Tod auf der Themse
wie
weich und voll ihre Stimme klang.
»Ihr wart…?«
begann er zögernd.
»Ich war William
Roffels Paramour.« Bernicia hob die Hand und kicherte leise hinter
beringten Fingern. Ihre Nägel waren dunkelviolett bemalt.
»Ah ja.«
Cranstons Unbehagen wuchs. »Und er hat Euch oft besucht?«
Sie spreizte die Hände
und schaute sich im Raum um.
»Kapitän Roffel
hat die Gunst, die ich ihm schenkte, großzügig erwidert.«
»Und habt Ihr ihn
geliebt?« fragte Athelstan.
Wieder das gezierte Kichern
und die schnelle Handbewegung.
»Aber Pater, seid nicht
albern. Wie kann man jemanden wie Kapitän Roffel lieben? Einen
Schurken von Kindsbeinen an! Er war großzügig, und ich war zu
haben.« Sie schürzte die Lippen. »Ihr wißt, daß
er ein ehemaliger Priester war?«
»Was?«
»Ja.« Sie lachte
fröhlich. »Roffel war einmal Kurat in einer Gemeinde bei
Edinburgh. Er geriet in irgendeine unangenehme Sache und mußte seine
Pfarrei ziemlich überstürzt verlassen.«
»Was war das für
eine Sache?«
»Das weiß ich
nicht.«
»Und wo habt Ihr ihn
kennengelernt?« wollte Cranston wissen.
»In einer Schenke.«
»In welcher?«
Sie hob die Schultern.
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Habt Ihr je seine
Gemahlin kennengelernt?«
»Oh je, dieses sauertöpfische
Biest. Nein, niemals.«
»Habt Ihr Kapitän
Roffel etwas gegeben, bevor er auf seine letzte Reise ging?«
»Einen schönen,
dicken Kuß.«
»Und findet Ihr seinen
Tod irgendwie verdächtig?«
»Nein. Der widerliche
Schurke hatte immer schon einen schwachen Magen.« Bernicia zuckte
die Achseln. »Jetzt ist er dahin« - sie flatterte mit den
Wimpern - »und ich bin wieder zu haben.«
»Wißt Ihr etwas
über seine letzte Reise?«
»Nein. Ich war an Bord,
aber sie wollten mich nicht einmal in seine Kajüte lassen, und da bin
ich wieder an Land gegangen.«
»Hatte Roffel Feinde?«
Bernicia schüttelte sich
vor Lachen. »Ich glaube, Sir John, die Frage sollte lauten: ›Hatte
er Freunde?‹ Feinde hatte er überall entlang der Themse.
Roffel mag ein Kapitän des Königs gewesen sein, aber er war außerdem
ein übler Pirat.« Bernicia senkte die Stimme. »Ihr habt
doch sicher die Geschichten gehört? Roffel war es zuzutrauen, daß
er jedes Schiff angriff. So manche einsame Seemannswitwe verflucht ihn des
Nachts vor dem Einschlafen.«
»Wart Ihr an seinem
Sarg in St. Mary Magdalene?« fragte Athelstan. Er hatte Cranstons
Unbehagen bemerkt und musterte die Frau aufmerksam.
»Nein, das habe ich
nicht getan, und ich habe es auch nicht vor.«
Vielleicht war es die Art,
wie sie es sagte und dabei den Kopf zur Seite drehte. Vielleicht hatte
Cranston im Feuerschein auf ihrer Oberlippe ein Haar schimmern sehen, das
von der weißen Schminke nicht ganz verdeckt wurde. Jedenfalls beugte
sich der Coroner plötzlich vor und packte sie beim Knie.
»Na, du bist aber hübsch!«
knurrte er. »Wie heißt du denn wirklich, Bernicia?«
Sie versuchte, sich loszureißen.
Sir Johns Hand wanderte weiter an ihrem Oberschenkel hinauf. Athelstans
warnenden Blick beachtete er nicht.
»Ich habe von
deinesgleichen schon gehört«, sagte er. »Ich frage mich
nur, was ich wohl finden werde, wenn ich meine Hand weiter hinauf zu
deinem süßen Geheimnis bewege?«
Er legte die Hand auf ihre
ziemlich flache Brust, und seine Finger drückten auf den Musselin.
»Bernicia, die Hure«, sagte er. »Du bist keine Frau. Du
bist ein Mann!«
Athelstans Unterkiefer
klappte herunter. Er glotzte erst Bernicia, dann Sir John an. Bernicia sträubte
sich immer noch gegen Sir Johns Griff.
»Die Wahrheit«,
verlangte der Coroner. »Sonst lasse ich die Büttel rufen und
dich ausziehen. Dann kannst du nicht mehr verbergen, was Gott dir
geschenkt hat.« Er beugte sich weiter vor und berührte
Bernicias Haar. »Ich weiß, wo du Roffel kennengelernt hast«,
fuhr er fort. »In der Schenke »Zur Meerjungfrau‹, unten
bei St. Paul’s Wharf. Wie heißt du wirklich? Komm schon, wie
heißt du?«
»Mein Name ist
Rogeratte-Southgate.«
Athelstan bekam den Mund
nicht mehr zu.
»Ich habe früher
als Kajütenjunge bei Roffel gedient. Ich war und bin eine Frau in
einem Männerkörper.« Bernicia schaute ins Feuer. »Ich
habe die Huren immer beneidet - wie sie sich bewegten, die Kleider, die
sie tragen konnten, die Erregung, die sie bei den Matrosen hervorriefen.
Und dann,
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