Tod auf der Themse
hörte;
schnelle Schritte und eine Stimme, die schrie: »Zuflucht! Christus,
erbarme dich!«
Athelstan stürzte aus
dem Haus und lief zur Vorderseite der Kirche. Ein junger Mann mit bleichem
Gesicht und starren Augen unter dichtem Blondhaar umklammerte den großen
Eisenring an der Kirchentür.
»Zuflucht, Pater!«
keuchte er. »Pater, ich verlange Kirchenasyl! Im Namen Gottes und
Seiner Kirche!«
»Warum?« fragte
Athelstan.
»Mord!«
antwortete der junge Mann. »Aber, Pater, ich bin unschuldig!«
Der Priester musterte den
Mann aufmerksam; sein dickes Wams aus Serge, die flaschengrüne
Wollhose und die Lederstiefel waren mit Dreck und Kot bedeckt.
»Pater!« flehte
der Mann. »Sie werden mich töten!«
Athelstan hörte schnelle
Schritte und die leisen Rufe der Verfolger weiter hinten in der Gasse. Er
zog seine Schlüssel hervor und schloß die Tür auf. Der Flüchtling
stürzte das dunkle Kirchenschiff hinauf und durch den neuen Lettner,
den Huddle geschnitzt und aufgestellt hatte. Er klammerte sich an eine
Ecke des Altars und schrie: »Ich bitte um Zuflucht! Zuflucht!«
Athelstan, gefolgt von dem
stets neugierigen Bonaventura, ging ihm nach. Der Mann saß jetzt mit
dem Rücken an den Altar gelehnt und hatte die Beine vor sich
ausgestreckt; er rang nach Atem und wischte sich mit dem Ärmel seines
Wamses über das schweißnasse Gesicht.
»Ich fordere Asyl!«
keuchte er.
»Nun, dann sollt Ihr es
bekommen, wie das Gesetz der Kirche es befiehlt«, antwortete
Athelstan leise.
Er wandte sich dem Lärm
hinter ihnen zu. Ein Trupp dunkler Gestalten, mit Knüppeln und
Schwertern bewaffnet, stand hinten in der Kirche.
»Bleibt stehen«,
rief Athelstan und trat durch den Lettner. »Was wollt ihr?«
»Wir suchen den Mörder,
den Meuchler, Nicholas Ashby«, knurrte eine Stimme.
»Dies ist das Haus
Gottes«, sagte Athelstan und trat vor. »Master Ashby hat um
Zuflucht gebeten, und ich habe sie ihm gewährt, wie es das kanonische
Recht und der Brauch des Landes erfordern.«
»Scheiß drauf!«
antwortete die Stimme.
Die Gestalten kamen durch das
Kirchenschiff nach vorn. Athelstan verbarg seine Panik und wich nicht zurück.
Sie trugen die fleckige, rot-weiße Livree irgendeines Lords und
wurden von einem vierschrötigen, schnurrbärtigen Mann angeführt.
Drohend kamen sie auf ihn zu, die
Schwerter gezückt, die Knüppel in den Händen. Athelstan
betrachtete ihre gelben Lederwämse und die engen Hosen mit den vorgewölbten
Hosenlätzen; er sah die Schwert- und Dolchscheiden, die an ihren Gürteln
baumelten, und die Art, wie sie ihre Mäntel hinter sich herzogen. Er
sah, daß es Raufbolde waren, gedungene Schergen, die im Auftrag
eines mächtigen Lords unterwegs waren. Er hob die Hand, und sie
blieben wenige Schritte vor ihm stehen.
»Wenn ihr weitergeht«,
sagte er ruhig, »brecht ihr nicht nur Menschengesetz, sondern auch
das Gesetz Gottes. Einen Frevel habt ihr bereits begangen« - er
deutete auf die blanken Schwerter -, »indem ihr mit solchen Waffen
in das Haus Gottes kommt.«
Der Anführer trat vor
und schob sein Schwert in die Scheide, und zu Athelstans Erleichterung
taten die anderen es ihm nach.
»Wie heißt du?«
fragte Athelstan.
»Geht dich nichts an!«
»Gut, Master
Geht-dich-nichts-an«, erwiderte Athelstan, »wenn ihr diese
Kirche nicht verlaßt, werde ich euch auf der Stelle exkommunizieren.
Verbrecher, zum Höllenfeuer verdammt.« Athelstan sah die mürrischen,
arroganten Gesichter der anderen. Zu seiner Freude sah er bei dem einen
oder anderen aufflackernde Angst.
»Komm doch, Marston«,
knurrte einer dem Anführer zu, »soll der kleine Scheißer
sich hinter den Röcken eines Pfaffen verkriechen! Irgendwann muß
er ja hinaus.«
Marston war tollkühn. Er
kam langsam näher, die Hände in die Hüften gestemmt, und
schob sein Gesicht dicht an Athelstan heran.
»Wir könnten dir
in den Arsch treten«, zischte er.
»Wir könnten
diesen kleinen Scheißer rauszerren, ihn umbringen und nachher alles
leugnen.«
Athelstan starrte kühl
zurück, obwohl sich ihm der Magen umdrehte. Er fühlte sich
versucht, Cranstons Namen ins Spiel zu bringen, denn der Geruch von saurem
Schweiß und schalem Parfüm, den dieser Raufbold verströmte,
gefiel ihm ganz und gar nicht. Er betete zum Himmel, daß Watkin, der
Mistsammler, oder Pike, der Grabenbauer, aufkreuzen möchten. Dann
Weitere Kostenlose Bücher