Tod auf der Themse
öffentlich
exkommuniziert wurde, muß ein christliches Begräbnis so schnell
wie möglich gewährt werden.«
»Hat sie Klagehelfer
beauftragt? Ihr wißt schon, Leute, die die Totenwache halten?«
»Sie und ihre Zofe
waren dabei, als der Tote in die Kirche kam. Dann gingen sie fort.
Mistress Roffel kehrte kurz vor Mitternacht zurück, und ich erlaubte
ihr, bis zum Morgengrauen hierzubleiben.«
Cranston schaute dem alten
Priester über die Schulter und zwinkerte Athelstan zu. Aber Pater
Stephen war flinker, als er aussah, und bemerkte den Blick.
»Kommt schon, alter
Gauner, was wollt Ihr?«
»Pater, ist es möglich,
daß wir uns die Leiche ansehen?«
Der Priester rieb sich den
Mund. »Das ist gegen das Kirchenrecht«, antwortete er langsam.
»Wenn ein Verstorbener einmal verhüllt im Sarg liegt …«
»Gott würde es so
wollen«, unterbrach Athelstan ihn leise. »Pater Stephen, ich
schwöre Euch als ein Bruder im Amt, es sind vielleicht schreckliche
Verbrechen begangen worden.«
»An Roffel?«
»Ja«, antwortete
Athelstan knapp. »Er ist möglicherweise ermordet worden.«
Pater Stephen stand auf und
griff nach seinem Mantel. Dann zündete er eine Laterne an und gab sie
Athelstan.
»Als ich Cranston vor
mir sah«, murrte er, »da wußte ich gleich, es gibt
Ärger, verdammt.«
Cranston und Athelstan
knurrten Entsprechendes zurück und folgten dem alten Priester hinauf
auf den kalten, windigen Kirchhof. Pater Stephen schloß die Kirchentür
auf, und sie traten ein. Athelstan schwor später, er werde niemals
den Anblick vergessen, der ihn erwartete. Im Kirchenschiff war es finster
und kalt. Als sie zum Altar gingen, ließ das Flackerlicht der
Laterne alles nur noch gespenstischer erscheinen. Alle drei blieben
stehen, als ein loser Fensterladen zuschlug, und Cranston fluchte.
»Das dürfte nicht
sein«, flüsterte Pater Stephen. Er nahm Athelstan die Laterne
ab und ging an den Säulen vorbei in den Transept. Dort blieb er
stehen und schaute hinauf zu dem Laden, der gegen das Mauerwerk schlug.
»Die habe ich alle zugemacht«, erklärte Pater Stephen
über die Schulter, und seine Stimme hallte hohl durch die Kirche.
»Hier gibt es kein Glas; also kann jeder herein.«
Athelstan ging zu ihm, nahm
ihm die Laterne ab und hielt sie dicht über den Boden. »Ob es
Euch gefällt oder nicht, Pater: Ihr habt ungebetenen Besuch gehabt.
Seht Ihr die Lehmspuren und die Reste von trockenem Laub?« Er bewegte
die Laterne. »Da, ein verblaßter Fußabdruck.«
»Oh nein«, stöhnte
Pater Stephen. »Sagt nicht, sie haben mir wieder den Altar geplündert.«
Im Laternenschein sah sein Gesicht gespenstisch aus. »Oder
Schlimmeres«, flüsterte er. »Die Herren der Kreuzwege,
die Schwarzen Magier, sind stets auf der Suche nach geweihten Gefäßen
für ihre blasphemischen Rituale. Kommt schon! Kommt!«
Sie eilten durch die Kirche;
Athelstans Sandalen klatschten auf dem Steinboden, als sie durch den
Lettner traten.
Nicht so großartig wie
meine Kirche, dachte Athelstan, aber dann betete er hastig um Vergebung für
solche kindischen Gedanken. Pater Stephen schob sich langsam vorwärts,
und der Lichtkreis der Laterne ging ihm voraus.
»Ich kann nichts Ungewöhnliches
entdecken«, rief er.
Athelstan erkannte die
undeutlichen Umrisse des Sarges und der sechs großen violetten
Kerzen, die darumstanden. Sie gingen näher heran. Athelstan schnappte
nach Luft - der Sarg stand zwar noch auf seinen Böcken, aber der
Deckel war aufgeklappt. Und der Sarg war leer. Die weißen Leintücher
schimmerten im matten Licht.
»Bei den Zitzen der Hölle!«
flüsterte Cranston.
Pater Stephen eilte zum Altar
und zündete mit einem Kienspan die Kerzen an. Athelstan schaute sich
im Altarraum um.
»Oh Gott, sieh dir das
an!« rief Cranston.
Athelstan spähte in die
Richtung, in die der Coroner deutete. Auf dem schweren, geschnitzten
Apsisstuhl hing der Leichnam Kapitän Roffels. Seine Kehle war durchgeschnitten, und jemand
hatte ihm ein Stück Pergament an die Brust gesteckt und mit Blut das
Wort MÖRDER daraufgeschrieben.
Bei diesem Anblick war Pater
Stephen so überwältigt, daß er schluchzend auf die
Altarstufen sank. Cranston und Athelstan nahmen zwei Kerzen vom Altar und
näherten sich behutsam der grausigen Leiche, die in grotesker Haltung
schlaff auf dem Stuhl saß. Man hatte die Pennys weggenommen, die auf
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