Tod den alten Göttern
Zeit wird sie von Tag zu Tag gereizter. Wahrscheinlich liegt es daran, dass ihr Geliebter
sie verlassen hat.«
»Es ziemt sich nicht, über solche Dinge zu tratschen, Cnucha«, tadelte sie Fidelma.
Das Mädchen gab sich zerknirscht. »Es ist mir so rausgerutscht, Lady. Brónach ist eine nette Frau, auch recht hübsch – traurig
für sie, dass sie ihren Mann verloren hat. Ich wundere |224| mich, dass sie nicht wieder geheiratet hat. Dabei könnte sie viele Verehrer haben. Bis vor ein paar Wochen hat sie bestimmt
einen Liebhaber gehabt, nicht dass sie jemals darüber gesprochen hätte oder dass wir etwas Genaues wissen, aber es fällt auf,
dass sie seit kurzem richtig unleidlich und garstig ist.«
Sie merkte an Fidelmas Gesichtsausdruck, dass sie ungehalten war, und schwieg einen Moment.
»Verzeihung, es ist nur, weil …, tut mir leid.« Sie drehte sich um und huschte fort, um den ihr erteilten Auftrag zu erledigen.
»Nun wissen wir, an wen wir uns zu wenden haben, wenn wir glauben, Redereien und Gerüchte könnten uns weiterhelfen«, schmunzelte
Eadulf.
»Beweismaterial brauchen wir, Eadulf, und keine Gerüchte.«
Er verdrehte die Augen und sagte fromm und gottesfürchtig: »Auch im harmlosen Geschwätz verbirgt sich Wahrheit, wie du immer
sagst.«
» Vir sapit qui pauca loquitur
«, hielt sie dagegen. »›Weise ist der Mann, der wenig spricht‹«. Doch schon besann sie sich, blickte Eadulf an und meinte
spitzbübisch: »Vielleicht passt es andersherum doch besser?« Er überlegte noch, worauf sie hinauswollte, da war sie schon
unterwegs zum Küchengebäude, und er folgte ihr.
In den fünf Königreichen war es bei allen größeren Holzhäusern üblich, dass die
ircha
, die Küche, hinten lag und ein gesondertes Gebäude war. Das hatte etwas mit der Hitzeentwicklung der offenen Feuer zu tun
und dem möglichen Funkenflug von erhitztem Öl; leicht konnte es zu einem Großbrand kommen, der das ganze Gebäude in Schutt
und Asche legte. Es gab genügend Beispiele von im Haus verursachten Bränden, die Menschenleben gekostet und ganze Familien
dahingerafft hatten.
|225| Sie betraten den großen Küchenraum, in dem zwei Männer mit der Essenzubereitung beschäftigt waren. Eine schier unerträgliche
Hitze entströmte zwei Kochstellen, hinzu kam der durchdringende Geruch von Kräutern und heißen Speisen. Fidelma schaute sich
um, konnte aber Bruder Rogallach nicht entdecken. Einer der Männer, der auf einem Tisch mit einer derben Holzplatte Schweinebraten
schnitt, blickte auf, legte sein großes scharfes Messer zur Seite und kam auf sie zu.
»Kann ich irgendwie behilflich sein?«, fragte er ehrerbietig. »Ich bin Torpach, der Koch.«
Fidelma sagte ihm, wen sie suchte.
»Bruder Rogallach ist in der Vorratskammer. Er macht eine Bestandsaufnahme unserer Vorräte. Du findest ihn hinter der Tür
dort.«
Im Hinausgehen hielt sie der Koch mit seiner Frage zurück. »Verzeihung, Lady, du bist gewiss die
dálaigh
, die eigens hergekommen ist, um den Mord an Sechnussach zu klären.«
»Die bin ich«, bestätigte sie.
»Er war ein guter Mann. Auch ein guter Koch. Oft war er hier unten in der Küche, um das eine oder andere Gericht zuzubereiten.
Selbst am Tage vor seinem Tod war er noch am frühen Morgen hier. Ich kam zeitiger, weil ich zu tun hatte, und überraschte
ihn. Er sagte, er hätte nicht schlafen können, der Ärmste, und deshalb sei er gekommen, um sich selbst sein Frühstück zu machen.
Ein anderer Herr hätte seine Diener gescheucht, um das für ihn zu tun. Es war das letzte Mal, das ich ihn gesehen habe. Möchte
wissen, weshalb Dubh Duin ihn umgebracht hat.«
Fidelma lächelte ihn aufmunternd an. »Um das herauszufinden, bin ich ja hier, Torpach. Danke für deine Anteilnahme. Ich denke,
wir werden bald wissen, woran wir sind.«
Die Vorratskammer war ein von der Küche abgetrenntes |226| Nebengelass ohne eine Feuerstelle. Die beim Kochen sich entwickelnde Hitze hätte sonst leicht die Lebensmittel verderben können.
Sie mussten über einen Hof, der hinter der Küche lag. In seiner einen Ecke befand sich ein mittelgroßer Trockenofen, ein
aith
, den man für das Trocknen von Korn und anderem Getreide zum Brotbacken nutzte. Ihm gegenüber stand ein etwas größerer viereckiger
Holzbau. Er hatte keine Fenster und nur eine Tür, die leicht angelehnt war. Das konnte nur die Vorratskammer sein.
»Bruder Rogallach?«, rief Fidelma, als sie davorstanden.
Keine
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