Tod auf der Themse
»William trug seine Flasche doch immer bei
sich. Er, nicht ich, ging damit in Richard Crawleys Schenke, um sie füllen
zu lassen.« Sie schlang die Arme fester um die Schultern. »Ich
bin sicher, wenn Ihr und dieser fette Coroner Nachforschungen anstellt,
dann werdet Ihr feststellen, daß mein Mann aus der Flasche trank,
ohne eine unangenehme Wirkung zu verspüren. Ja, wie Ihr wißt,
habe auch ich daraus getrunken, und sogar Ihr selbst. Es war kein Gift
darin.«
»Macht Euch nicht
über mich lustig, Madam«, schnappte Athelstan. »Ich werde
Euch sagen, wie es ging. Ihr habt die Flasche genommen, als sie leer war,
und Arsenik hineingetan. Kapitän Roffel füllte sie mit
Usquebaugh. Man mußte schon mehr als einen Schluck nehmen, bis das
Gift am Grund sich vermischte und wirksam werden konnte. Wie Ihr es
geplant hattet, ist das irgendwann geschehen, aber erst, als er auf dem
Meer war. Jeder Apotheker wird Euch sagen, daß Arsen kein Gift ist,
welches auf der Stelle tötet. Es braucht Zeit, bis es sich im Körper
des Opfers angesammelt hat.« Athelstan zuckte die Achseln. »Als
die Flasche hergebracht wurde, habt Ihr sie ausgespült und
gescheuert. Dann habt Ihr Usquebaugh besorgt, sie wieder gefüllt und
zu den Sachen Eures Gemahls gelegt, als sei sie nie dort weggenommen
worden.«
Emma Roffel musterte ihn kühl.
»Der Tod Eures Mannes«,
fuhr Athelstan fort, »war eigentlich Lohn genug für Euch, aber
als Bracklebury Euch den Toten brachte, merktet Ihr, daß da etwas
nicht stimmte. Vielleicht hatte Bracklebury den Töten ein letztes Mal
durchsucht? Oder Ihr habt die Seiten am Ende des Stundenbuches studiert
und herausgefunden, daß ›S.L.‹ nichts anderes bedeutet
als ›secreto loco - an einem geheimen Ort‹? Der letzte
Eintrag war ganz frisch, und daher wußtet Ihr, daß Euer Gemahl
erst vor kurzem etwas Wertvolles in seinen Besitz gebracht und versteckt
haben mußte.« Athelstan fuhr sich mit der Zunge über die
trockenen Lippen. »Es würde nicht schwerfallen,
Bracklebury zum Reden zu bringen; er dachte ja nur daran, dieses Silber zu
finden.«
»Und?« fragte
Emma Roffel mit gespielter Unschuld.
»Ihr wußtet -
Gott weiß, woher - von dem Geheimversteck Eures Mannes, und so habt
Ihr ein unheiliges Bündnis mit Bracklebury geschlossen. Ihr würdet
das Silber finden und mit ihm teilen. Dann würdet Ihr die trauernde
Witwe spielen und Euer kühles Herrin-und-Zofe-Verhältnis mit
Tabitha aufrecht erhalten, bis Ihr beide verschwinden und unter neuem
Namen in irgendeine andere Stadt in England oder Schottland ziehen könntet.«
»Aber ich war in dieser
Nacht nicht auf der God’s Bright Light«, erklärte Emma
Roffel höhnisch. »Ich war in der Kirche von St. Mary Magdalene
und habe um meinen Gemahl getrauert.«
»Unsinn!«
erwiderte Athelstan. »Ihr wart an diesem Tag an Bord. Ihr habt Euch
als eine der Huren verkleidet, und Bracklebury hat Euch in der Kajüte
versteckt, so daß Ihr Eure Sache beginnen konntet -besser gesagt,
Ihr habt nur so getan, denn Ihr wußtet längst, wo das
Geheimversteck war. Bracklebury hat Euch von seiner Verabredung mit Cabe
erzählt, und daß Signale zwischen den Schiffen, aber auch
zwischen ihm und Cabe am Kai hin und her gehen mußten.«
»Aber wie soll ich das
alles getan haben«, beharrte Emma Roffel, »wenn ich doch in
der Kirche um meinen Mann getrauert habe?«
»Das habt Ihr nicht«,
versetzte Athelstan. »Das war Eure Zofe Tabitha. Pater Stephen ist
alt, seine Augen sind schlecht, und Ihr seid keine Kirchgängerin. Ihr habt Tabitha zum Haus des Priesters
geschickt; sie sollte sich für Euch ausgeben. Pater Stephen nahm ihr
ab, daß sie war, wer sie zu sein vorgab. Aber es war Tabitha, die in
der Nacht in der Kirche war.«
»Und die Beerdigung?«
fragte jetzt Tabitha. »Sowohl Mistress Roffel als auch ich waren bei
der Beerdigung, und Pater Stephen war auch da.«
»Oh, das glaube ich
gern.« Athelstan lächelte, als er sah, wie die Zofe ihre kühle
Strenge abgelegt hatte. »Ihr wart beide zugegen, verschleiert und
mit Kapuzenmänteln. Aber du, Tabitha, hast weiter so getan, als wärest
du deine Herrin, und sie spielte die Rolle der Zofe. Ihr habt gewußt,
daß Pater Stephen das alles bald wieder vergessen würde; die
Zeit würde vergehen, und Ihr hattet ja auch vor, die Stadt zu
verlassen. Sollte Pater Stephen dieses Haus
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