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Tod Auf Dem Jakobsweg

Tod Auf Dem Jakobsweg

Titel: Tod Auf Dem Jakobsweg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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hundert Kilometer gegangen war und das durch Stempel der Herbergen, Kirchen oder Klöster belegen konnte, bekam in Santiago die compostela, die Pilgerurkunde.
    Leos Blick ging weit über das Land und zu den am späten Nachmittag golden und rosa umrahmten Wolkenbergen, die sich himmlischen Schiffen gleich am Firmament drängten.
    Edith, Felix und Enno diskutierten immer noch über die Bedeutung und Wahrhaftigkeit christlicher Wunder, das Summen des Busmotors mischte sich mit der Musik aus Ignacios CD-Spieler, mittelalterliche kastilische Cantigas, vertonte Gerichte zur Verherrlichung der Jungfrau Maria.
    Leo hätte ihrer Phantasie gerne erlaubt, den weniger klösterlich entrückten als tänzerischen Lauten der alten Instrumente und der frohen Stimmen zu folgen. Doch ihre Gedanken drängen in eine andere Richtung. Wenn sie den Tod Dietrich Webers einmal unbeachtet ließ, wer von den Menschen in diesem Bus konnte für den Anschlag auf Benedikt — oder eigentlich Nina? — in Frage kommen?
    Der fromme, die Madonna tief verehrende Enno? Er war immer mal für eine halbe Stunde verschwunden. Was machte er dann? Wo? Beichten, vermutete Felix. Das konnte sein, aber...
    Zudem hatte er ganz besonders penetrant immer wieder das Thema ETA aufs Tapet gebracht. Um von sich abzulenken?
    Oder Felix? Er war bei der Gruppe gewesen, die vor Benedikt gegangen war. Konnte er zunächst hei Benedikt geblieben sein und sich nach vollendeter Tat flink wieder der Gruppe angeschlossen haben? Bei dem Wetter auf der Höhe hatten alle ihre Kapuzen tief heruntergezogen, ein Regen, und Windschutz, der die Sicht nahm, Geräusche dämpfte und verfälschte. Vielleicht hatten sie nicht bemerkt, dass er erst wieder bei ihnen war kurz bevor sie ihren, Leos, Hilfeschrei hörten. Er war fit genug dazu, anders als die meisten war er am Ende des Wegs nicht völlig erschöpft gewesen. Aber wäre er unbemerkt an Nina vorbeigekommen, die zwischen Benedikt und der Spitzengruppe gegangen war? Kaum. Trotzdem: Was tat er überhaupt seit dem Abschluss seines Studiums? Er hatte nie erwähnt, wo er arbeitete. Ob er arbeitete. Seine Wanderausrüstung sah teuer aus — verdiente er sein Geld, indem er für andere Leute die Drecksarbeit erledigte? Der nette, bei aller Spottlust stets fröhliche Felix?
    Wenn sie nun noch Dietrichs Tod einbezog — wer war nicht mit dem gleichen Flug wie die Gruppe in Bilbao angekommen? Nur Fritz und Rita? Sie hatte es vergessen. Die beiden Müllers hatten ganz sicher vor der Ankunft in Bilbao einige Tage Südfrankreich bereist. So hatten sie gesagt — genauso gut konnten sie sich in Nordspanien aufgehalten haben. Und hatte Rita nicht besonders vehement behauptet, sie seien nach ihrem Besuch in Roncesvalles gleich ins Hotel in Burguete zurückgekehrt? Und es sei eine Frechheit, wenn der Inspektor vermute, sie seien von dort die kurze Strecke bis zur Absturzstelle auf dem camino gelingen? Das war in der Zeit, die ihnen zur Verfügung gestanden hatte, sehr gut möglich. Dann waren sie aber der Spitzengruppe begegnet. Ob- wohl — nicht unbedingt. Sie hatten den ganzen Tag zur Verfügung, all die Stunden, die die Gruppe von St. Jean bis dort hinauf gebraucht hatte. Sie konnten sich oberhalb der Stelle im Wald verstecken und auf Benedikt warten. Das war kein Problem. Welches Motiv sollten sie haben? Ein biederer Sparkassenfilialleiter aus Hildesheim und seine Geliebte als Mörderpaar? Mal wieder ein absurder Gedanke.
    Sie konnten auch nicht damit rechnen, Benedikt alleine anzutreffen. Das konnte oder wusste nur — Nina.
    Nina? Hatte sie die ganze Geschichte ihres Familienhorrors erfunden, um davon abzulenken, Was sie Benedikt angetan hatte? Vielleicht hatten sie wieder Streit gehabt, Hedda hatte so etwas Schon in der ersten Nacht gehört, Nina hatte ihn in explodierender blinder Wut hinabgestoßen und war davongelaufen. Felix hatte gesagt, Nina sei nicht mit, sondern ein ganzes Stück hinter ihnen gegangen, sie hätten sie relativ kurz vor der Absturzstelle getroffen. Sie habe die Hilferufe nicht gehört. Das klang unwahrscheinlich, wenn die anderen, die noch weiter voraus gewesen waren, sie deutlich genug gehört hatten, um sofort umzukehren.
    Es war verrückt. Die Sache mit Rudolf Pfleger, ihrem Bruder und ihrem Erbe, konnte Nina nicht! erfunden haben, das war zu leicht nachzuprüfen. Andererseits könnte sie sie jetzt, nachdem sie in blinder Wut ihren Freund beinahe getötet hatte, vorschützen, um von sich abzulenken. Aber ihre Angst um

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