Tod Auf Der Warteliste
als Filter hier unten eingerichtet hatte, war in den letzten Jahren immer länger geworden und reichte an diesem Morgen bis zum anderen Ende des Raums. Mühsam drückte er sich hindurch und achtete darauf, daß die Hundeleine sich nicht zwischen den vielen Beinen verhedderte.
Es war Viertel nach zehn, als er sein Büro betrat.
»Da bist du ja endlich«, sagte Marietta mit müdem Gesicht. »Ich sage Sgubin Bescheid.«
»Geht’s besser?« fragte Laurenti, doch Marietta hatte schon den Hörer am Ohr und blätterte mit einer Hand in den Unterlagen. Er ging hinüber, machte die Leine los und warf einen Blick auf die Post auf seinem Schreibtisch. Cluzot ließ sich mit einem Ächzen auf seinem Platz vor der Heizung nieder und seufzte tief.
»Hier sind wir.« Marietta war mit einem Block bewaffnet, Sgubin murmelte einen Gruß. Sie setzten sich an den Besuchertisch.
»Was wollt ihr?«
»Du hast uns für zehn zu einer Besprechung bestellt. Gestern. Jetzt ist es fast halb elf. Also erteile uns bitte die Abreibung, damit wir es hinter uns haben und an die Arbeit gehen können.«
»Was für ein herzlicher Ton!« Laurenti stand auf und stellte sich ganz nah an den Tisch und legte seine Fingerspitzen auf die Platte. »Ich möchte euch eine große Sensation mitteilen: Ich werde mich heute mit Živa Ravno zum Mittagessen treffen. Da seid ihr baff! Wenn gewünscht, wird auch das Lokal noch bekanntgegeben. Es gibt keine Geheimnisse diesbezüglich, auch wenn ich von Menschen umgeben bin, die das vermuten. Aber das ist eine Frage des Charakters. Meine Frau weiß übrigens, daß die Oberstaatsanwältin in Triest ist. Sie ist um elf beim Staatsanwalt, danach tauschen wir uns aus. Den Hinweis auf Petrovacs Entlassung habe ich von ihr. Und ich erzähle euch das, obwohl es euch nichts angeht.«
»Das habe ich mir schon gedacht«, sagte Marietta. »Jedesmal, wenn du eine Neuigkeit aus Jugo erzähltest, sagtest du vorher, daß du später kommst als erwartet, und das Display zeigte einen Anruf aus dem Ausland an. Dreimal die Woche.«
»Es gehen Gerüchte um, daß ich angeblich ein Verhältnis mit Frau Ravno habe. Diese Gerüchte kommen aus meinem engsten Umfeld. Ich habe gestern abend lange darüber nachgedacht, wie ich damit umgehen soll. Es macht keinen Sinn, eine Inquisition zu betreiben. Man würde mir ohnehin nicht die Wahrheit sagen. Aber jeder soll wissen, daß ich im Bilde bin. Was in diesen Räumen besprochen wird, geht niemand außerhalb etwas an. Wenn man mich hier abschießt, dann wird das auch für euch unangenehm. Wir arbeiten zu lange zusammen, als daß ein möglicher Nachfolger damit einverstanden sein könnte, euch zu übernehmen. Und jetzt will ich nichts mehr davon hören. Wie sieht es mit den Anfragen aus?«
Marietta und Sgubin schwiegen betreten. Laurenti hatte sie abgefertigt, ohne Widerspruch zuzulassen. Sgubin war empört, biß aber die Zähne zusammen und schaute bitter zum Fenster hinaus. Es war ungerecht von Laurenti, ihn der Illoyalität zu verdächtigen. Marietta dachte an das lange dunkle Haar, das sie erst vor einigen Tagen von Laurentis Jackett gezupft hatte.
»Hotels? Labor? Filme?«
»An den Hotels bin ich dran.« Marietta schaute ihn nicht an.
»Und ich überprüfe die Liste der Telefonate der letzten Monate. Die Ergebnisse des Labors kommen noch heute morgen und die Abzüge von den Filmen auch.«
Laurenti nickte. »Nur eines noch. Der Hund wird mich auch künftig begleiten. Und jetzt an die Arbeit.«
Er setzte sich an den Schreibtisch, während seine beiden Assistenten das Büro verlassen wollten.
»Einen Augenblick.« Laurenti schaute von den Unterlagen auf. »Sgubin, hast du bei deinem ersten Besuch in ›La Salvia‹ eigentlich das Büro Lestizzas durchsucht?«
Sgubin schüttelte den Kopf.
»Marietta, bereite gleich einen Untersuchungsbefehl vor, geh zu Scoglio und laß ihn unterschreiben und hol danach umgehend die Genehmigung des Untersuchungsrichters ein. Gleich.« Er wartete ein paar Sekunden, fügte ein langes »Bitte« an und sagte: »Ich will Galvano dabeihaben, wenn wir hochfahren. Halb fünf. Und wehe, es erfährt jemand davon.«
Laurenti fühlte sich miserabel. Er war, ohne es zu wollen, zum Lügner geworden. Und seine engsten Mitarbeiter mußten darunter leiden. Hoffentlich geht die Bombe nicht los, dachte er, denn dann würden sie mich zerfetzen.
*
An diesem Morgen klingelte sein Telefon schon um sieben Uhr. Ramses nahm schlaftrunken ab, doch war er
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