Tod auf der Themse
Magdalene eingebrochen ist.«
Cranston lehnte sich zurück.
»Trübes Wasser«, brummte er. »Und je mehr wir darin
rühren, desto mehr Schlamm kommt an die Oberfläche.« Er
wackelte mit dem Finger. »Aber eines versichere ich Euch:
Bracklebury hält sich in der Stadt verborgen. Aus irgendeinem Grund
glaubt er, man habe ihn betrogen.« Er ließ seine Worte wie
eine Henkersschlinge in der Luft hängen. »Ich halte es für
möglich«, fügte er leise hinzu, »daß
Bracklebury noch einmal mordet. Mistress Roffel, meine Herren, wir sind
fertig mit Euch. Sir Jacob - Bruder Athelstan und ich werden heute abend
Eure Gäste sein.«
Der Coroner nahm demonstrativ
noch einen Schluck aus seinem Weinschlauch, um seine Verachtung für
die Seeleute zu zeigen; er hielt sie allesamt für Lügner. Dann
drückte er den Stopfen wieder in den Schlauch, ohne Crawley eines
Blickes zu würdigen, und rührte sich erst wieder, als die Tür
sich hinter seinen widerstrebenden Gästen geschlossen hatte.
»Nun, was meinst du,
Bruder?«
»Ein Gewirr von Lügen.«
Athelstan erhob sich. »Wir sollten Sir Jacob Crawleys Einladung
annehmen. Ach, Sir John, habt Ihr Euch um die andere Sache gekümmert?«
»Ja.« Cranston
klopfte sich auf den Bauch. »Morgen macht Theobald de Troyes eine
kurze Reise aufs Land. Sein Haus läßt er in der Obhut seines
Verwalters und der Bediensteten zurück.«
»Gut.« Athelstan
nagte verdrossen an der Unterlippe. »Diese Lügen und
Geheimnisse fangen an, mich zu ärgern, Sir John. Ich schlage vor, wir
gehen jetzt zum Hafen hinunter. Dieses zu
Unrecht God’s Bright Light genannte Schiff birgt den Schlüssel
zu diesem Rätsel.«
»Was schlägst du
denn vor, Bruder? Daß wir an Bord gehen und Roffels Kajüte
durchsuchen?«
»Aye, und daß wir
sie, wenn nötig, ganz auseinandernehmen.«
»Du denkst an das
Silber?«
»Ja, Sir John, ich
denke an das Silber.«
Cranston hatte keine Einwände.
»Aber wir wissen doch, daß die Kajüte an dem Morgen, als
Bracklebury und die Matrosen vermißt wurden, nicht in Unordnung
gebracht worden war.«
»Nein, Sir John, das
hat man uns nur erzählt. Doch von jetzt an müssen wir nach dem
Grundsatz handeln, daß alles, was man uns erzählt hat, möglicherweise
gelogen war.«
Sie verließen das
Rathaus. Der Himmel hatte sich bewölkt, und ein kalter Nieselregen
setzte ein. Sie gingen die Bread Street hinunter, stets auf der Hut vor
dem Wasser aus löchrigen Regenrinnen und vor den schlüpfrigen
Schlammpfützen auf der Straße. Es war eine ungemütliche
Wanderung durch Trinity, die Vintry und zum Dock hinunter. Zu ihrer Überraschung
trafen sie dort ein reges Treiben an. Boote mit Bogenschützen und
Soldaten fuhren zu den Schiffen, die in der Strommitte ankerten. Von
Crawleys Flaggschiff, der Holy Trinity, hörte man eine Trompete.
Cranston nahm einen Hauptmann beim Arm, der seine Bogenschützen anbrüllte,
während sie in Kapuzenmänteln gehüllt auf die wartenden
Barken hinunterkletterten.
»Was ist denn Mann?
Warum diese Aufregung?«
Der Offizier drehte sich um.
Athelstan sah kurzgeschnittenes Haar, graue Augen und ein hartgesottenes, regennasses Gesicht. Der Mann
musterte Cranston von Kopf bis Fuß.
»Was geht Euch das an,
Sir?«
»Ich bin John Cranston,
der Coroner der Stadt!«
Der Mann zwang sich zu einem
respektvollen Lächeln. »Dann werdet Ihr die Neuigkeit bald
erfahren, Sir John. Französische Galeeren sind in der Themsemündung
aufgekreuzt. Sie haben bereits ein Schiff gekapert und auf der Insel
Thanet ein Dorf abgebrannt.«
Cranston pfiff durch die Zähne
und spähte zu den Kriegskoggen hinaus. Durch den Regen sah er, daß
alle Schiffe ihre Waffen bereitmachten.
»Sind die Franzosen
denn eine ernsthafte Bedrohung?« fragte Athelstan.
Cranston gab keine Antwort.
Er starrte auf den Fluß hinaus und dachte an die flach gestreckten,
wolfsähnlichen Galeeren des Feindes. Sie konnten sich in einen
kleinen Hafen oder einen Fluß hinauf schleichen - bemannt mit den besten französischen
Seeleuten und Söldnern, hatten sie in den Küstenstädten Rye
und Winchelsea schon schrecklichen Schaden angerichtet. Die Besatzungen
hatten geplündert und gebrandschatzt und jeden Bewohner getötet,
der ihnen in die Hände gefallen war.
»Wie viele Galeeren
sind es?« fragte Cranston den Offizier.
»Das weiß Gott,
Sir John. Aber sicher mehr als
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