Tod auf der Themse
kein Grund, uns zu beleidigen,
Sir John.«
Cranston schnippte mit den
Fingern zu Coffrey, dem Zahlmeister, hinüber.
»Habt Ihr das Logbuch
mitgebracht?«
»Sir John«,
winselte der Mann, »Ihr habt es Euch doch angesehen, als Ihr das
erste Mal bei uns wart.«
»Nun, dann will ich es
noch einmal ansehen. Und ich habe Fragen an Euch alle.«
Coffrey schob ihm das in
Kalbsleder gebundene Buch herüber. Cranston, der unter buschigen
Brauen hervor mit halbem Auge den Admiral beobachtete, klappte das Buch
auf und blätterte die wasserfleckigen Pergamentseiten um. Die
Eintragungen waren durchaus unauffällig - die tägliche Position
des Schiffes, die ergatterte Beute, gelegentliche Alarme oder sonstige
Zwischenfälle an Bord. Cranston klappte das Buch zu, ließ aber
seinen dicken Zeigefinger als Lesezeichen darin stecken und starrte Sir
Jacob an.
»Kapitän Roffel
stand unter Eurem Kommando?«
»Theoretisch ja«,
antwortete der Admiral. »Aber er hatte eindeutige Befehle. Er sollte
den Englischen Kanal befahren, feindliche Schiffe angreifen und englischen
Unterstützung geben, wenn sie sie brauchten. Doch stand es ihm frei,
zu kapern und als Prise zu nehmen, soviel er konnte.«
Cranston lächelte.
»Wenn das so ist, warum findet sich dann hier keine Erwähnung
von einem Fischerboot, anscheinend französisch, das vor Calais
gekapert wurde? Das Schiff wurde versenkt, die Besatzung umgebracht. Ich
glaube, es wollte nach Dieppe.«
»Roffel hat viele
Schiffe gekapert«, winselte Coffrey.
»Ja«, sagte
Cranston, »aber solltet Ihr die nicht alle ins Log eintragen? Warum
habt Ihr dieses ausgelassen?«
»Es war doch nur ein
Fischerboot«, sagte Cabe. »Kaum mehr als ein schwimmendes Stück
Holz mit einem Segelfetzen.«
Cranston funkelte ihn
wutschnaubend über den Tisch hinweg an.
»Ihr seid ein
verdammter Lügner!« brüllte er. »Es waren Männer
an Bord, die keine Franzosen waren! Zumindest nicht alle!«
»Es geht hier um
Hochverrat«, erklärte Athelstan sanft. »Wenn man uns
nicht die Wahrheit sagt, sind wir zu der Schlußfolgerung gezwungen,
daß Ihr an Roffels frevelhaftem Treiben als Komplizen beteiligt
wart.«
Emma Roffel wollte sich
erheben.
»Das alles geht mich
nichts an«, erklärte sie und raffte ihren Mantelsaum hoch.
»Sir John, ich bitte Euch - ich habe genug durchgemacht.«
»Mylady«, sagte
Athelstan taktvoll, »es geht Euch sehr wohl etwas an. Wollt Ihr
nicht wissen, wer Euren Mann ermordet hat?« Er lächelte, und
Emma Roffel setzte sich wieder.
»Es stimmt schon«,
erklärte jetzt Tostig Peverill, »wir haben vor Calais ein
Fischerboot aufgebracht.« Er blinzelte und rieb sich die Augen.
»Calais ist in englischer Hand, aber wir dachten, es sei ein französisches
Schiff - die pendeln manchmal zwischen den Küstenstädtchen hin
und her.« Er deutete auf das Logbuch. »Bei genauerem Hinsehen
war es jedoch offenkundig, daß Roffel das Boot erwartet hatte. Seht
Ihr, wir hatten mit starkem Gegenwind zu kämpfen, mit einem böigen
Nordwest, und wir hätten vor dem Wind laufen sollen. Aber Roffel
bestand darauf, auf das Festland zuzuhalten, und hielt die französische
Küste immer dicht über dem Horizont. Und an dem Tag, als wir das
Fischerboot kaperten, ließen wir größere Schiffe
unbehelligt davonsegeln. Erst als das Boot erschien, nahm Roffel Kurs
darauf.« Peverill sah sich unter seinen Kameraden um. »Gebt’s
doch zu«, drängte er, »wir alle fanden es verdächtig.
Es war nur ein Fischerboot, aber als wir längsseits gekommen waren,
befahl Roffel meinen Bogenschützen, zu schießen, als wäre
es eine gottverdammte Kriegskogge. Und dann setzte er sich selbst an die
Spitze des Entertrupps.«
»Wie groß war die
Besatzung?« fragte Athelstan.
»Nicht mehr als sechs,
sieben Mann«, antwortete Peverill. »Als wir an Deck kamen,
waren sie alle schon verwundet oder tot. Roffel wütete wie ein Stier
und stürmte auf die Kajüte zu.« Der Schiffsprofoß
schwieg.
»Was weiter?«
fragte Cranston.
»Wir anderen haben das
Boot nicht geentert«, warf Cabe ein. »Nur Peverill, der Kapitän
und fünfzehn Bogenschützen.«
»Aber es ist etwas
geschehen«, drängte Athelstan. »Master Peverill?«
Peverill schloß die
Augen, bevor er weitersprach. »Ich sagte schon, die Besatzung war
entweder verwundet oder tot. Ich dachte, es wären Franzosen - aber
Weitere Kostenlose Bücher