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Tod einer Verrückten

Tod einer Verrückten

Titel: Tod einer Verrückten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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weißes Hemd, zweifellos sein bestes, das er zu Ehren des Feiertags angezogen hatte, klebte an seinem Rücken. Das Abendrot war verblaßt, ohne daß es kühler geworden wäre .
    »Was ist los? «
    »Deine Frau läßt dir sagen, daß sie hinaufgegangen ist. Die Kinder müssen essen. «
    »Schon gut. «
    »Was tut sich denn da oben? «
    Pippo zuckte die Achseln und beugte sich weiter hinaus, als eine Autohupe ertönte und die Leute beiseite traten. Jemand rief: »Zweiter Stock! «
    Pippo zog seinen Kopf zurück .
    »Da kommt jemand. Ich kann nicht sehen, wer, weil das Gerüst im Weg ist. «
    Der Maresciallo ging an die Tür. Es hörte sich an, als würde eine ganze Armee die Treppe heraufpoltern. Der Stellvertretende Staatsanwalt, zwei Stufen auf einmal nehmend und mit emporgewandtem Gesicht, tauchte als erster auf .
    »Guten Abend, Signore …«, sagte der Maresciallo .
    »Wo ist sie? «
    »Hier, in der Küche. Ich glaube nicht, daß Sie alle auf einmal Platz haben.« Der Staatsanwalt hatte seinen Protokollführer dabei, und hinter ihnen kamen die Leute von der Spurensicherung und der Fotograf mit seiner ganzen Ausrüstung .
    »Was ist da drin?« wollte der Staatsanwalt wissen .
    »Das Schlafzimmer. «
    »Doktor! «
    Der Arzt vom gerichtsmedizinischen Institut löste sich aus der Gruppe auf der Treppe und zwängte sich nach vorn .
    »Da drin. «
    Dem Maresciallo blieb kaum Zeit, das lächerliche Geschirrtuch von der Leiche zu entfernen, als ihn der Staatsanwalt auch schon anherrschte: »Wer hat sie bewegt? «
    »Der Mann, der sie gefunden hat«, sagte der Maresciallo, während er sich langsam aufrichtete. Der Staatsanwalt konnte sich doch wohl denken, daß nicht er es gewesen war .
    »Er hat sie mit dem Kopf im Gasherd gefunden und gedacht, er käme vielleicht noch rechtzeitig, um … «
    »Im Gasherd? Doktor … «
    Der Arzt stieg über die Leiche und gelangte so in die Küche. Er beugte sich über sie .
    »Wer hat sie bewegt? «
    Der Maresciallo wischte sich die Stirn ab und wiederholte: »Der Mann, der sie gefunden hat. Wie es scheint … «
    »Er hat sie mit dem Kopf im Gasherd gefunden«, unterbrach ihn der Staatsanwalt .
    Der Arzt runzelte die Stirn .
    »Darüber reden wir lieber nach der Obduktion … «
    Der Maresciallo war mehr als nur gelinde verärgert. Er wußte ebensogut wie die beiden Herren, daß man anhand der dunkelroten Male sehen konnte, wie der Körper nach dem Tod gelegen hatte, und daß sie, wenn die Frau wirklich an Kohlenmonoxyd gestorben wäre, viel heller rot gewesen wären. Aber das wollten sie in seiner Gegenwart nicht erörtern. Darüber würden sie im kleinen Kreis sprechen, und dann würde der Staatsanwalt ihm seine Befehle erteilen. Das war ihre Art, ihn wissen zu lassen, daß er nur ein Unteroffizier war, falls ihm das nicht klar sein sollte. Allerdings wußte der Maresciallo von seinem Capitano, daß die übelsten Staatsanwälte die Offiziere genauso behandelten. Die, die in Ordnung waren, behandelten niemanden so. Dieser gehörte offenbar zur ersten Kategorie, danach zu urteilen, wie er hereingefegt war, ohne auch nur zu grüßen, geschweige denn, sich vorzustellen; schließlich hatte der Maresciallo keine Ahnung, wer er war. Wahrscheinlich ärgerte es ihn, daß man ihn beim Essen gestört hatte. Und wenn die Sache schlecht läuft, überlegte der Maresciallo, während er den Mann taxierte, schiebt man garantiert dir die Schuld in die Schuhe .
    Während ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, blieb seine Miene unbeteiligt, und seine großen, vorspringenden Augen blieben starr auf die abblätternde Wand vor ihm gerichtet wie die Augen einer Bulldogge, die auf einen Befehl wartet .
    Um halb zehn brannten in allen Räumen der winzigen Wohnung schwache nackte Glühbirnen; der Maresciallo war allein. Der Staatsanwalt, der Gerichtsmediziner und die Leute von der Spurensicherung hatten die bei einem plötzlichen Todesfall übliche Routine absolviert und waren wieder verschwunden. Pippo hatte dem Staatsanwalt seine Geschichte erzählt, diesmal ein gutes Stück besser, und war nach Hause gegangen zu seiner Frau, dem Abendessen und dem Fernseher. Die Leiche mußte noch abgeholt, und Türen und Fenster mußten versiegelt werden, aber in der Zwischenzeit war der Maresciallo allein und sah sich mit ausdrucksloser Miene um .
    Zuerst warf er einen Blick in den Kühlschrank. Er war sauber und aufgeräumt, aber so alt und verkratzt, daß er schäbig aussah, und weil so wenig darin war, wirkte er

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