Tod einer Göttin (Vera-Lichte-Krimi) (German Edition)
seiner Söhne, Jon und Joris, hielten sich in Delft und London auf. Jockel saß auf Java. Musste diese Familie so kosmopolitisch sein?
Engelenburg fühlte sich einsam.
Er faltete das Blatt Papier, tackerte es zusammen und schrieb Veras Namen darauf. Er beschloss, drüben bei ihr zu klingeln. Ein paar Worte sprechen.
Anni öffnete und strahlte und hatte Nicholas auf dem Arm und führte ihn gleich in die Küche. Ihm gelang gerade noch, das Papier auf den kleinen Tisch im Flur zu legen.
Dann hatte er auch schon einen Kostowitsch von den Königsberger Klopsen auf dem Teller.
War das nicht Geborgenheit?
„Beste Blutergebnisse“, sagte Anni, „ganz selten in meinem Alter, sagt der Arzt. Wir brauchen keine Putzfrau.“
Engelenburg zeigte auf den Kleinen, den Anni in das neue Hochstühlchen gesetzt hatte. „Der junge Mann braucht Sie“, sagte er, „viel mehr, als die Wohnung Ihnen Zeit lässt.“
„Vera ist ja auch noch da“, sagte Anni, „sie ist eine gute Mutter.“ Warum erwähnte sie das?
„Mit einer Neigung zur Außerhäusigkeit“, sagte Engelenburg, „tun Sie mir einen Gefallen, Anni. Wenn sich wieder eine der Damen vorstellt, geben Sie ihr eine Chance.“
Anni war dabei, einen Klops für Nicholas zu zerkleinern.
Tat sie es ein bisschen heftig? Sie fühlte sich umzingelt.
„Nicholas wird es seiner Großmutter danken“, sagte van Engelenburg. Er war ein kluger Mann.
„Vielleicht liest er“, sagte Nick, der eingeweiht war.
Sie standen vor dieser kleinen billigen Tür und warteten darauf, dass Leo Jantosch ihr anhaltendes Klingeln hörte und sie tatsächlich einließ
Doch es öffnete sich nur die Tür zur Nachbarwohnung.
„Der macht nur auf, wenn er Lust dazu hat“, sagte ein Junge im besten Teenalter.
„Wann hat er denn Lust?“, fragte Nick.
„Wenn’s Heinerle kommt und das Schachspiel unter den Arm geklemmt hat.“ Der Junge grinste.
„Dann bist du das Heinerle“, sagte Vera.
Der Junge warf sich die Hände vor die Brust und schwankte, als sei er tödlich getroffen. „Das darf kein anderer als Herr Jantosch sagen“, quiekte er.
„Warum glaube ich eigentlich, dass du ein hochintelligenter Junge bist?“, fragte Vera. Das Heinerle hatte zweifellos zu viele Comedy shows gesehen.
„Ich heiße Hendrik“, sagte der Junge in einem anderen Ton, „Herr Jantosch hält Heinerle für eine Ableitung davon. Total irre. Doch ich lasse ihn. Er ist in Ordnung.“
Nick drehte sich zu Jantoschs Türe um. „Erkennt er dich durch den Spion?“, fragte er.
„Nee. Ich klingele zweimal kurz.“
Hendrik wurde auf einmal zappelig, als müsse er aufs Klo.
„Wäre aber gemein, wenn Sie dieses Geheimwissen gleich einsetzten“, sagte er. „War nett mit Ihnen zu plaudern.“
Das Heinerle schloss die Tür.
„Was war denn das für eine Vorstellung?“, fragte Nick.
Vera blickte auf das Namensschild aus Keramik, das erst jetzt zu sehen war. Karin und Hendrik Klenke. Eine orangefarbene Katze zierte das Schild. „Die von Hendrik Klenke“, sagte sie, „ich nehme an, der alleinerzogene Sohn von Karin.“
„Und nun?“, fragte Nick.
„Du hast doch nicht etwa Hemmungen, zweimal kurz zu klingeln?“ Vera kannte ihren Nick.
Doch er wurde aus der Gewissensnot befreit. Jantoschs Tür öffnete sich. Vermutlich hatte er noch ein glänzendes Gehör und die ganze Show mitgekriegt.
Eine andere Umgebung als das angeschlissene Hochhaus hätte man sich für diesen hochgewachsenen Mann mit dem dichten weißen Haar vorstellen können. Ein Herrenhaus im Holsteinischen vielleicht. Bibliothek. Kaminfeuer.
Vera fand auf den ersten Blick Gefallen an ihm.
Kaum zu glauben, dass er den Knaben da drüben Heinerle nannte. Dafür schien er Vera nicht kauzig genug.
„Treten Sie ein“, sagte Jantosch und sah Vera in die Augen, „ich habe eben mit meinem Enkel gesprochen.“
Hatte sich der junge Leo Jantosch an den Namen der alten Dame erinnert, die ihre Jugendgefährten suchte?
Das Zimmer, in das er sie führte, war eine Bibliothek. Bücher in Eichenschränken. Kein Kaminfeuer, doch zwei Sessel mit hohen Lehnen, die mit sandfarbenem Wildleder bezogen waren. Beistelltische, auf denen Pfeifen lagen.
Hätten Vera und Nick die Büchersammlung des kleinen Herrn Kolp gekannt, ihnen wäre ein großer Unterschied aufgefallen.
Kolps Stapel hatten etwas Süchtiges, als brauche er das Lesen, um nicht mit dem Atmen aufzuhören. Bei ihm lagen Taschenbücher, deren Einbände zerfleddert waren.
Jantosch hätte das
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