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Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
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kleine Bibliothek.
    Das Schiff war von einer weithin bekannten Werft im finnischen Hafen von Turku gefertigt worden. Es beeindruckte nicht durch Größe, die auf Flüssen per Verordnung geregelt blieb, sondern vielmehr durch seine Gesamtkonzeption und all die technischen Errungenschaften wie die energiesparenden Heizmodule oder das integrierte Warentransportsystem. In den Kajüten konnte man neunzig amerikanische Fernsehprogramme auf einem Plasmabildschirm verfolgen, Computerspiele für Pensionisten hochladen oder im Internet surfen. Das Display war extra für weitsichtige Menschen eingerichtet worden.
    Die
America
verkehrte von März bis Mitte Januar, und danach verbrachte sie sechs Wochen in holländischen Docks, wo sie sorgfältig auf die nächste Saison vorbereitet wurde, Kontrollen, Zertifikate und Registrierungen – in der Branche herrschten strenge Regeln und Vorschriften.
    »Bitte nehmen Sie Ihr Handgepäck mit. Die großen Taschen und Koffer wird Ihnen unser wunderbares Team direkt in Ihre Kajüte bringen. An der Rezeption holen Sie sich einfach Ihren elektronischen Schlüssel, sowie Ihren Schiffspass ab, der dazu dient, dass ich und mein Team immer wissen, ob sich alle an Bord befinden. Bitte sehr, Sie können aussteigen.«
    Martin ging voraus. Eine Rampe führte zum Eingangsbereich, sie war auf beiden Seiten mit genieteten Metallleisten gesichert. Durchsichtige Glasscheiben erlaubten einen ersten Blick ins Innere.
    Das Begrüßungskomitee hatte sich nach einem genau festgelegten Protokoll am Eingang aufgebaut und nickte den Ankömmlingen zu. Den Amerikanern gefiel dieses Ritual. In der Mitte stand der rumänische Kapitän Atanasiu Prunea, in weißer Hose und Hemd, er trug eine dunkelblaue Weste und eine edle Seidenkrawatte. Seine Hand zierte ein großer goldener Ring mit einem schwarzen Edelstein, und auf seiner Kapitänsmütze war mit silbrigem Faden der Name des Schiffes eingestickt. Seine Uniform war sein wertvollster Besitz, sie kostete mehr als 3000 Euro, und er trug sie mit Noblesse. An sein Amt waren Seriosität und Haltung geknüpft, er legte auf beides Wert. Er erwartete sich von seiner Besatzung keinerlei übertriebenen Respekt, allerdings forderte er ein Mindestmaß an Anstand und Reinlichkeit. Dank seiner zahlreichen Fahrten auf den europäischen Flüssen war Atanasiu in der Lage, sich mit den Angehörigen der meisten Nationalitäten gebrochen in ihrer Muttersprache zu unterhalten. Seine Schwächen lagen beim Englischen und dem Alkohol – er hatte es nie geschafft, beides zu beherrschen. Sein fürchterliches Sprachdefizit konnte manchmal aber durchaus charmant wirken. Er begrüßte die Passagiere mit folgenden Worten:
    »Also, ich willkommen to you! Haben Sie fun! You verstehen?! Danke! Thank you! Spaß, Spaß!«
    Martin ging ins Innere des Schiffes, in die erste Halle, die nach Raumspray duftete, er begrüßte die Kollegen. Nach diesem ersten Tag fühlte er eine wohltuende Müdigkeit in sich aufsteigen, vergleichbar mit der von Schauspielern, die gerade ihre Premiere absolviert haben. Er war längst an das sanfte Schaukeln gewohnt, ein jeder Schritt bedeutete für ihn eine sachte, angenehme Rückkehr. Die Eingangshalle wurde von einem Stiegenabgang umfasst, den man bei Empfängen teilen konnte.
    »Guten Tag, fühlen Sie sich an Bord wie zu Hause!«, erklärte derErste Offizier Tamás Király. Bei der Begrüßung der Gäste standen ihm auch noch zwei Kollegen zur Seite, die Zweiten Offiziere Emil und Sorin.
    »Seien Sie willkommen bei uns. Guten Abend. Erlauben Sie? Wir bringen Ihre Tasche gern zu Ihrer Kajüte.« Weitere Besatzungsmitglieder gesellten sich dazu.
    »Erlauben Sie, bitte schön, noch zwei Schritte, Madame, sehr gut!«
    Am Schiff herrschte eine (für Amerikaner) ideale Temperatur, die, bedauerlicherweise, der europäischen Besatzung nicht gerade entgegenkam. Die eisige Kühle dämpfte immerhin die Ausdünstungen der Passagiere. Martin erteilte dem Ersten Offizier Tamás ganz genaue Anweisungen, welche Touristen Kinderportionen wünschten, wer welches gesundheitliche Handicap aufwies und beschrieb auch die Lage von Clark Collis, dem man das Essen würde servieren müssen.
    Die Passagiere brauchten jetzt Schlaf. Sie tranken ein Glas Orangensaft, holten sich ihre elektronischen Schlüssel ab und gingen zu ihren Kajüten. Die VIPs erhielten die schönsten Zimmer am Oberdeck, die doppelt so groß waren wie alle übrigen. Die anderen mussten aufs Unterdeck. Martin fühlte sich

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