Tod auf der Themse
Schweigen warteten. Athelstan verstand, warum Emma Roffel so verschlossen
war, aber er spürte, daß auch die Seeleute eine Menge zu
verbergen hatten.
»Wir wissen«,
begann Athelstan, als Sir Jacob und Cranston ihre Plätze wieder
eingenommen hatten, »daß sich an Bord der God’s Bright
Light etwas Geheimnisvolles zugetragen hat. Peverills Geschichte von der
Gespensterfurcht der Mannschaft hat sicher einen wahren Kern - Bracklebury
wollte aus eigenen Gründen, daß alle Mann das Schiff verließen.
Mit einer Laterne gab er jemandem, der sich am Kai versteckt hielt,
irgendwelche Zeichen. Und wer könnte das gewesen sein?«
»Das ist ja
ungeheuerlich!« erregte sich Cabe. »Bracklebury war der Erste
Maat! Er befahl uns, das Schiff zu verlassen, und wir gingen von Bord. Da
könnt Ihr meine Kameraden fragen. Wir haben die Nacht hindurch zusammen gefeiert.
Ich sage es ehrlich: Wir haben auf Roffels Tod angestoßen. Aber
keiner von uns ist zum Kai zurückgegangen.«
»Ja, ja, ja«,
unterbrach Cranston gereizt. »Doch das Rätsel bleibt bestehen,
Master Cabe. Ich glaube, daß Bracklebury an Bord blieb, um etwas zu
suchen.«
»Was denn, zum
Beispiel?« Vincent Minter, der Schiffsarzt, der die ganze Zeit
über mit schmalen Lippen dagesessen hatte, meldete sich jetzt zu
Wort. »Was denn, Sir John? Anscheinend wißt Ihr etwas, das wir
nicht wissen; warum also sagt Ihr uns nicht, was es ist, statt zu
versuchen, uns eine Falle zu stellen?«
Cranstons weißer Bart
schien zu einem eigenen Leben zu erwachen. Athelstan legte die Feder hin
und berührte sanft das Handgelenk des Coroners.
»Laßt es mich
erklären«, sagte er und schaute in die Runde. »Wir wissen
aus einer anderen Quelle, daß Kapitän Roffel auf dem
Fischerboot eine große Summe Silber raubte, die vom Schatzamt an die
Agenten des Königs in Calais geschickt worden war, als
Bestechungsgeld oder als Entlohnung für Spione, die in den französischen
Städten operieren. Roffel wußte, daß das Geld unterwegs
war. Deshalb überfiel er das Schiff und ermordete die Besatzung,
einschließlich zwei treuer Diener des Königs.«
Athelstan beobachtete die
Gesichter seiner Zuhörer aufmerksam. Er spürte, daß er
sich Stück für Stück der Wahrheit näherte.
»Roffel war glücklich
über dieses Verbrechen«, fuhr Athelstan fort. »Er brachte
das Silber an Bord der God’s Bright Light und versteckte es dort.
Wir nehmen an, daß Bracklebury es nach Roffels Tod suchen wollte.«
Athelstan nahm seine Feder und klopfte damit auf das Pergament. »Nun,
ich dachte mir angesichts all dieser Fakten - und Fakten sind es
daß Bracklebury das Silber vielleicht gefunden hat und damit
geflohen ist. Aber das ist anscheinend nicht der Fall. Offenbar hat er
nichts gefunden und ist vom Schiff geflohen, nachdem er die beiden
Matrosen ermordet hatte. Vermutlich glaubte er sich betrogen, und sein
Verdacht fiel auf die Hure Bernicia; deshalb brachte er sie um und
durchsuchte ihr Haus.« Athelstan spreizte die Hände und lächelte.
»Es sind vielleicht nur Mutmaßungen, aber ich bin sicher, daß
Roffel dieses Silber gestohlen hat.« Er zuckte die Achseln. »Und
danach kommen die Fragen. Wer hat Roffel ermordet? Wo ist das Silber
jetzt? Warum ist Bracklebury geflohen? Warum hat er Bernicia ermordet?«
Er starrte Emma Roffel über den Tisch hinweg an. »Mistress
Roffel, jetzt begreift Ihr wohl, warum man Euch hergebeten hat.«
Die Frau betrachtete die
Schiffskameraden ihres toten Mannes verachtungsvoll. »Bruder
Athelstan, ich kann Euch nicht helfen«, sagte sie dann. »Ich
weiß von diesen Dingen nichts. Mein Mann war sehr geheimniskrämerisch,
was seine Geschäfte betraf. Was weiß ich - er kann seine Reichtümer
überall in der Stadt versteckt haben.«
Cranston beugte sich vor.
»Sagt, Bracklebury war es doch, der den Leichnam Eures Gatten und
seine Habe zu Euch nach Hause brachte. Ist es nicht so?«
Sie nickte.
»Hat Bracklebury dabei
etwas zu Euch gesagt?«
»Nein, er war ziemlich
schweigsam und verschlossen und hat mich nicht sehr respektvoll behandelt.
Wenn Tabitha nicht eingeschritten wäre, hätte er den Leichnam
und die Tasche auf der Straße liegengelassen.« Sie senkte den
Kopf. »Ja, ich habe sogar gesehen, wie er auf den Toten gespuckt hat.«
Finster sah sie Cranston an. »Vielleicht war es ja Bracklebury, der
in die Kirche St. Mary
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