Tod auf der Themse
eines Nachts, stellte ich fest, daß es noch andere wie
mich gab.«
»Wenn die Sheriffs dir
auf die Spur kommen«, warnte Cranston, »dann werden sie dich
wegen Sodomie in Smithfield verbrennen! Ist es nicht so, Pater?«
Athelstan war sprachlos. Er
schaute Bernicia genauer an und sah den Ausdruck von Verlorenheit und
Niedergeschlagenheit in ihrem Blick. Athelstan blinzelte. Er betrachtete
sie immer noch als Frau, ganz gleich, was Sir John oder sie selbst sagen
mochte. Eine Woge des Mitgefühls durchströmte ihn. In seiner
Zeit als Novize und in den Feldlagern in Frankreich war er Männern
begegnet, denen es gefiel, sich als Frauen benutzen zu lassen, aber nie
hatte er einen getroffen, der sich verkleidete und die Rolle so überzeugend
spielte.
»Dein Geheimnis ist bei
uns sicher«, sagte er sanft. »Sir John und ich sind nicht
gekomen, um dir Schmerzen zuzufügen, auch wenn du in eine
schwerwiegende Sünde verwickelt bist.«
»Tatsächlich,
Pater? Mit einem Mann wie Roffel? Die Sorte kenne ich, soweit ich mich zurückerinnern
kann. Es macht ihnen Spaß, mich wie eine Frau zu benutzen; warum
wirft man mir vor, was andere aus mir gemacht haben? Oh ja, und Priester
waren auch darunter. Solch sonderbare Bettvergnügen gefielen ihnen
sehr.«
Athelstan hob die Hand.
»Ich bin weder dein Richter noch dein Beichtvater.«
»Das hätte auch
wenig Sinn«, sagte Bernicia. »Ich brauche sie beide nicht.
Einen Gott gibt es nicht, und wenn doch, so hat er uns vergessen.«
Bernicia verlagerte ihr Gewicht auf dem Stuhl. »Roffel brachte mir
immer kostbare Geschenke - Finger mit Ringen daran, und einmal auch ein
Ohr mit einem kleinen Goldreifen. Er saß dann da, wo Ihr jetzt
sitzt, Pater, und prahlte mit seinen Taten. Wie er seine Mannschaft
betrogen hatte, seinen Geschäftspartner Ospring, sogar seine
langweilige Frau.«
»Warst du gestern abend
noch einmal auf dem Schiff?« fragte Cranston unvermittelt.
Bernicia wandte den Blick ab.
»Lüg jetzt nicht!
Warst du noch einmal da?«
»Ja. Na ja, zumindest
am Kai. Ich wollte nachsehen, ob Roffel Wertsachen zurückgelassen
hatte. Er hatte stets eine volle Geldbörse und einen kleinen Koffer
mit Flitterkram. Ich dachte, der Erste Maat würde mich vielleicht
noch einmal an Bord lassen.«
»Und warum bist du nur
bis zum Kai gekommen?« fragte Cranston.
»Weil kein Boot da war,
das mich zum Schiff übersetzen konnte. Ich habe allerdings hinübergerufen.«
»Und?«
»Einer von der Wache muß
mich gehört haben, denn der Erste Maat kam.«
»Um welche Zeit war
das?« fragte Athelstan.
»Oh, das war gegen
Mitternacht. Ich dachte, da sei es ungefährlich. Der Kai ist um diese
Zeit meistens menschenleer - alle Nachtschwärmer sind nach Hause
gegangen oder zu betrunken, um sich noch um mich zu kümmern.«
»Und was geschah?«
»Der Maat kam an die
Reling. Er war betrunken, schwenkte nur seinen Becher und schrie: ›Verpiß
dich!‹«
»Seltsam«, meinte
Cranston nachdenklich. »Das nächste Schiff war das des
Admirals, die Holy Trinity, und er hat uns nichts von irgendeiner Störung
erzählt.«
»Ich berichte nur, was
ich gesehen habe.« Bernicia zog ein Gesicht. »Aber etwas war
schon merkwürdig.«
»Was denn?«
fragte Athelstan.
»Na ja, ich stand am
Kai; es war einsam, kalt und windig. Mir wurde klar, wie töricht es
gewesen war, dort auch nur hinzugehen. Als ich mich nun abwandte, sah ich
- da gibt es keinen Zweifel - eine Gestalt im Torbogen eines der Lagerhäuser
stehen. Sie hatte sich bewegt.«
»Da bist du sicher?«
»Oh ja. Man hörte
die üblichen nächtlichen Geräusche am Kai - das Geraschel
der Ratten, das Plätschern des Wassers …, aber ich hörte
ein Scharren, als habe jemand ein Schwert gezogen oder trage sonst etwas
Metallenes bei sich. Und ich bin sicher, wer immer sich da versteckte,
wollte das Schiff beobachten. Ich rief, aber niemand antwortete, und so
lief ich hastig weg.«
»Und das ist alles, was
du gesehen und gehört hast?«
»Ja, ja, das ist alles.«
»Hast du jemals
jemanden von Roffels Mannschaft kennengelernt?
»Oh, ich kannte sie nur
aus der Distanz. Wenn sie den Kapitän an Land begleiteten, hielt
Rolfel mich meist von ihnen fern.«
»Und Sir Henry Ospring?«
»Nein. Aber Roffel
bekam Briefe von Ospring, in denen dieser ihn beschuldigte, einen Teil des
Gewinns zu unterschlagen.«
»Und
Weitere Kostenlose Bücher