossenen Würde.«
García Vidal riss die Augen auf, als er die Mitra genauer betrachtete.
»Nehmen Sie das Ding da lieber wieder ab. Nicht dass Sie Ihr eigener Hut
auspfeift, wenn Sie ins Freie gehen.«
Crasaghi nahm seine Mitra wieder ab und besah sie sich. Splitter des
Bischofsstabes und des Geschosses hatten den Hut völlig zerfetzt und
durchlöchert. Der Mann wurde kreidebleich. »Um Gottes willen!« Er wurde
plötzlich ganz steif. »Nichts wie weg hier. Das, was eben fehlte, habe ich
jetzt auch noch in der Hose.«
Capitán Ramirez hatte in der Zwischenzeit die Einsatzleitung übernommen.
Mit einem Nicken nahm er die Nachricht eines Kollegen zur Kenntnis, dass in der
gesamten Kirche kein Sprengstoff gefunden worden sei. Als der Capitán Carmen
sah, bekam er einen Schreck. »Señora Lucas, sind Sie verletzt?«
»Nein, ich stand nur direkt hinter Maria Estrella, als ihre Mutter
sie über den Haufen schoss.«
»Ich muss Ihnen ein Kompliment machen. Sie haben das alles toll
gemanagt.«
»Na ja«, sie schüttelte verlegen den Kopf, »es war alles ein
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