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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Roffels Lidern gelegen hatten, und seine Augen waren halb offen. Der
     Kinnriemen war entfernt worden, und die Wunde am Hals war ein dunkelroter
     Schnitt. Cranston schaute den Pergamentfetzen an und erkannte, daß
     der Urheber dieser Freveltat seinen Finger zum Schreiben benutzt hatte.
    Da sie sahen, wie überwältigt
     Pater Stephen war, legten sie den Toten behutsam wieder in seinen Sarg.
     Cranston flüsterte, er habe in Frankreich beim Füllen der
     Massengräber Schlimmeres gesehen. Athelstan hingegen, obwohl er schon
     so manchen Todesfall erlebt hatte, zitterte, als er den kalten Leichnam
     berührte, und erwartete halb, er würde gleich zum Leben
     erwachen. Sie legten den Toten so schicklich wie möglich in den Sarg.
     Erst jetzt betrachtete Athelstan das harte Gesicht, die hohen
     Wangenknochen, die dünnen, blutlosen Lippen und den schmalen,
     totenschädelähnlichen Kopf von Kapitän William Roffel.
    »Furchtbar im Leben,
     furchtbar im Tode«, murmelte Athelstan. 
    Er schlug ein Kreuz über
     dem Toten, öffnete dann ohne weitere Umstände die Knöpfe an
     seinem Wams, schlug das leinene Hemd zurück und betrachtete
     aufmerksam den Oberkörper. Jemand hatte den Bauch aufgestochen, damit
     er nicht anschwoll, aber Athelstan sah auch ein paar verräterische,
     mattrote Flecken. Der Ordensbruder lächelte befriedigt und bat
     Cranston mit einem Seufzer der Erleichterung, ihm zu helfen, den Deckel zu
     schließen.
    Cranston deutete auf das Stück
     Pergament.
    »Sollten wir das nicht
     abnehmen?«
    Athelstan zuckte die Achseln.
     »Gott verzeih mir, Sir John, aber darin sehe ich wenig Sinn. Es ist
     ja die Wahrheit. Kapitän Roffel war ein Mann des Teufels. Es war ein
     Akt der Rache, seine Totenruhe zu stören und seine Kehle
     durchzuschneiden.« Sie hatten den Deckel geschlossen. »Aber
     ich sage Euch, er wurde ermordet. Sein Bauch zeigt die verräterischen
     Spuren des Giftes.«
    Sie vergewisserten sich, daß
     die Kirche abgeschlossen war, und führten den noch immer zitternden
     Pater Stephen in sein Haus zurück. Athelstan schenkte ihm einen
     Becher Wein ein, sah, daß er versorgt war, und ging hinaus zu
     Cranston.   
    »Mein verdammter
     Weinschlauch ist leer!« schimpfte der Coroner. »Mir ist
     gleich, was du sagst, Athelstan - ich jedenfalls brauche nach diesem
     Anblick dringend was zu trinken.«
    Der Bruder hakte sich beim
     Coroner unter und führte ihn zurück in die inzwischen verlassene
     Cheapside; sorgfältig steuerte er ihn an Müllbergen vorbei zum
     »Heiligen Lamm Gottes«. Zwei Schluck Rotwein, und Cranston
     entspannte sich und strahlte in die Runde der übrigen Gäste.
    Athelstan war ernster. Er
     packte das Handgelenk des fetten Coroners. »Wir wissen jetzt, daß
     Roffel ermordet wurde, aber von wem, wie und warum, das ist ein Geheimnis.
     Zudem müssen wir der Möglichkeit ins Auge sehen, daß den
     Ersten Maat und seine beiden Kameraden ein
     ähnliches Schicksal ereilt hat.«
    »Glaubst du, Osprings
     Tod hängt auch damit zusammen?«
    Athelstan schüttelte den
     Kopf. »Nein, nein. Bei Ospring handelt es sich um ein Verbrechen aus
     Leidenschaft. Ein Mord, der ohne einen Augenblick des Nachdenkens begangen
     wurde. Dort liegt auch ein Geheimnis. Aber das Geheimnis, das wir aufzuklären
     haben, Sir John, ist die Frage, was auf dieser Reise geschehen ist - wie
     drei kerngesunde Seeleute nachts von ihrem Schiff verschwinden konnten,
     obwohl nach Auskunft des Admirals noch kurz vor Eintreffen des Matrosen
     und seines Mädchens Signale von der God’s Bright Light übermittelt
     wurden.«
    »Du bist der Student
     der Logik«, murmelte Cranston. »Welche Möglichkeiten gibt
     es denn? Man hat uns gesagt, es wäre kein Boot gesehen worden, das zu
     den Schiffen fuhr.«
    »Was ist mit
     Schwimmern?« fragte Athelstan.
    Cranston schüttelte den
     Kopf. »Bruder, stell dir eine Gruppe von sechs bis zehn Mann vor.
     Sie erreichen das Schiff, klettern an Bord, ohne von der Wache bemerkt zu
     werden, und erledigen drei Mann, ohne daß Alarm gegeben wird. Sie
     hinterlassen keine Spur von Gewalt und verschwinden wieder. Aber wir haben
     keine Ahnung, warum sie gekommen sein sollten. Niemand hat sie gesehen,
     und es werden immer noch Lichtzeichen und Parole weitergegeben. Ich kann
     mir nur eine Möglichkeit denken: Die drei Matrosen sind über
     Bord gesprungen.« Cranston blähte die Wangen auf. »Aber
     da bleiben immer noch zwei Probleme. Niemand hat die drei

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