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Tod auf der Themse

Tod auf der Themse

Titel: Tod auf der Themse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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öffentlich
     exkommuniziert wurde, muß ein christliches Begräbnis so schnell
     wie möglich gewährt werden.«
    »Hat sie Klagehelfer
     beauftragt? Ihr wißt schon, Leute, die die Totenwache halten?«
    »Sie und ihre Zofe
     waren dabei, als der Tote in die Kirche kam. Dann gingen sie fort.
     Mistress Roffel kehrte kurz vor Mitternacht zurück, und ich erlaubte
     ihr, bis zum Morgengrauen hierzubleiben.«
    Cranston schaute dem alten
     Priester über die Schulter und zwinkerte Athelstan zu. Aber Pater
     Stephen war flinker, als er aussah, und bemerkte den Blick.
    »Kommt schon, alter
     Gauner, was wollt Ihr?«
    »Pater, ist es möglich,
     daß wir uns die Leiche ansehen?«
    Der Priester rieb sich den
     Mund. »Das ist gegen das Kirchenrecht«, antwortete er langsam.
     »Wenn ein Verstorbener einmal verhüllt im Sarg liegt …«
    »Gott würde es so
     wollen«, unterbrach Athelstan ihn leise. »Pater Stephen, ich
     schwöre Euch als ein Bruder im Amt, es sind vielleicht schreckliche
     Verbrechen begangen worden.«
    »An Roffel?«
    »Ja«, antwortete
     Athelstan knapp. »Er ist möglicherweise ermordet worden.«
    Pater Stephen stand auf und
     griff nach seinem Mantel. Dann zündete er eine Laterne an und gab sie
     Athelstan.
    »Als ich Cranston vor
     mir sah«, murrte er, »da wußte ich gleich, es gibt
     Ärger, verdammt.«
    Cranston und Athelstan
     knurrten Entsprechendes zurück und folgten dem alten Priester hinauf
     auf den kalten, windigen Kirchhof. Pater Stephen schloß die Kirchentür
     auf, und sie traten ein. Athelstan schwor später, er werde niemals
     den Anblick vergessen, der ihn erwartete. Im Kirchenschiff war es finster
     und kalt. Als sie zum Altar gingen, ließ das Flackerlicht der
     Laterne alles nur noch gespenstischer erscheinen. Alle drei blieben
     stehen, als ein loser Fensterladen zuschlug, und Cranston fluchte.
    »Das dürfte nicht
     sein«, flüsterte Pater Stephen. Er nahm Athelstan die Laterne
     ab und ging an den Säulen vorbei in den Transept. Dort blieb er
     stehen und schaute hinauf zu dem Laden, der gegen das Mauerwerk schlug.
     »Die habe ich alle zugemacht«, erklärte Pater Stephen
     über die Schulter, und seine Stimme hallte hohl durch die Kirche.
     »Hier gibt es kein Glas; also kann jeder herein.«
    Athelstan ging zu ihm, nahm
     ihm die Laterne ab und hielt sie dicht über den Boden. »Ob es
     Euch gefällt oder nicht, Pater: Ihr habt ungebetenen Besuch gehabt.
     Seht Ihr die Lehmspuren und die Reste von trockenem Laub?« Er bewegte
     die Laterne. »Da, ein verblaßter Fußabdruck.«
    »Oh nein«, stöhnte
     Pater Stephen. »Sagt nicht, sie haben mir wieder den Altar geplündert.«
     Im Laternenschein sah sein Gesicht gespenstisch aus. »Oder
     Schlimmeres«, flüsterte er. »Die Herren der Kreuzwege,
     die Schwarzen Magier, sind stets auf der Suche nach geweihten Gefäßen
     für ihre blasphemischen Rituale. Kommt schon! Kommt!«
    Sie eilten durch die Kirche;
     Athelstans Sandalen klatschten auf dem Steinboden, als sie durch den
     Lettner traten.
    Nicht so großartig wie
     meine Kirche, dachte Athelstan, aber dann betete er hastig um Vergebung für
     solche kindischen Gedanken. Pater Stephen schob sich langsam vorwärts,
     und der Lichtkreis der Laterne ging ihm voraus.
    »Ich kann nichts Ungewöhnliches
     entdecken«, rief er.
    Athelstan erkannte die
     undeutlichen Umrisse des Sarges und der sechs großen violetten
     Kerzen, die darumstanden. Sie gingen näher heran. Athelstan schnappte
     nach Luft - der Sarg stand zwar noch auf seinen Böcken, aber der
     Deckel war aufgeklappt. Und der Sarg war leer. Die weißen Leintücher
     schimmerten im matten Licht.
    »Bei den Zitzen der Hölle!«
     flüsterte Cranston.
    Pater Stephen eilte zum Altar
     und zündete mit einem Kienspan die Kerzen an. Athelstan schaute sich
     im Altarraum um.
    »Oh Gott, sieh dir das
     an!« rief Cranston.
    Athelstan spähte in die
     Richtung, in die der Coroner deutete. Auf dem schweren, geschnitzten
     Apsisstuhl hing der Leichnam Kapitän Roffels. Seine Kehle war durchgeschnitten, und jemand
     hatte ihm ein Stück Pergament an die Brust gesteckt und mit Blut das
     Wort MÖRDER daraufgeschrieben.
    Bei diesem Anblick war Pater
     Stephen so überwältigt, daß er schluchzend auf die
     Altarstufen sank. Cranston und Athelstan nahmen zwei Kerzen vom Altar und
     näherten sich behutsam der grausigen Leiche, die in grotesker Haltung
     schlaff auf dem Stuhl saß. Man hatte die Pennys weggenommen, die auf
    

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