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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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hörte;
     schnelle Schritte und eine Stimme, die schrie: »Zuflucht! Christus,
     erbarme dich!«
    Athelstan stürzte aus
     dem Haus und lief zur Vorderseite der Kirche. Ein junger Mann mit bleichem
     Gesicht und starren Augen unter dichtem Blondhaar umklammerte den großen
     Eisenring an der Kirchentür.
    »Zuflucht, Pater!«
     keuchte er. »Pater, ich verlange Kirchenasyl! Im Namen Gottes und
     Seiner Kirche!«
    »Warum?« fragte
     Athelstan.
    »Mord!«
     antwortete der junge Mann. »Aber, Pater, ich bin unschuldig!«
    Der Priester musterte den
     Mann aufmerksam; sein dickes Wams aus Serge, die flaschengrüne
     Wollhose und die Lederstiefel waren mit Dreck und Kot bedeckt.
    »Pater!« flehte
     der Mann. »Sie werden mich töten!«
    Athelstan hörte schnelle
     Schritte und die leisen Rufe der Verfolger weiter hinten in der Gasse. Er
     zog seine Schlüssel hervor und schloß die Tür auf. Der Flüchtling
     stürzte das dunkle Kirchenschiff hinauf und durch den neuen Lettner,
     den Huddle geschnitzt und aufgestellt hatte. Er klammerte sich an eine
     Ecke des Altars und schrie: »Ich bitte um Zuflucht! Zuflucht!«
    Athelstan, gefolgt von dem
     stets neugierigen Bonaventura, ging ihm nach. Der Mann saß jetzt mit
     dem Rücken an den Altar gelehnt und hatte die Beine vor sich
     ausgestreckt; er rang nach Atem und wischte sich mit dem Ärmel seines
     Wamses über das schweißnasse Gesicht.
    »Ich fordere Asyl!«
     keuchte er.
    »Nun, dann sollt Ihr es
     bekommen, wie das Gesetz der Kirche es befiehlt«, antwortete
     Athelstan leise.
    Er wandte sich dem Lärm
     hinter ihnen zu. Ein Trupp dunkler Gestalten, mit Knüppeln und
     Schwertern bewaffnet, stand hinten in der Kirche.
    »Bleibt stehen«,
     rief Athelstan und trat durch den Lettner. »Was wollt ihr?«
    »Wir suchen den Mörder,
     den Meuchler, Nicholas Ashby«, knurrte eine Stimme.
    »Dies ist das Haus
     Gottes«, sagte Athelstan und trat vor. »Master Ashby hat um
     Zuflucht gebeten, und ich habe sie ihm gewährt, wie es das kanonische
     Recht und der Brauch des Landes erfordern.«
    »Scheiß drauf!«
     antwortete die Stimme.
    Die Gestalten kamen durch das
     Kirchenschiff nach vorn. Athelstan verbarg seine Panik und wich nicht zurück.
     Sie trugen die fleckige, rot-weiße Livree irgendeines Lords und
     wurden von einem vierschrötigen, schnurrbärtigen Mann angeführt.
     Drohend kamen sie auf ihn zu, die
     Schwerter gezückt, die Knüppel in den Händen. Athelstan
     betrachtete ihre gelben Lederwämse und die engen Hosen mit den vorgewölbten
     Hosenlätzen; er sah die Schwert- und Dolchscheiden, die an ihren Gürteln
     baumelten, und die Art, wie sie ihre Mäntel hinter sich herzogen. Er
     sah, daß es Raufbolde waren, gedungene Schergen, die im Auftrag
     eines mächtigen Lords unterwegs waren. Er hob die Hand, und sie
     blieben wenige Schritte vor ihm stehen.
    »Wenn ihr weitergeht«,
     sagte er ruhig, »brecht ihr nicht nur Menschengesetz, sondern auch
     das Gesetz Gottes. Einen Frevel habt ihr bereits begangen« - er
     deutete auf die blanken Schwerter -, »indem ihr mit solchen Waffen
     in das Haus Gottes kommt.«  
    Der Anführer trat vor
     und schob sein Schwert in die Scheide, und zu Athelstans Erleichterung
     taten die anderen es ihm nach.
    »Wie heißt du?«
     fragte Athelstan.
    »Geht dich nichts an!«
    »Gut, Master
     Geht-dich-nichts-an«, erwiderte Athelstan, »wenn ihr diese
     Kirche nicht verlaßt, werde ich euch auf der Stelle exkommunizieren.
     Verbrecher, zum Höllenfeuer verdammt.« Athelstan sah die mürrischen,
     arroganten Gesichter der anderen. Zu seiner Freude sah er bei dem einen
     oder anderen aufflackernde Angst.
    »Komm doch, Marston«,
     knurrte einer dem Anführer zu, »soll der kleine Scheißer
     sich hinter den Röcken eines Pfaffen verkriechen! Irgendwann muß
     er ja hinaus.«
    Marston war tollkühn. Er
     kam langsam näher, die Hände in die Hüften gestemmt, und
     schob sein Gesicht dicht an Athelstan heran.
    »Wir könnten dir
     in den Arsch treten«, zischte er.
    »Wir könnten
     diesen kleinen Scheißer rauszerren, ihn umbringen und nachher alles
     leugnen.«
    Athelstan starrte kühl
     zurück, obwohl sich ihm der Magen umdrehte. Er fühlte sich
     versucht, Cranstons Namen ins Spiel zu bringen, denn der Geruch von saurem
     Schweiß und schalem Parfüm, den dieser Raufbold verströmte,
     gefiel ihm ganz und gar nicht. Er betete zum Himmel, daß Watkin, der
     Mistsammler, oder Pike, der Grabenbauer, aufkreuzen möchten. Dann

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