Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Tod auf der Donau

Titel: Tod auf der Donau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michal Hvorecky
Vom Netzwerk:
war ein ungewöhnliches Buch – weniger im Stil, vielmehr durch die Gefühle, die es hervorrief.
    Er wollte seine Zeit nicht mit Büchern verlieren, bei denen er den Eindruck hatte, dass es dem Autor doch nicht so unter den Nägeln gebrannt hatte, dass er ein Buch auch genauso gut hätte lassen können.
    Er arbeitete erneut zwölf Stunden täglich, doch diesmal mit mehr Gelassenheit als bei seinem Debüt und auch mit viel mehr Genuss, neugierig, wie er und die slowakische Sprache diese neue Prüfung wohl bestehen würden. Die Sprache erwies sich abermals als formbar, reich, jung und reif für Feinheiten, doch auch zu Grobheiten fähig … schlichtweg für ziselierte Sprachnuancen ebenso wie fürs Fluchen geeignet.
    Er hatte schon hundert Seiten vom Malaparte fertig, als man ihn am Telefon mit der Nachricht überraschte, dass er für
Donau
den Preis für die beste literarische Übersetzung des Jahres bekommen sollte. Vorgeschlagen hatte ihn eine Expertenjury. Was konnte sich ein Übersetzer am Beginn seiner Laufbahn noch wünschen? Er bekam viel Lob von außergewöhnlichen Menschen zugesprochen, die seine schöpferische Arbeit gewürdigt hatten, ohne ihn jemals gesehen zu haben. Die Auszeichnung bedeutete einen ersten Triumph und zugleich eine Genugtuung; er dachte an Professor Rovan, ohne den er diese Arbeit nicht einmal in Erwägung gezogen und der sich sicherlich mit ihm gefreut hätte. Er hatte große Lust, Mona zu sehen, doch er wusste nicht, wo sie steckte. Er erntete zwar den Erfolg, den er so sehr angestrebt hatte, doch nun fühlte er sich merkwürdig entrückt – es kam doch alles zu früh, es war noch unverdient. Jetzt würde er beweisen müssen, dass es keine Eintagsfliege war. In einem kurzen Bericht über die Verleihung des Übersetzerpreises wurde zwar sein Name nicht erwähnt, nur der Titel des prämierten Buches war zu sehen, doch schließlich war dies auch viel wichtiger – es ging ja um Magris. Martin hatte keinen Verkaufsansturm erwartet, doch die Stille, die auch danach über dem Buchmarkt lag, war bedrückend.
    Die Preisverleihung fand in den Prunkräumen des Kulturministeriums statt. Martin war mit dem Gefühl gekommen, der Abend werde seine bisherigen Bemühungen krönen. Der Vizeminister bezeichnetein seiner kurzen Ansprache Magris’ Buch als einen Roman und ahnte nicht einmal, dass es sich eigentlich um einen kulturhistorischen Essay handelte. Er verkündete, der junge Herr Roy habe das Buch mit Bravour aus dem Französischen übertragen. Martin rang nach Luft, er starrte den Redner entsetzt an. Dann bekam er von dem Beamten eine welke rote Nelke und eine Urkunde, auf der man seinen Namen falsch notiert hatte: Roj. Der Mann reichte ihm seine verschwitzte Hand und blickte irgendwo in die Ferne. Martin bedankte sich und ließ sich von Bürokraten und alten Jungfern umarmen, manche tätschelten seine Schultern.
    Es kamen auch einige Kritiker, Verleger und deren Handlanger. Martin fand sich zum erste Mal in der familiären Sippschaft dieser Branche wieder, überall Geschwätz und eine Stimmung voller Missgunst und Vorhaltungen.
    Mit seinem schwarzen Anzug, weißem Hemd und der engen Krawatte stach er etwas hervor, er hatte irrtümlich angenommen, dass man zu einem solchen Anlass möglichst gut gekleidet zu erscheinen hatte. Beim Empfang wurde er mit steinhartem Kuchen und Wein aus dem Tetrapack, den eine flinke Pensionistin geschickt in Plastikbecher leerte, verwöhnt. Der Vizeminister machte sich samt seinem unangenehmen Anhang aus dem Staub, und Martin blieb mit einer Gruppe Kollegen zurück. Einige schätzte er durchaus, er kannte ihre Arbeiten, doch da er um beinahe zwei Generationen jünger war, als die meisten Anwesenden, hielt er sich etwas abseits. Die Männer tranken aus einer durchsichtigen Flasche ohne Etikett, die jemand aus der Sakkotasche hervorgeholt hatte. Er hatte gehofft, bei diesem Treffen etwas mehr zu erfahren, doch das Übersetzen war kein Thema. So stand er allein da und träumte von einer langen Reise.
    Eine Frau mit Mikrophon kam auf ihn zu und stellte sich als Redakteurin eines Informationssenders vor: »Das Buch, das Sie übersetzt haben, Herr Roy, habe ich leider noch nicht gelesen. Doch ich wollte Sie ganz etwas anderes fragen. Ich war zwei Monate in Amerika und habe dort ausschließlich Englisch gesprochen. Ich war selbstüberrascht, wie gut das ging. Glauben Sie, dass ich auch übersetzen könnte?«
    »Sicher doch – von einem Ufer ans andere«, antwortete

Weitere Kostenlose Bücher