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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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verschwinden
     sehen, und die Signale wurden weiterhin gegeben. Wenn sie das Schiff verlassen
     haben, müssen sie es fast im selben Augenblick getan haben, als der
     Matrose und seine Dirne kamen, aber das wäre bemerkt worden.«
     Cranston schob seinen Becher von sich. »Ich bin müde, Bruder.«   
    »Meint Ihr, wir sollten
     nach Hause gehen?«
    »Nein.« Cranston
     raffte seinen Mantel zusammen. »Wir müssen noch einen weiteren
     Besuch machen: bei Roffels kleiner Hure oder Mätresse. Vielleicht
     kann sie ein wenig Licht ins zunehmende Dunkel bringen.«
    Während Athelstan und
     Cranston im »Heiligen Lamm Gottes« saßen, bewegte sich
     ein von Kopf bis Fuß in Schwarz gekleideter Mann leise durch den
     Korridor eines Hauses an der Ecke Lawrence Lane und Catte Street. Seine
     Bewegungen waren geschmeidig, und die Lumpen, die um seine Lederstiefel
     gewunden waren, machten seine Schritte unhörbar. Seine Faust
     umklammerte einen Ledersack, und durch die Augenlöcher seiner Maske
     spähte er aufmerksam zu den kostbaren Kerzenleuchtern hinüber,
     die er auf einem Tisch am Ende des Ganges sehen konnte. Silbernes Filigran
     glänzte im Dunkeln.
    Der Dieb lächelte
     zufrieden. Wie immer hatte er alles sorgfältig geplant. Der alte
     Trottel Cranston würde nie herausfmden, wie es ihm gelang, in die
     verlassenen Herrschaftshäuser zu kommen, ohne eine Spur von
     gewaltsamem Eindringen zu hinterlassen. Er blieb vor dem Tisch stehen,
     nahm die Kerzenleuchter und steckte sie vorsichtig in seinen Ledersack.
     Verstohlen ging er weiter und kam an einer Tür vorbei, die sich in
     diesem Moment öffnete. Eine junge Magd mit schlaftrunkenen Augen kam
     heraus. Offenbar spürte sie, daß etwas nicht stimmte, denn sie
     fuhr herum und erblickte den Dieb im Schein der Kerze, die sie trug. Sie ließ die Kerze fallen und
     öffnete den Mund, um zu schreien, aber der Mann stürzte sich auf
     sie. Er drückte ihr die Hand auf den Mund und rammte ihr ein dünnes
     Stilett in die Brust. Die Augen des Mädchens weiteten sich vor
     Entsetzen und Schmerz. Sie sträubte sich, aber der Dieb preßte
     sie an die Wand. Er zog den Dolch heraus und stach noch einmal zu. Das Mädchen
     hustete. Er fühlte, wie ihr heißes Blut durch seinen Handschuh
     drang. Dann sank sie gegen ihn und sackte langsam zu Boden.
    Sir John und Athelstan
     klopften an die Tür des Hauses in der Poultney Lane neben der Schenke
     »Zum Löwenherz«. Niemand antwortete, und so klopfte
     Cranston noch einmal. Diesmal hörten sie schnelle Schritte. Eine
     zarte, ziemlich hübsche Stimme fragte: »Wer ist da?«
    »Sir John, Coroner der
     Stadt London, und Bruder Athelstan, sein Secretarius.«
    Schlüssel drehten sich,
     Riegel wurden zurückgeschoben. Eine junge rothaarige Frau in einem
     maulbeerfarbenen Kleid stand im Türrahmen. Sie hielt ein Laternenhorn
     in die Höhe und streckte ihnen ein schmales, blasses Gesicht
     entgegen.
    »Was wollt Ihr? Was
     kann ich für Euch tun?«
    »Ihr kanntet Kapitän
     William Roffel?«
    Die von schwarzer Schminke
     umringten Augen blinzelten. Athelstan war fasziniert von den rot bemalten
     Lippen, die sich grell von der bleichen Haut der Frau abhoben.
    »Euer Name ist
     Bernicia?« fragte er. »Dürfen wir hereinkommen?«
    Das Mädchen nickte und
     winkte sie herein. Durch einen gemauerten Gewölbegang kamen sie in
     eine behagliche kleine Stube. Sie hieß die beiden willkommen und
     schenkte ihnen zwei Becher Wein ein, während Cranston und Athelstan
     sich im Zimmer umschauten. Alles war hübsch und ordentlich; auf
     kleinen, blanken Tischen lagen Leinendecken, der Boden war mit osmanischen
     Teppichen bedeckt, und am Kamin blinkten Feuerzangen hell im Licht der
     Flammen. Die Luft war schwer von einem Moschusparfüm, vermischt mit
     dem Duft der Kerzen und der kleinen, geschlossenen Kohlenbecken, von denen
     eins in jeder Ecke des Zimmers stand.
    »Ihr lebt recht
     behaglich, Miss Bernicia.«
    Die junge Frau zuckte die
     Achseln und lächelte. Cranston musterte sie eingehend. Jede ihrer
     Bewegungen war elegant. Sie schwenkte die Hüften, während sie in
     ihren hochhackigen Pantoffeln umherging. Als sie sich hinsetzte und die
     Beine übereinanderschlug, zog sie ihr Kleid herunter, aber nicht so
     weit, daß sie damit die elfenbeinweißen Unterröcke und
     die scharlachrot und golden gewirkten Strümpfe verborgen hätte.
     Sie beugte sich vor.
    »Was kann ich also für
     Euch tun, Ihr Herren?«
    Cranston hörte,

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