Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
Tischplatte. Bis auf die Bedienungsanleitung
eines Rasensprengers war der Schreibtisch leer.
»Falls Sie ein wenig Zeit haben«, sagte sie, »wollen Sie dann nicht vielleicht der britischen Polizei helfen?«
Der Clubmanager ließ den Blick über Sal und dann über die Rasensprenger-Bedienungsanleitung wandern.
»Wie denn?«
Fletcher ging zur fahrbaren Frühstücksbude auf dem Marktplatz und stellte sich in die Qualmwolke, die aus Stans Bratpfannen
aufstieg. Es war früh am Morgen, noch vor sieben, aber es war jetzt schon warm. Stan schob ihm einen Becher mit Tee hin und
wendete Speck in der Pfanne. »Sie hatten ein Problem mit dem Wagen, wie man hört?«, fragte er.
»Ohne Tür ist es besser. So bleibt es kühler.«
Stan nickte. »Und wie geht es Ihrem Freund?«
»Meinem Freund?«
»Dem Mann, der aus einem anderen Land hierherkommt, dem Mann, der Frieden sucht.«
»Er ist nicht mein Freund, Stan.«
Stan sah Fletcher aufmerksam an und schaute dann weg.
»Dann muss ich mich wohl geirrt haben. Ich dachte nur, wegen der Art, wie Sie über ihn geredet haben.«
Sie brachten ihn im Taxi hin. Ein Granada, dessen Stoffsitze nach Fastfood und Rauch stanken. Der Fahrer warf ihm einen einzigen
Blick im Rückspiegel zu und sah dann immer geradeaus auf die Fahrbahn. Die Sozialarbeiterin, die neben ihm auf dem Rücksitz
saß, schaute aus dem Fenster.
»Es ist nur für eine Woche, okay?« , sagte sie. »Danach kommt die Familie deines Onkels aus Deutschland zurück, und du kannst zu ihnen. Okay?«
Sie bogen in eine Wohnstraße ein. Blissey Avenue. Nadelbaumhecken um die Gärten, ein roter Briefkasten und Eis auf den Pfützen.
Die letzte Vorstadt vor der Endlosigkeit der grauen Felder.
»Du kommst zu einer erfahrenen Pflegefamilie. Edmund und Maria Hartnell. Sie werden dich herzlich aufnehmen.«
Der Fahrer hielt vor Nummer vierunddreißig.
»Es sind noch andere Kinder da. Jugendliche, meine ich. Jugendliche, um die die Hartnells sich kümmern. Genau wie um dich.
Ihr werdet euch gut verstehen.«
Aus dem Zimmerfenster sah Tom Fletcher dem Taxi nach, das am Ende der Straße abbog und verschwand. Dann schaute er sich im
Zimmer um. Ein Bett und ein paar Poster an den Wänden. Eine zerkratzte Kiefernholzkommode. Der Heizkörper knackte vor Hitze.
Langsam öffnete sich die Tür.
Ein Mann mit Kordhose und Strickjacke über einem T-Shirt . In den Vierzigern, beginnende Glatze. Die Brille baumelte an
einer Holzperlen-Brillenkette. Beim Hereintreten fingerte er an den Holzperlen herum. Die Fingernägel waren zu lang.
»Hallo, Tom. Ich bin Edmund. Herzlich willkommen.«
Fletcher duschte und zog sich um, ein leichter Anzug, Leinenhemd und Krawatte. In der Parkside-Wache fragte er nach, ob man
den wegen Fahrerflucht gesuchten Omega inzwischen gefunden habe. Fehlanzeige. Er ließ sich ein Airwave-Gerät aushändigen,
trug sich für ein Zivilfahrzeug der Polizei ein und spielte mit dem Schlüssel, während er Webley auf ihrem Handy anrief. Er
erwischte sie auf dem Weg zum Seminar.
»Die ganzheitliche Polizeiarbeit kann warten, Fletcher. Schießen Sie los.«
Es wurde ein langer Bericht: die Strohpuppe auf der Leiche des Russen und die Drohung, die Iwan gegen die Einwohner von Thinbeach
ausgesprochen hatte, falls die Todesumstände seines Vaters nicht geklärt würden. Als er endete, schwieg Webley eine Weile.
Er meinte in der Stille ihren Atem zu hören. Dann fragte sie: »Was will er den Leuten von Thinbeach denn antun?«
»Ich weiß es nicht, Ma’am. Irgendetwas Abartiges, was sie vollkommen verstören wird. Bedenken Sie, was er mit Peter Charter
angestellt hat und welche Gefahr er für Judith Denton darstellt. Die Sache ist tückisch. Das Problem ist nämlich, dass es
die Situation langfristig nur verschlimmert, wenn wir jetzt die Hochzeit absagen oder eine Polizeitruppe dort aufmarschieren
lassen. Wir können nicht ein ganzes Dorf dauerhaft evakuieren.«
Wieder Schweigen.
»Die Polizeiführung steht hinter Ihnen, Fletcher. Das wissen Sie. Aber Sie haben nur noch vierundzwanzig Stunden. Wie wollen
Sie ihn aufhalten?«
»Es gibt eine sichere Methode. Ich werde herausfinden, wie sein Vater gestorben ist.«
Fletcher telefonierte von seinem Schreibtisch aus mit Sal und betrachtete dabei die Bäume des Parker’s Piece vor dem Fenster.
Sal befand sich Hunderte von Meilen entfernt auf den Rasenflächen von Parque da Pinta und sprach in ihr Handy.
»Also, zwei Sachen muss
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