Tod auf der Themse
nicht. Dann versuchte er es in die andere Richtung,
und diesmal merkte er, daß sich die Platte ein Stückchen
bewegte. Er drehte den Haken weiter, wie um ihn abzuschrauben, und die
Platte lockerte sich und löste sich schließlich ganz. Dahinter
war eine Höhlung im Balken. Athelstan schob die Hand hinein. Seine
Finger berührten weiche Holzspäne und dann einen kalten, harten
Gegenstand. Er bekam ihn mit zwei Fingern zu fassen und zog ihn heraus.
Eine Silbermünze lag auf seiner Handfläche.
Er hörte, wie ein Boot längsseits
kam; hastig schraubte er den Haken wieder an den Pfosten und ging dann zu
Cranston, um ihn zu wecken.
»Sir John!«
zischte er. »Um Gottes willen, wacht auf, Sir John.«
Der Coroner öffnete die
Augen und schmatzte.
»Einen Becher Roten«,
hauchte er. »Eine Pastete mit Rindfleisch und Zwiebeln, und ich will
sofort die Kerlchen sehen.«
»Um Himmels willen, Sir
John!« Athelstan schüttelte ihn. »Wir sind noch auf dem
Schiff.«
Cranston rieb sich das
Gesicht und kam mühsam auf die Beine.
»Was zum Teufel…?«
Er sprach nicht weiter, als Athelstan ihm das Silberstück vor die
Augen hielt.
»Du Frettchen von einem
Ordensbruder! Du kleines Frettchen!« Cranston gluckste, packte
Athelstan fest bei den Schultern und küßte ihn auf beide
Wangen.
Athelstan wußte nicht,
ob er sich die schmerzenden Schultern reiben oder sich das Gesicht
abwischen sollte. Er zeigte auf die Laterne. Cranston ging breitbeinig hinüber;
er sah immer noch schlaftrunken aus.
»Da drin? Das ist ein
blöder Ort!«
»Nein, Sir John. Hinter
der Befestigungsplatte des Hakens befindet sich ein kleiner Hohlraum. Was
immer Roffel von dem Fischerboot geraubt hat, hat er dort aufbewahrt, aber
jetzt ist es weg.«
»Aha!« hauchte
Cranston. »Das paßt alles zusammen.«
Athelstan steckte die Silbermünze
ein, als es an der Tür klopfte. Southchurch trat ein.
»Ich habe Sir Jacob
mitgeteilt, daß Ihr hier seid«, sagte er, »und er hat
einen Boten geschickt. Er möchte Euch trotz des Alarms heute abend
als Gäste auf der Holy Trinity begrüßen.«
Cranston schaute an sich
herunter. »Ich würde mich ja gern umziehen«, sagte er und
grinste dann, »doch ich sehe wohl in jeder Kleidung stattlich aus.«
Er strich mit dem Finger über die Stoppeln an Athelstans Kinn.
»Was man von dir nicht gerade sagen kann, Brüderchen. Aber komm
- ich sterbe vor Hunger, und Crawley kann ein guter Gastgeber sein.«
*
Dichter Nebel legte sich
über den Fluß, und das hektische Treiben des Nachmittags
erstarb. Die Kunde von den französischen Galeeren hatte die Stadt
erreicht, und die Kirchenglocken läuteten bereits Alarm. Viele
Schenken wurden geschlossen. Sogar die Huren verzogen sich auf die
Ostseite der Southwark Bridge; sie vertrauten darauf, daß die Brücke
eine natürliche Barriere sein würde, sollten die Galeeren die
Themse heraufkommen. Eine Abordnung von Händlern begab sich nach
Westminster, um vor dem Kronrat gegen dieses neuerliche Anzeichen für
den Niedergang englischen Geschicks zu protestieren. Die Selbstsüchtigeren
begannen, ihre Habe zu verstecken und kostbare Gegenstände in eiserne
Kassetten zu legen. Es wurde dunkel. Der Kai lag verlassen da; nur der
Menschenfischer und seine Phantome spähten jetzt aus finsteren Gassen
und schmutzigen Gängen, die zur Themse hinunterführten. Die
seltsamen Augen des Menschenfischers funkelten bei der Aussicht auf
Gewinn. Wenn auf dem Fluß gekämpft wurde, dann konnte man
Leichen aus dem Wasser fischen; man konnte ihnen die Geldbörsen
abschneiden und bei den Behörden der Stadt hohe Gebühren
kassieren. Er und seine vermummte Schar schlichen sich am Steelyard vorbei
nach Queen’s Hithe. Dort standen sie am Kai und spähten zu den
Schiffen hinaus. Der Menschenfischer drehte sich um.
»Gut! Gut!«
wisperte er heiser. »Wir müssen uns bereithalten. Bleibt an der
Uferböschung und behaltet das Wasser im Auge.« Er gluckste.
»Wie heißt es in der Schrift? Die Tiefe wird ausspeien ihre
Reichtümer.« Seine Miene wurde wieder ernst. »Oh ja,
meine Schönen. Mutter Themse hat viele Geheimnisse.«
Er verbarg den aufflackernden
Ärger, als er die Lichter der God’s Bright Light erkannte. Der
Menschenfischer fühlte sich betrogen. Drei Seeleute waren von dieser
Kogge verschwunden. Er hatte von dem Mord an Bernicia und vom Verschwinden
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