Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
schien, ob sie öffnen sollte.
Was sollte sie sagen? Dass sie in friedlicher Absicht kämen? Als seien sie die Zeugen Jehovas?
Vera hatte Zweifel, was die friedliche Absicht betraf.
Jana Tempel war ein harter Knochen.
Einladungen zum Kaffeekränzchen waren wohl kaum in den kleinen versiegelten Kuverts.
Die Tür öffnete sich und ein gebeugter alter Mann stand vor ihnen. „Bechterewsche Krankheit“, sagte er, „eigentlich bin ich einsachtzig groß.“
Was wollte er ihnen damit sagen? Dass er keinesfalls unterlegen war, falls es zum Kampf kommen sollte?
„Wir haben etwas für Sie“, sagte Nick in einem Ton, der zu enthusiastisch war, um echt zu sein. Er klang, als kämen sie von einer Telefongesellschaft, die Kunden warb.
Vera trat ihm auf den Fuß. Ohne Tischdecke ging es leichter.
„Ich bin Vera Lichte“, sagte sie, „Herr Kaleschke?“
Der alte Mann nickte. Er sah aus, als habe er früher geboxt.
„Eine alte Freundin schickt uns zu Ihnen.“
Kaleschke sah alarmiert aus.
Vera nahm das cremefarbene Kuvert aus der Tasche.
„Jana Tempel“, sagte Vera.
„Kommen Sie rein“, sagte Hans Kaleschke.
Er schlurfte voran, und Vera und Nick traten in ein Zimmer, das aussah, als ob es unter Wasser sei. Das ohnehin karge Endjanuarlicht wurde gedämpft durch grüne Vorhänge, die zugezogen waren. Ein Aquarium bestimmte den Raum.
Ein Dutzend Fische schwammen an die Scheibe, als sie sich näherten. Vera hätte keinen einzigen benennen können.
Goldfische waren nicht dabei.
Der Alte drehte sich um und bot ihnen das Sofa an.
„Was will sie?“, fragte er.
Vera setzte sich und wäre fast am Boden angekommen. Das Velourteil war ein wenig durchgesessen.
„Jana Tempel“, sagte Kaleschke. Es klang, als kaue er Buchstabe für Buchstabe durch.
Vera gab ihm das Kuvert, das er befingerte, bevor er es aufriss. Es explodierte nicht. Kaleschke las.
Was steht drin, hätte Vera gerne gefragt. Sie schwieg und hoffte, dass er von selber spräche.
„Sie überschätzt sich“, sagte Kaleschke, „sich und ihr Geld.“ Er sah Vera an. Nick ignorierte er.
„Ich kenne den Inhalt des Schreibens nicht“, sagte Vera.
Sie blickte zu Nick, der immer noch stand und die Fische betrachtete und keine Hilfe war. Sie wollte ihn gerade still verfluchen, als er sich zu Kaleschke umdrehte. „Gibt es einen Grund, Jana Tempel zu hassen?“, fragte er.
Der alte Mann sah aus, als ersticke er im nächsten Moment an den Worten, die er nicht sagte.
„Geld gegen Schweigen“, sagte er schließlich, „das ist doch nichts Neues.“
„Nur Schweigen?“, fragte Nick.
„Gehen Sie jetzt“, sagte Hans Kaleschke. „Ich werde mich mit der Dame in Verbindung setzen.“
Als sie zur Tür gingen, hatte Vera den Eindruck, dass sie schlurfte wie Kaleschke. Der kleine Auftrag von Gustavs guter alter Freundin fing an, sie niederzuziehen.
„Leontine“, sagte Kaleschke, „die suchen Sie doch auch.“
Vera nickte.
„Die lebt auf eine der Inseln. Amrum glaube ich.“
Warum gab er das preis?
„Die Kleine“, sagte Kaleschke. Es klang zärtlich.
Dann schloss er die Tür.
„Da hast du aber Glück gehabt“, sagte Nick, „Vera und ich sind gerade zurückgekommen.“ Er hatte noch die karierte Jacke aus den kanadischen Wäldern an und die Tüte von Kruizenga im Moment erst in die Küche getragen.
Vera hatte auf Kruizenga bestanden. Teurer Laden, den Nick sonst nicht betrat. Aldi hätte es auch getan.
Danke, hatte Vera gesagt, ich bin schon deprimiert.
Sie konnte ein grässlicher Snob sein.
Pit sah aus, als sei er stundenlang durch Schnee und Eis gelaufen. Dabei schneite es nur leicht in Hamburg.
„Ich bin von der Osterstraße zu Fuß gekommen“, sagte er.
„Warum denn das?“, fragte Vera, die angefangen hatte, die Tüte auszupacken.
Pit ging zu ihr und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Vera sah ihn überrascht an. „Auto kaputt“, sagte Pit.
„Gibt doch Bahnen und Busse“, sagte Nick.
Vera sagte lieber nichts von Taxis. Die Debatte, ob Aldi oder Feinkosthändler hatte ihr gereicht.
„Ich hatte Krach mit meinem neuen Kollegen“, sagte Pit, „sonst wäre ich in seinen nagelneuen Mondeo gestiegen.“
War da tatsächlich Neid in seiner Stimme?
„Eine Dienstwagen-Affäre“, sagte Vera, „habt ihr euch deswegen verkracht?“
„Nein. Er hat eine Wohnung durchsucht und versiegelt, ohne das mit mir abzusprechen.“
Pit nahm den Korkenzieher, den Vera neben eine Flasche Wein gelegt hatte. „Soll ich den
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