Tod auf Ormond Hall
sonderlich wohl und hat eine Tablette genommen."
"Ich werde nach dem Frühstück nach ihr sehen", erwiderte M ichelle. Auch wenn sie keinen Appetit hatte, nahm sie sich eine Scheibe Toast.
"Das sollten Sie lieber nicht tun, Miss Bryant. Wenn Lady Pa tricia Migräne hat, ist es besser, sie nicht zu stören. Dann duldet sie nur Mistreß White um sich."
"Danke für die Warnung, Mary." Michelle lächelte ihr zu.
"Guten Morgen, Darling!" Kevin Ormond trat durch die Terrassentür.
Michelle zuckte heftig zusammen. "Ich dachte, du wärst gar nicht hier", sagte sie.
"Ich muss auch gleich wieder fort", erwiderte ihr Verlobter. Er küsste sie auf die Wange, dann setzte er sich ihr gegenüber an den Tisch und bat Mary, ein zweites Gedeck zu bringen. "Ich wollte nur nach dir sehen", fügte er hinzu und nahm zärtlich Michelles Hand. "Wie hast du geschlafen?"
"Gut", hörte sich die junge Frau sagen.
Er sah sie an. "Aber irgend etwas stimmt nicht mit dir." Er tippte gegen ihre Nasenspitze. "Inzwischen kenne ich dich gut genug, um das feststellen zu können."
Michelle wartete, bis Mary das Zimmer verlassen hatte, bevor sie die halbe Münze, die sie auf ihrem Nachttisch gefunden hatte, aus ihrer Rocktasche zog. "Kennst du sie?"
Kevin griff nach der Münze. "Ob ich sie kenne?" Er drehte sie zwischen den Fingern. "Nein", sagte er und gab sie ihr so rasch zurück, als hätte er sich an ihr die Finger verbrannt. "Woher hast du sie?"
Michelle sagte es ihm. "Ich habe keine Ahnung, wie sie dahi ngekommen sein könnte", fügte sie hinzu und legte die Münze auf den Tisch. "Aber es gibt noch etwas Seltsames. Sie zog ihren Teil der Münze aus der Tasche. "Ich besitze sie seit meiner Kindheit, Kevin. Pass auf." Blitzschnell fügte sie die beiden Teile zusammen.
"Das gibt es doch nicht!“, stieß der junge Mann hervor. Er stand auf und trat hinter sie.
"Genau das meine ich." Sie blickte zu ihm auf. "Sieht es nicht aus, als seien die beiden Teile einmal eins gewesen?"
"Auf den ersten Blick schon, Darling", meinte Kevin und nahm wieder Platz. "Andererseits muss es nichts bedeuten. Diese Mü nzen werden zu Hunderten bereits geteilt verkauft. Jede Hälfte wird sich mit anderen zusammenfügen lassen."
"Du meinst, die beiden Hälften sind Standardware?" Michelle konnte nicht recht daran glauben.
"Genau das will ich damit sagen." Er zwinkerte ihr zu. "Gib zu, du hast schon irgendein düsteres Geheimnis in deiner Vergangenheit vermutet." Er lachte. "Ich wusste schon immer, dass du eine kleine Abenteuerin bist."
"Und wie kommt die halbe Münze auf meinen Nachttisch?" Michelle war nicht so schnell bereit aufzugeben. Vielleicht hatte Kevin recht und es bedeutete überhaupt nichts, dass die beiden Hälften zueinander passten, aber damit waren noch lange nicht alle Fragen geklärt.
"Das wüsste ich allerdings auch gerne", meinte er nachdenklich. Er hob die Schultern. "Aber verlass dich darauf, es wird eine ganz einfache Erklärung dafür geben." Er trank in langsamen Schlucken seinen Tee. "Was hast du heute Vormittag vor?"
"Ich werde mir die Ruine ansehen." Michelle musste wieder daran denken, wie sie in der Nacht etwas Weißes auf das alte G emäuer hatte zuschweben sehen. "Sag mal, Kevin, wer benutzt hier eigentlich Cloe?"
Ihr Verlobter atmete tief durch. "Was ist das?“, fragte er und griff nach seiner Tasse, obwohl sie leer war.
"Soll ich dir Tee nachschenken?"
"Nein, danke." Er stellte die Tasse wieder ab.
"Cloe ist ein Parfüm", erklärte ihm Michelle. "Nancy, meine Freundin in Athen, benutzt es. Gestern kam mir vor, als würde ich auch hier diesen Duft wahrnehmen."
Kevin lachte etwas gezwungen. "Tut mir leid, aber für Parfüms habe ich mich noch nie interessiert", sagte er. "Allerdings muss ich zugeben, dass das Parfüm, das du benutzt, genau deinem Typ en tspricht. Ich rieche es immer wieder gerne." Er stand auf. "Ich muss gehen, Darling. Sicher wartet man schon auf mich." Er küsste sie im Nacken. "Bis zum Lunch bin ich zurück."
Michelle holte sich eine Jacke aus ihrem Zimmer und verließ das Haus. Sie schlug den Weg zur Ruine ein. Die beiden halben Münzen trug sie in ihrer Rocktasche bei sich. Sie wusste selbst nicht warum, aber es erschien ihr wichtig, sie in Zukunft stets bei sich zu h aben.
Vorsichtig ging sie zwischen den Ruinen hindurch zum Turm. Kevin hatte ihr erzählt, wie er und Edward hier während ihrer Kindheit gespielt hatten. Auch für Thomas schien die Ruine in den Ferien ein Tummelplatz zu sein. Er
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