Tod auf der Themse
als ich einen umdrehte, verfluchte er mich auf Englisch. Dann hörte
ich, wie Roffel in der Kajüte mit jemandem redete. Ich bin sicher, daß
der andere auch englisch sprach. Jemand schrie, und dann kam Roffel
heraus; er grinste von einem Ohr zum anderen und hatte ein Bündel
Papiere in der Hand, womöglich das Logbuch und die Frachtpapiere. Wir
nahmen ein Faß Wein, das wir unter
Deck fanden. Roffel befahl, das Boot anzuzünden. Dann warf er die
Papiere ins Feuer, und wir segelten weiter.«
»Ist das alles?«
fragte Athelstan.
Peverill spreizte die Hände.
»Was sollte da sonst noch sein, Pater? Oh, ich gebe zu, im Rückblick
schien da schon etwas Verdächtiges im Gange zu sein, aber Roffel war
ein verschlagener, skrupelloser Hund, der nach seinem eigenen Gesetz
handelte.«
»Die Besatzung bestand
aus Franzosen«, überlegte Athelstan, »aber es waren Engländer
an Bord. Es muß also aus unserer Garnison in Calais gekommen sein.«
»Ja, ja«, räumte
Coffrey ein und schaute betreten in die Runde. »Aber Roffel war ein
Mann, der sich um solche Feinheiten nicht weiter kümmerte.«
»Und wie hat…?«
Athelstan brach ab, als Cranston auf seinem Stuhl nach hinten kippte und
laut aufschnarchte. Entsetzt starrte er seinen fetten Freund an, und dann
wurde er rot, als weiter unten am Tisch jemand kicherte.
»Der Kerl ist besoffen!«
flüsterte Cabe.
»Sir John ist nicht
besoffen!« fauchte Athelstan. »Nur müde, erschöpft
nach harter Arbeit. Also stelle ich Euch meine Frage, Master Cabe, und ich
stelle sie rundheraus: Wißt Ihr, ob von diesem Boot mehr als nur ein
Faß Wein und ein paar Papiere geraubt wurde?«
Cabe schüttelte den
Kopf.
»Nicht mehr?«
Cabe hob die rechte Hand.
»Ich nehme es auf meinen Eid. Peverill sagte es schon: Die ganze
Sache war verdächtig. Roffel war vergnügt wie ein Ferkel im
Mist, aber der Teufel weiß, warum.«
»Wer unter den
Anwesenden hatte denn Zugang zu Roffels Kajüte?« fragte
Athelstan. »Oder, einfacher gefragt: Wer hatte Gelegenheit, in die
Flasche, die er bei sich trug, Arsen zu schütten?«
»Nur Bracklebury«,
antwortete Cabe. »Der Kapitän hat seine Flasche eifersüchtig
bewacht. Wenn er sie nicht bei sich trug, versteckte er sie.« Er lächelte
schmal. »Vielleicht sollten wir Bracklebury fragen?«
»Oh, das werde ich tun.«
Cranston klappte die Augen auf und schmatzte. »Bracklebury wird ab
jetzt gejagt, Master Cabe.« Der Coroner lächelte, als er die
erstaunten Gesichter sah. »Ach, das habe ich zu erwähnen
vergessen: Gestern nacht wurde Roffels Hure Bernicia in ihrem Haus brutal
ermordet - oder sollte ich sagen, in seinem Haus? Jedenfalls hat der Mörder
alles auf den Kopf gestellt, als suche er etwas. Wir glauben, daß
Bernicia sich am Abend in einer geheimen Wirtschaft mit einem Seemann
getroffen hat und daß sie zusammen dort weggegangen sind.«
»Bracklebury lebt noch?«
flüsterte Emma Roffel.
Crawley rührte sich am
anderen Ende des Tisches. »Aber, Sir John, ich dachte, er ist
entweder tot oder desertiert? Wieso springt er vom Schiff und versteckt
sich dann in London?«
»Vielleicht könnt
Ihr uns da helfen, Sir Jacob«, schlug Cranston vor; seine Miene
zeigte keinerlei Mitgefühl für seinen ehemaligen Freund.
»Wie meint Ihr das?«
stotterte Crawley.
»Ihr habt doch
behauptet, Ihr seid in der Nacht, als Bracklebury verschwand, an Bord
Eures Flaggschiffes, der Holy Trinity, geblieben?«
Crawley stand jäh auf.
»Sir John, Bruder Athelstan - ein Wort unter uns!«
Athelstan sah Cranston an,
und der zuckte die Achseln.
»Vielleicht draußen«,
murmelte Cranston.
Er und Athelstan standen auf
und gingen hinaus in den zugigen Korridor. Sir Jacob kam zu ihnen und
schloß die Tür hinter sich.
»Ich weiß, was
Ihr sagen werdet«, stammelte Crawley. »Aber, Sir John, Ihr müßt
mir glauben. Ich bin ein ehrlicher Mann, doch ich lehne es ab, mich vor
meinen Leuten verhören zu lassen.« Er scharrte mit den Füßen.
»Um Gottes willen, ich habe meine Ehre. Vielleicht möchtet Ihr
und Bruder Athelstan heute abend an Bord meines Schiffes mit mir speisen?«
»Wenn Ihr gutes Essen
serviert«, antwortete Cranston, »kommen wir - und um die
Wahrheit zu hören. Aber jetzt kommt; ich habe den anderen noch ein
paar Fragen zu stellen.«
Sie kehrten in das
Sitzungszimmer zurück, wo ihre unfreiwilligen Gäste in mürrischem
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