Tod auf der Fähre (German Edition)
empfanden?»
«Nein, das stimmt nicht.»
«Frau Rebholz, zwingen Sie mich bitte nicht …», sie unterbrach ihn mitten im Satz.
«Ich liebte ihn. Doch für ihn war ich nur eine gut aussehende Puppe. Wir kannten uns seit fünf Jahren. Seither trafen wir uns in losen Abständen.»
«Sie hatten also ein Verhältnis?»
«Nichts Ernstes. Kann ich mich wirklich darauf verlassen, dass niemand von diesem Gespräch erfährt?»
«Ja, das können Sie.»
«Gut, ich glaube Ihnen. Also, Frank und ich, wir hatten eines gemeinsam, die Sexbesessenheit! Deshalb waren wir ein ideales Paar. Wir sahen uns von Zeit zu Zeit und immer ist es zu einem intimen Kontakt gekommen.»
«Auch nach Ihrer Heirat?»
«Zuerst nicht. Wir sind uns einige Zeit aus dem Weg gegangen. Ich wusste genau, dass es passiert, wenn ich ihn sehe. Dann erhielten wir von Olivia, Frau Vischer, eine Einladung zur ART. Ich wollte nicht hingehen, aber mein Mann bedrängte mich. Frau Vischer gehört zu seinen besten Kundinnen. Als ich Frank am Stand von Schneider & Wohlfahrt wiedersah, war es um mich geschehen. Wir warteten einen günstigen Augenblick ab und verschwanden für eine halbe Stunde … Genauer wollen Sie es sicher nicht wissen.»
«Nein, danke. Das genügt mir. Und dann?»
«Danach gings so richtig wieder los. Intensiver denn je. Frank war noch besessener als früher. Wie jemand, der einen ungeheuren Nachholbedarf hat. Oder jemand, der Angst hat, dass es bald das letzte Mal ist.»
«Und dieses Verhältnis dauerte bis zu seinem Tod.»
«Nicht ganz.»
«Sondern?»
«Vor einigen Monaten beichtete ich Frank, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Ich weiss, es ist unvorstellbar. Ausgerechnet in Frank Brehm!»
«Wusste Ihr Mann von Ihrem Verhältnis?»
«Anton? Nein, das glaube ich nicht. So gut könnte er sich nicht verstellen. Ich glaube, er liebt mich wirklich, auf seine Art. Er geht gern mit mir aus und er freut sich über die neidischen oder bewundernden Blicke, die man mir zuwirft. Schauen Sie nicht so. Ich weiss, was ich kann und was ich bin. Mein Körper ist mein Kapital. Ich hatte Glück, dass ich eine Karriere als Fotomodell machen konnte. Glück gehört zum Leben. Und auf dem Laufsteg lernte ich Anton Rebholz kennen. Er war in einer delikaten Angelegenheit dort. Die ganze Kollektion wäre ohne ihn gepfändet worden. Wir trafen uns mehrmals und dann hielt er ganz formell, wie es sich für einen Kavalier der alten Schule gehört, um meine Hand an. Und ich habe, ohne zu zögern, Ja gesagt. Der Konsequenzen, dass ich seither in einem goldenen Käfig lebe, war ich mir damals nicht bewusst. Durch Frank bekam ich die Chance, ab und zu aus meinem Gefängnis auszubrechen.»
«Hatten Sie nur diese eine Affäre, seit Sie mit Herrn Rebholz verheiratet sind?»
«Ich weiss zwar nicht, was diese Frage mit Ihrem Fall zu tun hat, aber ich werde sie beantworten. Frank war mein einziger Liebhaber.»
«Sie erklärten also Frank Brehm, dass Sie sich in ihn verliebt hatten.»
«Ja, und das war falsch. Zuerst lachte er mich aus. Ich solle mit diesen Scherzen aufhören. Wir seien beide gleich. Liebe sei nur ein Wort, von Spinnern und Schwächlingen erfunden, um von anderen Problemen abzulenken. Als er dann merkte, dass es mir ernst war, diskutierten wir eine ganze Nacht lang. Als ich nach Hause fuhr, wusste ich, dass er sich nie ändern würde. Er hatte mich beschworen, keine Dummheiten zu machen. Olivia und Anton würden uns das Genick brechen, wobei er mehr Angst vor meinem Mann als vor Olivia hatte. Die konnte er jederzeit um den Finger wickeln. Ich brachte das Thema dann nie mehr auf den Tisch.»
«Wann war das genau?»
«Das war … im Juni fand die ART statt, im November die Ausstellung in Moskau, das muss so Ende Januar, Anfang Februar gewesen sein.»
«Also vor etwa knapp fünf Monaten.»
«Das kann stimmen. Wir trafen uns noch einige Male. Ich kam einfach nicht los von ihm. Um ehrlich zu sein, ich wollte gar nicht. Ich hoffte nach wie vor, dass er sich eines Tages auch in mich verlieben würde. Dann geschah etwas Eigenartiges.»
«Wann und was?»
«Wann kann ich Ihnen genau sagen, am 1. Mai. Mein Mann hielt am Tag der Arbeit in Bern eine Ansprache, Olivia befand sich mit ihrem Vater in Paris. Wir trafen uns bei ihm im Atelier. Er wirkte verstört, war schon stark betrunken und stammelte etwas wie, es sei halt eben doch nicht so, dass sich nur die Schwachen verlieben würden. Ich konnte gar nicht glauben, was ich da hörte. War es bloss der
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