Tod auf der Donau
erschöpft, ausruhen konnte er sich allerdings jetzt noch nicht.
3. WELLE
Nach dem Abendessen, das Martin allerdings geschwänzt hatte, fand ein »Kennenlernabend« statt. Martin lief kurz in seine Kajüte. Dort krempelte er die Ärmel seines Hemdes hoch, wusch sich mit kaltem und warmem Wasser Hände und Handgelenke, dann beugte er sich vor und hielt seinen Kopf unter den Wasserhahn. Diesen Reinigungsakt führte er vor und nach jedem Ausflug durch, als ob er so auch seine Gedanken reinigen könnte. Unter die Achseln sprühte er sich ein Deo, er wechselte das Hemd und streifte sich ein Sakko über.
Er beeilte sich, in den Salon zu kommen, einen großen runden Raum mit Podium und Kuppel, alles war voller lärmender Amerikaner, Gespräche und Gelächter hallten durch das Schiff.
Die Decke war mit Stuck verziert und die Bar mit einem hochwertigen Marmorimitat verkleidet. In der Ecke stand ein Konzertflügel, vor dem ein junger ungarischer Klavierspieler, Gábor Kelemen, saß, vormals ein großes Talent, heute Alkoholiker. Nicht einmal in seiner Freizeit verließ er das Schiff. Als Klavierspieler mit außerordentlichem Imitationstalent pflegte er abends aufzuspielen. Liebend gern forderte er das Publikum auf zu erraten, wen er gerade zum Besten gab. Doch die Amerikaner, die meist schon recht angeheitert waren, wünschten sich ohnehin ständig Schlager und Evergreens aus ihrer Jugend: Elvis oder Frankie.
Auf ein Zeichen hin unterbrach Gábor sein Spiel, und Martin schaltete das Mikrophon ein. Konzentriert machte er die Amerikaner mit dem Programm vertraut, das sie in den nächsten zwanzig Tagen erwarten würde, erklärte in aller Kürze die Regeln der Schifffahrt, zählte die angebotenen Dienstleistungen auf und beantwortete Fragen. Besondere Aufmerksamkeit widmete er der Stadtbesichtigungam nächsten Tag. Unauffällig hob er dabei die Bedeutung seiner Arbeit hervor.
»Ich stehe Ihnen rund um die Uhr zur Verfügung. Ein jeder von Ihnen kann auf der Rückseite seines Namenschildes meine Mobilnummer finden. Ganz egal was passiert, ich bin da, um Ihnen zu helfen. Wenn Sie mich mal nicht sehen, so fürchten Sie sich nicht, das ist ein gutes Zeichen. Es heißt nämlich, dass alles funktioniert und ich mich gerade darum kümmere, dass es am nächsten Morgen auch so ist.«
Er klopfte mit einem Messer gegen das Glas und prostete dem Kapitän und dem ganzen Team zu, danach hieß er die Passagiere ganz offiziell willkommen. Die Korken flogen, und Applaus ertönte. Die uniformierten Kellner stoben auseinander.
An jedem Tisch standen ein silbernes Gefäß mit einer gekühlten Flasche Don Perignon sowie eine Wasserkaraffe mit Eiswürfeln. Aus der Küche brachte man auf gewärmten Platten und in diversen Porzellanschüsseln verschiedenste Kanapees. In einer Ecke servierte man Kaffee. Der Cognac wurde feierlich präsentiert.
Gábor setzte sich wieder ans Klavier und improvisierte. Die Gespräche und das Gelächter verstummten, die Zuhörer standen auf und hörten zu, mit Champagnergläsern in den Händen. Bunte Lichtlein wurden eingeschaltet. Draußen war es dunkel geworden, und die Kellner räumten das Tanzparkett leer. Die Pensionisten bildeten überraschend schnell einige Paare. Martin schritt zufrieden durch den Raum und sprach einige Gäste an, nachdem er auf ihr Namenskärtchen geschielt hatte.
»Guten Abend, Jeff!«, sagte er zu dem Mann, der nur Wasser trinken durfte.
»Ich würde so gern etwas trinken!«, ließ ihn Jeff mit knirschenden Zähnen wissen.
»Amüsieren Sie sich gut, werte Catherine?«, fragte Martin eine VIP-Reisende.
»Danke, Martin, es geht mir gut, ich hab allerdings schon vieleSchifffahrten hinter mir, es ist demnach nichts Neues für mich, doch ich lasse mich gern überraschen«, antwortete sie. »Das ist meine Cousine, sie heißt Peggy Patterson. Ich möchte euch bekannt machen.«
»Peggy, es ist mir eine große Ehre, für Sie tätig sein zu dürfen«, sagte er und stellte sich auch diesem Monster vor.
Er wollte der Dame seine Hand reichen, doch sie machte ein finsteres Gesicht und streckte ihm nur widerwillig einen Finger entgegen. Offenbar drehte sich ihr bei seinem Anblick der Magen um. Sie fürchtete sich vor Osteuropäern und Bakterien und war prinzipiell sehr skeptisch, wenn sie als amerikanische Staatsbürgerin einem Ausländer die Hand reichen sollte. Eine Haltung, die Martin liebend gern auf das ganze Schiff ausgeweitet gesehen hätte. Sie wirkte kühl, mit strengen Lippen und einer
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